Obscenity Interview

Classic Death Metal

Obscenity

Die Oldenburger Obscenity sind seit Anfang der Neunziger ein fester Bestandteil der deutschen Death Metal Landschaft. Mit „Summoning The Circle“ erschien zuletzt ein neues Album, welches so ziemlich jeden Fan klassischen Death Metals in Verzückung versetzen sollte. Grund genug den Jungs mal etwas auf den Zahn zu fühlen! Gitarrist Henne und Frontman Manu standen mir hierfür Rede und Antwort.

Hallo Jungs, zuerst mal Gratulation zu eurem aktuellen Album, welches meiner Meinung nach ein wirklich feiner Brecher geworden ist. Zuletzt hatte ich die Gelegenheit im Jahre 2000 ein Interview zum Release von „Intense“ mit euch zu führen, welches in unserer #15 erschienen ist. Das ist verdammt lange her und ich muß ehrlicherweise zugeben, dass ich euch nach eurem „Cold Blooded Murder“ Album etwas aus den Augen verloren habe (Asche aufs Haupt!). Nach ganzen 4 Alben bei Morbid Records begann in dieser Zeit aber auch für euch eine regelrechte Odyssee und nach Cold Blooded Murder (2002) und „Atrophied in Anguish“ mussten eure Fans jeweils geschlagene 4, nach „Where Sinners Bleed“ (2006) sogar ganze 6 Jahre auf neues Material warten. Mögt ihr vielleicht nochmal rückblickend die letzten 15 Jahre zusammenfassen? Da gab es ja, vor allem ab 2006 so einiges an Querelen, Line-Up Wechseln und Rückschlägen.

Henne: Ich beginne mal mit 2006, da es das einschneidenste Jahr in der Bandgeschichte war. Zu diesem Zeitpunkt bröckelte es schon ein wenig, da unser Basser nebenbei noch bei einer bekannteren, deutschen Thrash Combo aushalf, die es mittlerweile nicht mehr gibt. Wenn diese Band also tourte oder Gigs absolvierte, konnten Obscenity nicht spielen da es dann ein gewisses Ungleichgewicht gab. Kurz später wurde uns von der Combo auch noch der Drummer entliehen. Danach ging es fast Knall auf Fall: Unser Gitarrist brauchte mal ne längere Pause und unser Sänger hatte nach knapp 20 Jahren auch keine Lust mehr. Wir haben dann quasi noch das „Vermögen“ untereinander aufgeteilt, den Proberaum gekündigt und damit war es das…

Fortan habe ich dann irgendwie alleine versucht die Obscenity Flagge hoch zu halten. Ich hab zu dieser Zeit zwar mehrfach versucht die Jungs zu reanimieren – und das über einen Zeitraum von einigen Monaten hinweg, aber nix ging. Sämtliche Versuche endeten in einer Sackgasse! Es gab entweder Absagen oder nur zielloses Rumgedruckse.

Irgendwann hatte ich dann auch die Faxen dicke und habe den Rest nur noch verflucht. Es verging einige Zeit, die ich gebraucht habe um mich zu sammeln und den Mut zusammen zu kratzen notfalls alleine weiterzumachen. Schließlich habe ich angefangen die Riffs, die mir im Laufe der Zeit durch den Kopf schwirrten aufzunehmen, bis sich eine beachtliche Riff und Ideensammlung angehäuft hatte. Es dauerte nicht lange und die ersten Grundgerüste für ein paar Songs standen, welche sich mit ein wenig Arrangement und Soloideen schnell zu fertigen Songs komplettierten.

Parallel dazu begann ich dann erneut mit der Musikersuche. An den Drums konnte ich mir keinen geringeren als unseren Ur-Schlagzeuger Sascha vorstellen, den ich auch kurz später traf und der fortan dabei war. Nachdem auch die Bassisten und Gitarristen Suche abgehakt war, meldete sich zufällig eine Bekannte, deren Freund aus Tampa kam um nach Oldenburg zu ziehen. Derjenige war auch noch Death Metal Sänger! Ich schickte ihm also die Demos und prompt kamen sie besungen zurück. Das war dann die Geburtsstunde für „Atrophied in Anguish“, welches 2012 über Apostasy erschien. Leider gab es danach wieder einige Line-Up Wechsel und auch zwischen „Retaliation“ im Jahr 2015 und „Summoning The Circle“ wurde nochmal am Besetzungsrad gedreht. Es war also in der Tat eine sehr ereignisreiche Zeit.

Ihr galtet ja so um die 2000er Jahre schon so ein bisschen als „Speerspitze des deutschen Death Metal“. Mittlerweile hat sich das gesamte Business bisweilen einschneidend verändert. Von den klassischen Printmedien hin zu online Plattformen, von den Verkaufszahlen physischer Tonträger, bis hin zu komplett neuen Vertriebsplattformen, Download und Streaming Portalen und natürlich hin zu völlig neuen Kanälen für Promotion in Form von Social Media Plattformen. Wie seht ihr diese Entwicklung – und vor allem deren Einfluß auf euren eigenen Werdegang?

Henne: Wären wir derzeit an Ball geblieben, wären wir sicher sehr viel weiter als heute.

Obscenity ist allerdings immer schon eher ein musikalischer Zeitvertreib gewesen, in den man vor allem viel Zeit und Herzblut investierte. Die Entwicklung hin zu den digitalen Plattformen war für uns persönlich nicht wirklich relevant, da eher die Labels darunter zu leiden hatten. Als Band die eh kaum irgendeine Art von monetärer Zuwendung gesehen hat, fiel das für uns nicht ins Gewicht. Natürlich wussten wir, das die Verkaufs,- und Downloadzahlen merklich geringer wurden, das haben wir schon als Statement der Labels mit auf den Weg bekommen. Und an der Qualität der Musik kann es nicht gelegen haben, denn die Reviews zu unseren Alben waren immer mindestens gut bis teilweise sehr gut. Wir hatten zwischendrin auch mal leise bei den „größeren“ Labels angeklopft, die uns sicher noch gut kannten. Doch dort wollte man eher neue, junge Bands unter Vertrag nehmen.

Geändert hat sich aber auch vor allem die Arbeitsweise der Labels: Früher hattest du einen Plattenvertrag und wurdest ins Studio geschickt. Heute gehst du als Band erstmal in Vorkasse und bewirbst dich mit der fertigen Produktion bei Labels. Die kaufen somit zumindest nicht die Katze im Sack.

Ein Nachteil der Digitalisierung ist, dass oftmals ganze Produktionen, die für Bemusterungszwecke an Zines gehen, oft schon lange vor Veröffentlichung ins Netz gestellt werden. Da kann man als Künstler schon mal stocksauer werden.

Du findest auf dem Album all das, was meiner Meinung nach Obscenity ausmacht und was man von uns erwartet.

Die größte Umwälzung diesbezüglich fand ja gerade so ab 2006 statt – und fällt somit genau in die Zeit, in welcher es auch um euch ruhiger wurde. Denkt ihr, dass die zwischenzeitlich stattgefundenen Veränderungen es euch zusätzlich erschwert haben nach sechs Jahren wieder „Anschluss“ zu finden?

Henne: Nun, ich höre zumindest immer wieder. „Was, Euch gibt’s noch? wusste ich gar nicht! Geil!“
Es ist schon schwieriger wieder Anschluss zu finden und sich zurück in Erinnerung zu bringen, wenn man zu Beginn dieser Umwältzung nicht präsent war, aber das wollen wir ja hiermit jetzt ändern, hehe. Nee, im Ernst, das Problem für „alte Hasen“ sind einfach die unzähligen neuen Combos, die es heutzutage gibt und die von Anfang an die Reichweite der digitalen Medien für sich genutzt haben. Mit den meisten kann ich nicht mal was anfangen, da ist leider auch viel Stuss dabei und eine Menge guter Bands fallen zwischen der digitalen Masse einfach durchs Raster. Dazu kommt, dass sich auch das Auftreten der Bands verändert hat, ich könnte mich z. B. unendlich aufregen über die Glorifizierung der ganzen Verkleidebands. Das Schlimme ist, dass die es auch noch ernst meinen. Also wirklich, wenn das Kaspertheater vor der Musik steht – dann wäre bei uns Schluss!

Widmen wir uns der jüngeren Vergangenheit. Nach einem zwischenzeitlichen Abstecher mit „Retaliation“ (2016) zu Kolony Records, seid ihr mittlerweile wieder zurück bei Apostasy. Wie kam es zu dieser Rückkehr bzw. überhaupt zu dem zwischenzeitlichen Wechsel?

Manu: Zu dem Wechsel kam es letzen Endes nur, weil vorübergehend keine Möglichkeit bestand, das Album zum entsprechenden Zeitpunkt bei Apostasy zu veröffentlichen. Somit haben wir uns anderweitig umgeschaut und bei Kolony veröffentlicht. Da „Retaliation“ aber irgendwie untergegangen ist und ein paar andere Sachen nicht so wirklich nach unserem Wunsch liefen, war für uns ziemlich schnell klar, dass für den nächsten Release anderweitig wieder geschaut wird. Da Tomasz auf uns zu kam und deutliches Interesse zeigte, war für uns die Rückkehr ziemlich schnell besiegelt.

Um die Vergangenheit dann mal komplett zurück zu lassen nun zum positivsten: zu eurem neuen Album! Willst du unseren Lesern kurz zusammenfassend beschreiben, was ihn auf „Summoning the Circle“ erwartet und was ihr persönlich mit eurer neuen Platte verbindet?

Manu: Um es kurz und knapp zu sagen – auf dem Album selbst erwartet einen neun mal klassischer Death Metal ohne viel Schnickschnack, aber im angemessenen und zeitgemäßen Soundgewand. Du findest auf dem Album all das, was meiner Meinung nach Obscenity ausmacht und was man von uns erwartet. Eingängiges Songwriting mit der notwendigen Aggressivität und Geschwindigkeit, geile atmosphärische Soli und Riffs, die definitiv hängenbleiben und für ein paar Nackenschmerzen sorgen werden.

Inhaltlich gibt es gewohnte Death Metal Kost ohne großartige Experimente mit den entsprechenden Vocals dargeboten.

Für mich persönlich ist es mein Einstieg in die Band und somit natürlich etwas Besonderes. Ich bin zwar schon seit fast drei Jahren dabei, aber das ist halt das erste gemeinsame Album und nimmt somit natürlich einen besonderen Status ein. Ich bin zufrieden und recht glücklich damit, wie sich das ganze entwickelt hat.

Zum Zeitpunkt eines Album-Releases ist dieses für die Fans zwar „neu“ – für Musiker und Band hingegen bisweilen schon fast wieder „von gestern“. Mit Songwriting, Studio, Produktion etc. sind die meisten Songs zum Zeitpunkt des Releases oftmals 1-2 Jahre alt. Wie ist das bei euch? Brennen euch schon längst neue Songs unter den Nägeln? Oder ist das zum jetzigen Zeitpunkt auch der interne Status Quo, um euch voll und ganz auf die Präsentation des neues Albums zu konzentrieren?

Manu: Nun, insgesamt mit Lyrics verfassen, Vorproduktion, Aufnahmen und Endprodukt ist nun gut ein Jahr ins Land gegangen. Der Großteil der Songs stand rein instrumental schon ein Jahr länger, somit gebe ich dir Recht, dass für uns natürlich die Songs alles andere als neu sind. Allerdings empfinde ich persönlich, dass die Songs durch die Produktion einiges an Dynamik und Durchschlagskraft hinzugewonnen haben. Sie wirken frisch, modern und dennoch klassisch. Ich muss ehrlich zugeben, als wir mit den ersten Proben angefangen haben zum Album, hätte ich nicht mit dem Ergebnis gerechnet.
Momentan sind wir natürlich primär auf die Resonanzen auf das Album gespannt, parallel dazu werden aber die ersten Ideen schon wieder ausgetüftelt. Anders funktioniert das auch nicht, sonst gehen ruckzuck wieder einige Jahre ins Land und wir wollen eigentlich versuchen, dass wir nicht wieder vier bis sechs Jahre verstreichen lassen.

Welche Hoffnungen und Erwartungen verknüpft ihr mit dem Release des neuen Longplayers, und was kann man allgemein in Zukunft von Obscenity erwarten? Wird man euch 2019 vielleicht verstärkt Live sehen? Gibt’s schon Pläne für das nächste Album?

Manu: Zu Plänen für ein Nachfolgealbum gibt es aktuell nichts Konkreteres. Wir hoffen, dass nach den unruhigen letzten Jahren nun wieder etwas Beständigkeit einzieht und dann werden wir das nächste Album in der jetzigen Zusammensetzung sicherlich angehen. Live spielen ist natürlich immer das größte und daher wollen wir natürlich auch das möglichst häufig machen. Bestätigt sind momentan als nächstes die Release Show von Legion of The Damned zusammen mit Dawn Of Disease und uns kommenden Monat (bei erscheinen sicherlich schon Vergangenheit) sowie ein Auftritt auf dem wiederauferstandenen Fuck The Commerce. Außerdem verhandeln wir grade was für eine Festivalshow in Frankreich. Wir hoffen natürlich, dass mit dem Album wieder ein wenig Bewegung für uns auf dem Livesektor kommt, was nach „Retaliation“ ein wenig ausgeblieben ist.

Wenn ihr schon immer etwas loswerden wolltet, aber ihr noch nie gefragt wurdet: das wäre jetzt die Gelegenheit. Wenn nicht – noch ein paar letzte Worte an unsere Leser?

Henne: Obscenity ist KEIN Oldschool Death Metal! Es ist Classic Death Metal! Aber das wurden wir ja nie gefragt… in diesem Sinne danke für euer Interesse.

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Foto: Band

 

Interview aus Eternity Nr. 24