Sufferage Interview

„Death Nation Anarchy“ prangt auf der fünften Wuchtbrumme aus dem Hause Sufferage. Die Hamburger haben einmal mehr ein technisch-präzises als auch brutales Album eingezimmert, was mich – wie auch schon der Vorgänger „Everlasting enmity“ – begeistern konnte. Grund genug Schlagwerker Ole mit meinen Fragen zu malträtieren…

Die erste Frage zielt dann auch direkt auf die neue CD ab, nachdem „Death Nation Anarchy“ vom Label mit „kann den Vorgänger in allen Belangen toppen“ anpreist. Wie seht ihr das als „Erzeuger“? Typisches Elternstolz auf den jüngsten Spross?

Moin! Klar sind wir superstolz auf die Scheibe und wir würden absolut nichts daran ändern, höchstens vielleicht den Druck des CD-Covers, das einen kleinen Blaustich abgekriegt hat. Wir haben die Stärken der „Everlasting…“-CD ausgebaut und uns Mühe gegeben, das Songwriting noch spannender zu gestalten. Außerdem hat sich Jens in seinem 3rd A Studio wieder ordentlich reingekniet und einen Sound gezaubert, der eine ganze Schippe brachialer und düsterer ausgefallen ist im Vergleich zum Vorgänger. Unterm Strich: Wir lieben diese Scheibe!

Das ist natürlich keine Überraschung. Aber wie sieht es denn mit Eurer realistischen Erwartungshaltung an das Album aus? Was wollt ihr erreichen bzw. was denkt ihr könnt ihr mit der CD reißen?

Das kann man ehrlich gesagt weder kalkulieren noch irgendwie einschätzen, sondern sich einfach nur überraschen lassen, am besten ohne jede Erwartungshaltung. Wir tun unser bestes und freuen uns sehr darüber, wenn sich die Leute für das, was wir machen, interessieren und wir den einen oder anderen auch begeistern können und fühlen uns in unserer jetzigen Position auch ganz wohl. Wir haben schon ordentlich was gerissen, wenn die Leute zur Musik abgehen und vielleicht auch mit den Texten was anfangen können.
Für die nahe Zukunft ist unser Ziel, endlich mal auf Tour zu gehen! Es sollte ja schon im Herbst eine Osteuropatour geben, aber die ist aus Zeitgründen (Lasse ist nicht da) ärgerlicherweise für uns ins Wasser gefallen. Vorher steht aber noch ein Gig in Dänemark an und wenn es sich im Sommer ergibt, würden wir uns natürlich über einige Gigs in Deutschland sehr freuen! Wer das hier liest und zufällig noch ‘ne Band für einen Gig sucht, den er gerade organisiert, möge sich also bitte schleunigst bei uns melden! Nun sind wir gerade dran, für 2010 was zu planen!

Wenn ihr Eure CDs/bisherige Entwicklung bis hin zu „Death Nation Anarchy“ betrachtet: Wo seht ihr eure absoluten Stärken und an welchen „Schwächen“ wollt ihr selbst noch weiter arbeiten?

Schwierige Frage. Unserer Meinung nach kommen wir von Platte zu Platte unserer eigenen Sache näher und feilen Schritt für Schritt an unserer Identität. Der Weg zur kompletten Eigenständigkeit ist noch weit, aber wir haben es ja auch nicht eilig. Auf den Alben wurde jeweils mal in diese, mal in jene Richtung experimentiert, aber unser Weg ist relativ gerade und es ist sehr spannend, wo wir z.B. beim übernächsten Album ankommen werden. So ist „Death Nation Anarchy“ unser momentanes Etappenziel und zeigt am besten unsere aktuellen Stärken, daran würden wir auch nichts mehr ändern. Gleichzeitig haben wir für die nächste Scheibe schon wieder neue Ideen, was wir dann besser bzw. anders machen wollen.

Die Frage war anscheinend doch etwas schwierig, denn so richtig viel Aussagekraft hat Ole‘s Feedback nicht. Daher schwenken wir an der Stelle zum Artwork, bei dem mir unweigerlich Parallelen zum Vorgänger „Everlasting emnity“ auffallen. Liegt das nur daran, dass beide von Killustrations angefertigt wurden oder was steckt da ein Konzept/eine Geschichte dahinter?

Wir haben uns dieses Mal Mühe gegeben, das ganze Album – Titel, Texte und Cover – in ein Konzept zu gießen, das sich grob gesagt mit dem Phänomen Gesellschaft: die Masse und der Einzelne, Stark gegen Schwach, Machtmissbrauch und Unterdrückung etc. beschäftigt, wobei das Cover den Titeltrack illustriert. Die Ähnlichkeit zum Vorgänger besteht zwar mehr oder weniger, war aber keine Absicht. Das liegt bestimmt zum Teil daran, dass die Inhalte beider Alben natürlich nicht grundverschieden sind, zum Teil auch daran, dass Killustrations beide Bilder gemacht haben. Das Bild stellt eine undefinierte, bedrohlich wirkende Maschinerie dar, an die lauter klonhafte Figuren fixiert sind und soll einfach gesagt die Gesellschaft und ihre Zwänge und die passive, willenlose und gefangene Rolle des Einzelnen in ihr darstellen. Die Klone sind mit Schläuchen und Kabeln an diese Maschine gepolt und werden gleichzeitig gespeist und ausgesaugt.
Einer öffnet nun im Text wie auf dem Bild die Augen und versucht sich loszureißen.
Ob ihm das gelingt und ob er vielleicht sogar noch andere wecken kann, bleibt dem Betrachter überlassen.

Interessante Story. Genauso interessant war auch das Artwork für die dritte CD „Bloodspawn“ (ebenfalls aus dem hause Killustrations). Mich erinnerte die Grafik an eins der phantasievollen Spielzeuge aus der SAW-Filmreihe. Sicher war ich da allerdings – gut, dass ich mit meiner Unwissenheit nicht allein bin…

Was es genau darstellt, wissen wir ehrlich gesagt auch nicht, hehe. Damals haben wir Killustrations einfach machen und uns überraschen lassen. Das Schöne daran ist, dass der Betrachter zweimal hingucken muß, und immer noch nicht erkennt, was das für ein Teil ist. Diese Ungewissheit macht das Bild gerade spannend.

Wohl wahr. Da wir gerade über die Cover-Artworks sprechen, runden wir die Thematik mit einem Blick zu den Anfängen ab: Wie seht Ihr Eure ersten selbst angefertigten Gehversuche seinerzeit anno 2003 mit „Raw meat experience“ und 2001 mit „Birth“?

Unser Drummer hatte damals gerade sein Illustrations/Malerei-Studium angefangen, da lag es nahe dass er selbst ran musste. Allerdings gehört eine ganze Portion Zeit dazu, um in Ruhe ein vernünftiges Cover zu malen. Die kann er sich inzwischen leider nicht mehr abzwacken, da die Band ohnehin schon immens viel Zeit beansprucht.

Auf „Everlasting Enmity“ haut ihr den Fans satte 15 Tracks um die Ohren, auf „Death Nation Anarchy“ sind es immerhin 13. Wann findet ihr, dass ein Album rund ist und auf die Hörerschaft losgelassen gehört?

Ein Album sollte schon eine Mindestlänge von sagen wir mal 40 Minuten Musikspielzeit haben, wobei alles von der ersten bis zur letzen Sekunde gut durchgearbeitet und kompakt sein und ohne Lückenfüller oder ewig ausgereizte Riffs auskommen müsste.
Alles was über diese Spielzeit hinausgeht, kann man dann noch schön garnieren mit Samples usw. Wenn das Album schon fertig ist, setzen wir uns hin und hören es uns immer wieder durch und sammeln dabei noch mal neue Ideen: Wo kann ein Sample hin, wo wieder weg, wo kann man hier und da noch was verfeinern, was wo lauter oder leiser drehen, etc. Diese Feinarbeit würzt das Album sozusagen, am Ende wird noch mal abgeschmeckt, bis es endlich rund und fertig ist.

Wenn Ihr so genau tüftelt, ist die Zusammenstellung einer CD in Punkto Reihenfolge kein Zufall. Wie geht Ihr hier vor? (Ich persönlich finde, das auf den beiden letzten CDs die Kracher jeweils in der ersten CD Hälfte auftauchen.)

Da hast du recht, am Anfang muß es erstmal ordentlich rauchen, um den Hörer am Sack zu kriegen. Bei der „Bloodspawn“ haben wir es anders herum versucht, um dadurch eine Steigerung zu erzeugen. Inzwischen achten wir zum Einen auf Abwechslung zwischen den jeweiligen Songs und ausserdem auf ein ausgewogenes Gesamtbild, wobei es am Anfang erstmal kracht, dann ‘ne schleppende Nummer, wieder Knüppeln, in der Mitte zur Entspannung das Instrumental und zum Abschied noch mal ordentlich Geballer.

Du hattest anfangs bereits angerissen, dass „Death Nation Anarchy“ einem Gesamtkonzept folgt. Geh vor dem Hintergrund bitte ein bisschen näher auf Eure Lyrics ein.

Unsere Texte befassen sich vorzugsweise mit realen Themen, Politik, Gesellschaft, Kritik und Ablehnung bestehender Verhältnisse sowie düsteren, teils surrealen Visionen einer Zukunft, in die uns das alles führen kann. Die ‘Death Nation‘ beschreibt unsere träge, satte, passive Gesellschaft, in der wir leben. Es geht ausserdem um das schamlose, unmoralische, völlig regelfreie Verhalten der Starken gegen die Schwachen, ganz allgemein gesagt das gewohnte Bild des Kampfes um Profite und Macht mit seinen Folgen Krieg, Gewalt, Unterdrückung, Ausbeutung, Fanatismus, Hunger, Zerstörung der Umwelt, usw., schlussendlich dem Ausschluss jeder Art von Vernunft und dem Abbau jeder Lebensgrundlage. Die Texte beschreiben die Methoden, mit denen diese ‘Death Nation‘ ruhig gehalten wird: stumpfes Fernsehprogramm, stumpfer Konsum, sinnlose Ziele und Werte und der ständige Antrieb, diesen Idealen nachzulaufen, ohne nach links und rechts zu gucken. Dir wird penetrant eingehämmert, wie die vermeintliche Realität aussieht, was gut und was schlecht ist und was du zu tun hast und du brauchst gar nicht mehr darüber nachzudenken. Aber die Dinge in der Welt verändern sich gerade gravierend und es stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll. Plakativ wird beschrieben, wie einflussreiche Kräfte im eigenen Interesse alles tun, damit alles so bleibt wie bisher und sie haben Erfolg – die ‘Death Nation‘ schläft weiter! Diese muss nun langsam mal die Augen öffnen und sich bildlich gesprochen anarchisch von der Herrschaft und den Zwängen befreien, die –
im Interesse weniger – absehbar in immer größere Katastrophen führen, um das Ruder in eine vernünftigere Richtung reißen zu können.

Harter Tobak, aber nicht weit her geholt, zu mal die Inspirationsquellen direkt vor der eigenen Nase liegen.

Wir machen die Glotze an, da bieten sich Themen in Hülle und Fülle, sei es Tagesschau, Werbung oder stumpfe Talkshows, nach fünf Minuten hat sich genug Inspiration angesammelt…

Interessantes vermutete ich bei der Entwicklung an der Textschreiber-Front: Während auf „Bloodspawn“ fast komplett die ehemalige Sängerin Jasmin verantwortlich zeichnete, auf „Everlasting enmity“ ihr Nachfolger Fröhlich den Großteil verfasst hat, sind sie auf dem neuen Werk bis auf eine Ausnahme aus Oles Feder. Aber Ole zerstreut alle „Verschwörungstheorien“…

Das ist eher Zufall. Bei jedem der Alben fühlte sich einfach jeweils jemand anders berufen, die Texte zu schreiben.

Eine weitere „Verschwörungstheorie“ könne man bei der Fink-lastigen (die beiden Brüder Ole & Lasse) Präsenz in Punkto Lyrics, Music Fink und Arrangements wittern – wollen der dürfen die anderen beiden nichts beisteuern?

Weder noch, das hat sich dieses Mal so ergeben, wobei das Songwriting schon immer zuerst bei Lasse lag. Wir arbeiten mit einem kleinen Harddiscrecorder. Lasse sammelt darauf alle möglichen Riffs, die oft schon zu fertigen Songs arrangiert sind. Später ballert Ole seine Drums drüber und dann wird der ganze Kram zu fertigen Songs ausgebaut. Am Ende proben wir die neuen Songs alle zusammen, wobei mitunter hier und da noch mal was geändert wird. Jeder bringt seine Ideen und Vorschläge ein, aber das Fundament ist ‘made by Fink‘.

Unabhängig vom Musikalischen – Wie ist die Aufgabenverteilung innerhalb der Band generell in Bezug auf Promo, Merchandising, Gigs, Organisatorisches, Bier kaufen, Groupies klarmachen… ?

Der ganze Kram, der so zu machen ist wie Internet, Kontakt nach draußen, Gigs, etc.. liegt in erster Linie bei Ole, weil es praktischer ist, wenn einer auf ‘ne Mail antwortet, als wenn alle vier das machen. Ansonsten steuert jeder bei, was sich gerade so ergibt, wie er Lust bzw. Zeit hat.

Neben den 5 CDs steht auch eine bereits eine Sufferage-DVD („Zerhacken Wacken“) zu Buche. Bei einer etablierten Band gehört eine DVD ja fast schon zum guten Ton. Wie ist das bei einer Band eures Status: Ist da reges Interesse aus Fankreisen da oder macht man das am Ende eher für den erweiterten Freundeskreis?

Die DVD war eher ‘ne kleine Auflage für den erweiterten Freundeskreis, ‘ne nette Erinnerung an unseren Wacken-Gig 2004. Da haben wir was, dass wir irgendwann mal unseren Enkeln zeigen können, hehe. Der Auftritt wurde professionell gefilmt und da wollten wir dann was draus machen, weil das Material nun schon mal da war. Für ‘ne DVD, die im großen Stile auf den Markt geschmissen wird, war uns das ganze dann aber doch nicht ausreichend genug. Die kleine Auflage dieser DVD ist auch schon längst ausverkauft.

Dafür gibt es von Sufferage bisher kein Vinyl, weder als EP / Split-EP oder LP-Version. Ist Vinyl emotional nicht Euer Medium oder hat sich sachlich so eine Geschichte bisher noch nicht ergeben? Wäre bei entsprechendem Interesse unveröffentlichter Stoff am Start, um den Fans einen interessanten Release zu bieten?

Unveröffentlichtes, fertiges Material auf der hohen Kante gibt es bei uns nicht mehr, höchstens ‘ne Menge aussortierter Riffs. Aber alles, was wir so produziert haben, wurde auch auf CD gepresst. Gegen Vinyl spricht überhaupt gar nichts, wir sind alle große Vinylfans! Es ist halt nur sehr teuer, Vinyl zu pressen und das Risiko ist uns zu hoch, hier viel Geld zu investieren und nachher auf den Platten größtenteils sitzen zu bleiben, weil viele Leute gar keinen Plattenspieler mehr haben. Auch von anderen Bands haben wir schon gehört, dass sie ihre Vinylplatten bis auf bei einigen Sammlern nur schwer unter die Leute bringen können. Aber wenn einer bei uns mal im Lotto gewinnt, wird es garantiert auch Sufferage auf Vinyl geben!

Wer Eure Homepage besucht, wird mit einem fetten „Sufferage – Hamburg Death Metal“-Banner begrüßt. Seht Ihr Euch hierfür als Aushängeschild oder wer segelt noch mit unter dieser Flagge?

Dieser Slogan kam irgendwann mal auf, als wir bei der „Raw Meat Experience“ nicht wussten, was wir auf die Inlaycard an der linken Seite der CD schreiben sollten und er hat sich seitdem gehalten. Als wir dann noch Shirts damit bedruckt hatten, wurde ‘Hamburg Death Metal‘ ein Begriff, den auch andere Hamburger Bands benutzten. ‘Hamburg Death Metal‘ kann man gern als die Aufschrift der Schublade ansehen, in der unsere Musik eingeordnet werden kann, ein Mix aus Ami- und Schweden Death mit zunehmend eigener Duftmarke.

Apropos Hamburg: Was würdet ihr mir als unbedarftem Besucher der Stadt empfehlen – zum einen die Top-3-Anlaufstellen in Sachen Metal und zum anderen die 3-Non-Metal-Must-Have‘s….?

Inzwischen gibt es hier eine Reihe an Läden neben den etablierten Adressen Markthalle und Ballroom, wo oft gute Konzerte stattfinden, z.B. Revolt im Bambi Galore, das Hafenklang oder bei den Tipsy Apes. Darüber hinaus sind zu empfehlen der Besuch eines Spiels des FC St.Pauli mit anschließend entweder Kieztour oder bei schönem Wetter einem kühlen Bierchen am Elbstrand!

www.sufferage.de
www.remissionrecords.de

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