Jim Petkoff (RAVEN BLACK NIGHT und THE LOVING TONGUE) Interview

Von einem Kumpel aus Melbourne erhielt ich vor ein paar Wochen den Tip, mal die in Adelaide ansässigen Bands RAVEN BLACK NIGHT und THE LOVING TONGUE anzutesten. Flugs kontaktierte ich JIM PETKOFF, seines Zeichens Sänger und Gitarrist beider Bands. Da mir die Musik außerordentlich gut gefiel, beschloß ich, Jimiboy zu einem Wortduell herauszufordern. Jim unterhielt sich mit mir ausgiebigst über Musik, Australien, Kultur, unzuverlässige Drummer, Alkohol, hübsche Frauen und vieles mehr. Dabei hatte Jim nicht nur sinnlose Allgemeinplätze zu vergeben und hat nicht nur hohle Phrasen gedroschen. Er hatte echt viel zu sagen und was er so losgelassen hat, hatte immer Hand und Fuß. Wir hatten ein echt spannendes und nettes Gespräch, welches am Ende seeeeehr lang geworden ist. Da ich es aber durchweg spannend fand, wollte ich es nicht kürzen. Lest selbst, was dabei herausgekommen ist…

Hi, Jim!! Hier spricht Phil aus Berlin. Schön, daß Du Zeit für ein Interview gefunden hast. Was macht das Leben so?

Jim: Mir geht’s prima!! Ich freue mich schon tierisch auf das Interview!! Let’s talk METAL!!

Wunderbar! Ok, here we go, fangen wir mal bei Adam und Eva an, sprich der Gründung der Bands. Erzähl mir doch mal etwas über die Anfänge von RAVEN BLACK NIGHT und THE LOVING TONGUE!
Jim: okay!!

Und dann verlier doch bitte noch ein paar Worte zum Line up bzw. zu früheren Besetzungen.

Jim: THE LOVING TONGUE haben sich im Jahr 1994 zusammengefunden. Bis etwa 1997 waren wir ein Progressive Rock Trio im Stile der frühen 70er. Später entwickelten wir uns in eine immer epischere Richtung und wurden gleichzeitig immer härter. Mit der Zeit kamen auch starke World Music Einflüsse hinzu, so daß schlußendlich ein Bastard aus hartem Progressive Rock, epischem Metal und Weltmusik dabei herausgekommen ist. RAVEN BLACK NIGHT wurden erst 1999 gegründet. Diese Band spielt eher traditionellen Heavy Metal gemischt mit epischem Doom. Musik und Texte sind purer Metal. Zu den verschiedenen Line Ups: THE LOVING TONGUE wurden von mir, Honey Boy Jim (Gesang und Gitarre), Big Tom (Bass und Gesang) und unserem ersten Drummer Paul Peeble gegründet. Da Paul nicht viel Zeit fürs Touren hatte, griffen wir eine zeitlang auf einen Touring Drummer namens Christian Jones zurück. Unser jetziger Drummer hört auf den Namen Joe Toscano und ist gewillt, mit uns Verrückten auf Tour zu gehen. Da Paul Peeble uns inzwischen verlassen hat, übernimmt Joe inzwischen sowohl die Studio- als auch die Livearbeit. Jetzt kommt der lustige Teil, die Line Ups von RAVEN BLACK NIGHT…Das wird jetzt sehr Spinal Tap-mäßig.

Hattet ihr denn so viele Drummerwechsel???

Jim: Hehehe, genau das meinte ich damit!! Das Grundgerüst von RAVEN BLACK NIGHT besteht im Grunde aus mir, The White Knight, an der Leadgitarre und am Mikro, The Raven an der Rhythmusgitarre und The Black Knight am Bass. Unser erster Drummer war The Godfather, gefolgt von The Jester, gefolgt von Dragon’s Breath, gefolgt von…Naja, jetzt haben wir The Duke an der Schießbude. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich übrigens Joe, der jetzige Drummer von THE LOVING TONGUE.

Oh, Mann, das ist ja wirklich richtig Spinal Tap-mäßig!!

J: Aber im Gegensatz zu den früheren Spinal Tap-Drummern sind unsere Kesseldrescher noch alle am Leben.

Alle noch am Leben?? Gab es keine bizarren Gartenunfälle? Ist keiner an seiner Kotze erstickt? Ist keiner explodiert?

J: Oh, da gibt es doch eine lustige Story: Einer unserer Drummer, sein Name war Barry, verschwand spurlos. Ich glaube, wir haben ihn böse verschreckt…

Wie konntet ihr ihn den verschrecken?? Seid ihr so schlimm? Habt ihr den armen Kerl etwa terrorisiert?

J: Ach was…Hahahaha…Es ist nicht ganz so tragisch. Wir trinken halt wie die Schweine, feiern, als ob es kein Morgen gäbe und kosten das Leben voll aus. Wir lieben Wein, Weib und Gesang!!

Ok, ich glaube, es wird Zeit für die nächste Frage. Es mag sich vielleicht blöd anhören, aber was waren die Beweggründe für die Gründung von THE LOVING TONGUE und RAVEN BLACK NIGHT? Was war DEine Motivation, als Du die Bands ins Leben gerufen hast?

J: THE LOVING TONGUE waren einfach eine natürliche Entwicklung, um unsere Songideen auszuleben. Als Jugendliche spielten wir Songs von Jimi Hendrix, Cream, Stevie Ray Vaughan und anderen alten Helden des Blues und des Rocks ein. Als wir aber anfingen, selber Songs zu schreiben, klang das Ergebnis fast immer völlig anders als das, was wir uns so an Musik reinzogen. Irgendwann schimmerte mein Metal Background unübersehbar durch und das Material entwickelte sich immer stärker Richtung Epic Heavy Rock. Das vorläufige Ergebnis dieser Evolution ist die Doppel CD „Distant Dreams“, die Elemente von Hendrix, Cream, Led Zeppelin, Deep Purple, Rush, Black Sabbath, Iron Maiden, Judas Priest, St. Vitus und Dio verbindet. Bei THE LOVING TONGUE war der metallisierungsprozess aber irgendwann ausgereizt und wurde gestoppt. Also beschloß ich, zusätzlich eine richtige, lupenreine Heavy Metal Band zu gründen. Zu dieser Zeit ging ich zu sehr vielen Metal Gigs und das hat mich wohl sehr stark beeinflußt. Bei einem dieser Gigs traf ich Rino The Raven und wir beschlossen, eine Band zu gründen, dessen musikalisches Fundament der Sound von Bands wie Black Sabbath, St. Vitus, Trouble und Candlemass sein sollte. The Raven und ich brachten sehr verschiedene Einflüsse mit: Ich kannte mich bis dahin kaum mit extremem Metal aus. Ich kannte lediglich ein paar lokale Knüppelbands und halt die erste Garde der international erfolgreichen Bands, z.B. Slayer, Morbid Angel, Cannibal Corpse und Death. Ich fand heraus, daß die meisten Fans harter Töne auch auf alte Helden wie Maiden und Priest abfuhren und das ermutigte mich, mit meiner Band auch vor „härterem“ Publikum aufzutreten. Mit der Zeit hat die extreme Metalszene natürlich auf mich und mein Songwriting abgefärbt. Wir sind für (fast) alles offen und verarbeiten alles, was uns gefällt. Man könnte RAVEN BLACK NIGHT als Hybrid aus allen möglichen Metalstilen bezeichnen. Wir haben auch Einflüsse aus dem Death Metal. The Black Knight steuert Growl Vocals bei, die einen schönen Kontrast zu meinem hohen, cleanen Gesang bilden. The beauty and the beast…Hahahaha!!! Uns ist es aber wichtig, daß alle Einflüsse gut mit dem Restsound verschmelzen und nichts wie ein Fremdkörper wirkt. The Black Knight spielt nebenher noch bei ONE STEP BEYOND und HATRED SLAVE, die wirklich extremen Death Metal fabrizieren. Rino THe Raven liebt fast alles von Kiss bis Slayer und von Mötley Crüe bis S.O.D. , während Joe The Duke ein Progressive Rock Fanatiker ist und auf Bands wie Yes, Rush und Dream Theater abfährt.

P: Ihr habt also einen seeeehr breitgefächerten Background. Was mir dabei aufgefallen ist: All diese Bands sind schon ziemlich lange dabei und als „Old School“ zu bezeichnen. Werdet ihr auch von jüngeren, moderneren Bands beeinflußt?

J: Ja klar! Ich mag z.B. Hypocrisy, Nile, Symphony X, Rhapsody und viele andere. Es gibt viele exzellente junge Bands. Ich bin wohl in beiden Bands derjenige, der für die old schoolige Ausrichtung verantwortlich ist. Ich glaube, daß man nur dann wirklich innovative und neue Musik erschaffen kann, wenn man sich der Wurzeln und Ursprünge bewußt ist. Ich liebe Musik, die Jahrhunderte alt ist: alten Folk, klassische Musik. Ich mag es, wenn man Altes nimmt und ihm neues Leben einhaucht. Die anderen Bandmitglieder stehen eher auf neuere Musik. Sie haben tausende von extremen Metal CDs. Bands, die alle Mitglieder von THE LOVING TONGUE und RAVEN BLACK NIGHT mögen sind z.B. Iron Maiden, Judas Priest, Blind Guardian und -natürlich- Black Sabbath, die Götter schlechthin.
Ach, übrigens: Wir trinken hier gerade ein Beck’s auf Dein Wohl, Phil!!

Cool, das ist ja nett. Ich fühl mich echt geehrt!! Ich habe „Distant Dreams“ einigen Leuten vorgespielt, die mit Metal nix am Hut haben und sie fanden’s echt geil!! Wie sieht Euer Publikum aus? Wie muß ich mir euren typischen Fan vorstellen?

J: Oh, das Publikum von THE LOVING TONGUE ist sehr gemischt. Wir haben alte Rocker über 30 und blutjunge Kids vor der Bühne. Viele junge Metalheads, die RAVEN BLACK NIGHTs straighte Heaviness mochten haben THE LOVING TONGUE angetestet und mochten auch unsere verspielten, progressiven Rockepen. Dadurch, daß wir so viele verschiedene Stile verschmelzen, sprechen wir auch ein sehr breit gefächertes Publikum an. Ich glaube nicht, daß wir einen „typischen“ Fan haben. Auf jeden Fall haben wir sehr viele weibliche Fans, was uns sehr gut gefällt!!

Meiner Freundin gefällt eure Musik auch sehr gut, besonders THE LOVING TONGUE.

J: Oh, sehr gut!! So mag ich das!! Ein weitere großer Vorteil unseres Stilmixes ist, daß wir mit jedem zusammen spielen können, von einer Mainstream-PopRock-Band bis hin zu einer True Evil Underground Black Metal Band. Wir sind da völlig offen und haben keinerlei Berührungsängste. Wir nehmen es mit jedem auf!! Hahahaha!!

Was gibt es zur australischen Metal-Szene zu sagen?

J: Die Metal-Szene ist hier sehr zerstreut. Die Szene hat sich auf die großen Städte verteilt und findet eigentlich nur dort wirklich statt. Es gibt verschiedene Splittergruppen, die in den einzelen Städten verschieden stark vertreten sind. In Sydney gibt es z.B. viele Thrash Bands und Fans, Melbourne ist mehr eine Stadt für klassischen Heavy Metal und Adelaide, die Stadt, aus der wir kommen, ist eine Hochburg des Death Metals. Es gibt hier auch eine starke Metalcore-Szene sowie eine starke NuMetal-Bewegung. Wir spielen auch mit Bands aus diesen Lagern zusammen, da wir der Ansicht sind, daß alle Metaller zusammengehören und zusammenhalten sollten. Obwohl es in Australien viele Metaller gibt, wird diese Art von Musik kaum im Radio gespielt. Alle Metalbrothers und Sisters sollten sich zusammenschließen und gemeinsam kämpfen!!
Die Fans hier sind großartig, sie unterstützen ihre Lieblingsbands bedingungslos und reisen oft tagelang durch das Land, um einen Gig zu sehen. Besonders beeindruckt hat mich das Adelaide Armageddon Festival, wo die Fans aus allen Ecken des Kontinents kamen. An dieser Stelle ein metallischer Grüß an unsere Fans aus Sydney, die bei unseren Gigs regelmäßig die Halle zum explodieren bringen und immer noch Jeans und Leder tragen!

Ich habe von diversen australischen Metalheads gehört, daß es in Down Under aufgrund der enormen Größe des Landes recht schwer ist, mit anderen Headbangern Kontakt zu halten.

J: Oh ja, es ist fast unwirklich!! Wenn Du in die Outbacks fährst befindest Du Dich plötzlich in einer ganz anderen Welt. Drei Viertel von Australien sind unbewohnt. Es gibt da draußen ein paar sehr schöne alte heilige Orte, die sehr sehenswert sind. Oh, sorry, ich schweife ab. Auf jeden Fall ist es durch das Internet wesentlich leichter geworden, mit anderen Fans Kontakt zu halten. Wer den Kontakt wirklich halten will, findet auch einen Weg.

Ich finde, der Sound von RAVEN BLACK NIGHT klingt sehr europäisch. Ich würde Die Musik als Mischung aus Maiden und Candlemass bezeichnen. Besonders die Vocals ligen exakt in der Schnittmenge von Bruce Dickinson und Messiah Marcolin. Was sagst Du dazu?

J: Der Sound von RAVEN BLACK NIGHT ist definitiv sehr europäisch. Da kommen ja auch die besten und legendärsten Metalbands her. Viele Leute sprechen uns darauf an und sagen uns, daß unsere Musik in ihren Ohren sehr europäisch klingt. Ich bin stark von europäischen Sängern wie Bruce Dickinson beeinflußt. Messiah Marcolin habe ich erst spät entdeckt, aber man kann ihn sicher gut aus meinem Gesangsstil heraushören. Ich liebe auch Sänger wie Robert Plant, David Byron, Ronnie James Dio, Ozzy Osbourne, Rob Halford und Ian Gillan. Das sind auch alles Europäer, oder? Auf jeden Fall sehe ich im Vergleich zu diesen Göttern ziemlich alt aus…

Ich finde, Du bist ein fantastischer Sänger! Genug geschleimt, nächste Frage. Woher bekommst Du die Inspiration für Deine Texte?

J: Bei THE LOVING TONGUE schreibe ich sehr metaphorische Texte über Könige, Prinzessinnen, Drachen, Burgen und edle Helden, aber die Stories an sich sind Erfahrungen aus dem echten Leben. Aus meinem Leben. Besonders die Texte auf „Distant Dreams“ kommen tief aus meinem Innersten.

Also ist Deine Vorgehensweise ein wenig mit der von DIO zu vergleichen, oder?

J: Ja, durchaus. Ich liebe DIOs Stil, besonders bei Rainbow. Er hat mich stark beeinflußt. Bei RAVEN BLACK NIGHT sind die Texte direkter und düsterer, aber der Stil ist schon ähnlich. Hier singe ich über Isolation, Depressionen, innere Ängste. Eines haben die Texte von RAVEN BLACK NIGHT und THE LOVING TONGUE haben aber definitiv eines gemeinsam: Sie haben eine romantische Schlagseite. Ja, ich schreibe gerne romantische Texte.

Mir ist diese romantische Seite auch schon aufgefallen. Was für Typen seid ihr eigentlich?

J: Ich bin von ganzem Herzen ein Rocker, aber ich versuche mich zu beherrschen…Hahaha. Der Rest meiner Musikerkollegen ist direkter und brutaler, eher wie wilde Tiere…Hahahaha. Ich bin eher der sanfte Typ, das ist meine masche, um die Prinzessinnen dieser Welt zu betören. Ich bin übrigens der einzige ohne Freundin…Ich habe einfach zu viel Auswahl!! Naja, immerhin führe ich eine stabile Beziehung mit meiner Hauskatze. Ach, da fällt mir ein, Big Tom ist auch Single…Aber Mütter lieben ihn, er ist der perfekte Schwiegersohn!!

Wie sehen Deine Zukunftspläne für RAVEN BLACK NIGHT und THE LOVING TONGUE aus?

J: Ich kann es kaum erwarten, das neue RAVEN BLACK NIGHT-Album „Choose The Dark“ zu veröffentlichen!!! Unsere beiden Demos sind sehr gut angekommen und ich hoffe, das Album wird den Fans gefallen und uns neue Fans bescheren. Ich bemühe mich gerade, eine kleine Tour bzw. ein paar Gigs in Europa zu organisieren. Ich würde so gerne mal in Europa spielen!! Mit THE LOVING TONGUE haben wir bereits ein Doppelalbum herausgebracht und es kommt ganz gut an. Wir wollen jetzt viel live spielen und hoffen, daß wir demnächst mal eine längere Tour fahren können. In Asien und Amerika waren wir bereits. Das war echt schön! Ach ja, es wäre schön, wenn wir einen Vertrieb für Europa, die USA und Asien finden könnten.

Ok, dann laß uns mal ’ne Runde „Word Attack“ spielen!! Ich werfe Dir ein paar Begriffe oder Sätze an den Kopf und Du sagst mir, was Dir spontan dazu einfällt. ok?

J: Dann mal los!!

Australische Open Airs

J: Big Day Out

Die Deutsche Metal-Szene

J: Leidenschaftlich und hingebungsvoll

Exzessiver Drogenkonsum in der australischen Metal-Szene

J: Ein echt trauriges Kapitel. Alcoholic Bastards!!

Noch eine Black Sabbath-Reunion-Tour

J: Bin ich im Himmel?

Hehehe…Meinst Du echt, daß Die Welt das braucht? Ok, bin schon ruhig…
„God gave Rock n Roll to you – and Satan twisted it into Heavy Metal“

J: But Buddha gave us power chords!!

Hahaha!! Geile Antwort!! „It’s a long way to the top if you want Rock n Roll“

J: Bon Scott- mein erster Einfluß! Ach ja: Der Weg an die Spitze wird übrigens immer länger, wenn man es mit Rock n Roll versuchen will…

„Nice boys don’t play Rock n Roll“

J: Nette Jungs spielen Popmusik…Und mit sich selber!

„I tell you to enjoy life, I wish I could, but it’s too late“

J: Der Weg des Exzesses führt zur Weisheit…

…Oder ins Grab!!
J: Hahahaha!!

Sooo, das Interview wird ja immer länger. Kannst Du noch?
J: Ich komme gerade erst richtig in Fahrt!!

Was für ein beachtliches Stehvermögen!!

J: Ich kenne da ’ne Menge Ladies, die Dir da Recht geben würden…

Du bist also sozusagen die australische Antwort auf Kiss-Schlabberzunge Gene Simmons?

J: Ich bin hier von Kiss-Fans umgeben. Rino The Raven möchte eine Kiss-Tribute-Band gründen. Er möchte Gene sein und ich soll Ace Frehley sein. Aber mal im Ernst: Ich glaube, Gene Simmons steckt mich locker in die Tasche, was Frauen und vor allem GELD angeht. Ich bin ziemlich arm und ständig pleite…

Gene Simmons hat kürzlich gesagt, daß jeder, der ihn nicht mag, im Grunde nur neidisch auf ihn sei und gerne so wäre wie er. Was sagst Du zu so einem Statement?

J: Ich denke, daß viele Leute neidisch auf seine Erfolge und sein Geld sind. Das ist völlig normal. Was ich nicht leiden kann, sind Leute, die ihrem Neid Luft verschaffen, indem sie das künstlerische Talent des Musikers herunterreden. Als Deep Purple hier in Australien waren, hat ein Typ ihnen in einem Interview nahe gelegt, sich aufzulösen, weil sie es nicht mehr drauf hätten. So behandelt man keine Legende!! Das hat mich so angekotzt. Zurück zum Thema Gene Simmons: Ich glaube, es ist ihm völlig schnuppe, was die Leute von ihm denken…

Oh, wo Du schon das Thema Deep Purple angeschnitten hast. Was hälst Du denn davon, daß sie immer noch am Start sind? Ich finde, Ian Gillan läßt die allermeisten Sänger immer noch alt aussehen…

J: Oh ja, definitiv!! Ich liebe seine Performance auf Sabbaths „Born Again“ und er hat seitdem nichts verlernt. Auch Ronnie James Dio ist immer noch topfit. Ich denke, man kann auch als alter Sack noch richtig rocken und Großartiges vollbringen. Denk nur mal an all die Blues Musiker, die bis zu ihrem Tod vor Publikum aufgetreten sind. Solche Leute verdienen Respekt!! Leute wie Muddy Waters haben meine tiefste Bewunderung!!

Wenn wir schon beim Thema „alte singende Männer“ sind: Kannst Du denn „Child in time“ singen?

J: Jaaaa, ich übe ständig zu „In Rock“!! Es entfesselt wirklich starke Gefühle in mir, wenn ich diese wahnsinnig hohen Noten treffe. Von allen Sängern, die ich studiert habe, ist Ian Gillan der beeindruckendste. Er kann so extreme Sachen singen, die auch noch die Seele berühren. Übrigens finde ich, daß David Byron von Uriah Heep immer unterbewertet war. Das fiel mir gerade ein, weil wir über Ian Gillan sprachen…

Mit diesem Background mußt Du ziemlich alt sein…Wie alt bist Du denn? Keine Sorge, ich verrat’s den Ladies nicht, falls Du über 40 sein solltest!!

J: Ich bin Anfang 30…Und diese alten Säcke über 50 singen besser als ich…Hahahaha…Aber laß es mich so formulieren: Ich werde nicht älter, die Ladies werden immer jünger!!

Oh, Mann, mit der großen Klappe hast Du sicher südländisches Blut in den Adern, oder?

J: Nicht wirklich, mein Vater hat bulgarische Vorfahren und meine Mutter hat macedonische Vorfahren. Ich bin ein sanfter, gefühlvoller Ritter in schimmernder Rüstung!!

Magst Du Europa?

J: Ich war leider noch nie in Europa. Wir sind durch die halbe Welt getourt, aber ich habe noch nie europäischen Boden betreten. Europa steht ganz weit oben auf meiner Prioritätenliste.

Das wäre doch eine gute Gelegenheit, um die Heimatländer Deiner Vorfahren zu sehen.

J: Ich habe einen Onkel in Klagenfurt, Österreich. Da würde ich auch gerne mal hingehen. Außerdem würde ich natürlich gerne die Heimatländer meiner Vorfahren besuchen. Ich habe eine Schwäche für europäische Folklore, besonders für slawische und mediterranen Folk. Diese Musik verbirgt so viele Überraschungen, epischen Gesang, überraschende Skalenwechsel und ungewöhnliche Liedstrukturen. Ich würde auch gerne mal aufs Oktoberfest fahren und mit den deutschen Metalheads ein paar Bierchen heben. Oder vielleicht ein paar Bierchen mehr….Hahaha. Das wäre großartig!! Ich will auch mal unbedingt nach Wacken zum W:O:A. Kannst Du mir ein Ticket schicken?

Hehehe…Du bist immer willkommen!! Ich werde mal versuchen, Dir ein Ticket zu schicken. Wacken sollte man mal erlebt haben, denke ich.

Ok, nächste Frage! Du scheinst stark von der europäischen Folkmusik beeinflußt zu sein. Gibt es so etwas wie traditionelle australische Folkmusik? Was kannst Du mir über diese Musik erzählen, falls es sie denn geben sollte?

J: Wir haben Indigenous-Musik, die Musik der Aborigines, die fast 40.000 Jahre alt ist. Die Ureinwohner Australiens kennen das Land und seine Eigenheiten besser als jeder Einwanderer es je könnte. Das wirkt sich stark auf ihre Folklore und ihre Musik aus. Die Aborigines haben z.B. eine Überlieferung namens „The dreaming“, die aber außerhalb von Australien ziemlich unbekannt sein dürfte. Es gibt auch eine Menge „eingeschleppter“ Folklore, die von den Einwanderen mitgebracht wurde. Wir haben hier keltische Musik, Musik aus dem nahen Osten, Musik aus Asien und Afrika. Wir sind eine multikulturelle Gesellschaft- und die letzte Grenze der westlichen Welt. Vielleicht kommt hier deshalb so vieles zusammen.

Wenn Deutsche an traditionelle australische Musik denken, denken sie zuerst an Aborigines, die Didgeridoo spielen. Dieses Instrument ist in Deutschland seit ein paar Jahren ziemlich angesagt. Es gibt hier einen regelrechten Didgeridoo-Boom und dieses Instrument ist ziemlich trendy geworden. Ich war sehr neugierig, ob es darüber hinaus noch traditionelle australische Musik gibt.

J: Das Didgeridoo kann eine Vielzahl von Emotionen transportieren. Es kann wunderschön und melodisch klingen, es kann Dir eine Gänsehaut bescheren, es deckt das komplette Spektrum ab, von bizarr bis liebreizend. Ich habe einen Song geschrieben, in welchem ein Didgeridoo eine tragende Rolle spielt, aber ich weiß nicht so recht, ob ich ihn veröffentlichen soll. Es soll der Kultur der Ureinwohner gegenüber nicht respektlos erscheinen. Wenn man so etwas anpackt, dann muß es mit entsprechenden Vorkenntnissen der Kultur passieren und nicht nur, weil es schön klingt. Ich war mir einfach unsicher, ob ich die Traditionen der Ureinwohner auf diese Weise nicht
beleidigen würde. Die meisten Menschen hier in Australien sind sich der Kultur und der Traditionen der Aborigines garnicht richtig bewußt. Sie interessieren sich nicht dafür und wissen demzufolge kaum etwas darüber.
Wir haben hier einen starken keltischen Einfluß in der Folkmusik, keltisch beeinflußte Musik ist hier sehr populär. Man kann eine starke Präsenz dieser Kultur in unserer Folkmusik fühlen. Wir haben hier in Adelaide ein World Music Festival, das Womad, wo die verschiedensten Musikstile zusammenkommen. Es ist wirklich ein Schmelztiegel für verschiedenste Einflüsse und Traditionen. Das ist schon beachtlich, wenn man bedenkt, daß wir ein sehr junges Land sind und dieser Kontinent erst seit recht kurzer von Einwanderern besiedelt wird. Ursprünglich war Australien so etwas wie ein riesiger Open Air-Knast.

Das ist alles sehr interessant. Du scheinst Dir Deiner Kultur und der Kultur Deiner Mitmenschen sehr bewußt zu sein.

J: Das ist Ansichtssache. Ich bin der Meinung, daß es sehr wichtig ist, fremde Einflüsse in sich aufzunehmen und sich der Vergangenheit bewußt zu sein. Das gibt mir das Gefühl, als ob ich schon viele Leben gelebt und viele Schlachten geschlagen hätte. Es eröffnet mir ganz neue Perspektiven und ermöglicht mir neue Denkweisen.

Ist es wahr, daß viele Australier ein Problem mit der Kultur der Ureinwohner haben und diese nicht mögen. Ist es z.B. mit der Situation in den USA vergleichbar, wo viele Menschen die Ureinwohner am liebsten ganz vertrieben hätten und sich daran stören, daß inzwischen mehr und mehr Ureinwohner in der modernen Gesellschaft Fuß fassen und in der heutigen Geschäftswelt erfolgreich sind?

J: Ich war schon immer ein sehr spiritueller Mensch und ich liebe und schätze alle Wege des Lebens. Ich habe mein ganzes bisheriges Leben damit verbracht, meiner Stimme in der Welt seine Gültigkeit zu verschaffen. Das bedeutet, daß man sich durchsetzen muß, ohne dabei den Respekt vor seinen Mitmenschen zu verlieren. Natürlich gibt es viele Leute, die der Kultur der Ureinwohner gegenüber intolerant sind, aber so etwas gibt es doch überall. Arschlöcher, die die Denkweisen und die Kultur ihrer Mitmenschen nicht verstehen und demzufolge nicht mögen. Das ist überall auf der Welt das gleiche. Ein Arschloch bleibt ein Arschloch. Glücklicherweise sind die rassistischen Idioten in der Minderheit. Die meisten Leute hier sind recht tolerant. Wenn sie sich schon nicht um die Kultur der Ureinwohner scheren, so stehen sie ihr doch zumindest neutral gegenüber. Leben und Leben lassen, das scheint hier das Motto zu sein. Ich finde es aber lustig, daß die Leute hier sich für die Kultur der amerikanischen Ureinwohner interessieren, während sie die der Aborigines völlig ignorieren. Das ist schon komisch. Mein Ziel ist es, die Grenzen zwischen den Kulturen einzureissen und zusammenzuführen, was auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammengehört. Die Metal-Szene wird zwar oft als limitiert und engstirnig bezeichnet, aber gerade hier steht man fremden Einflüssen sehr offen und neugierig gegenüber. Es wäre schön, wenn man irgendwann diese Grenzen, die die Gesellschaft errichtet hat, einreissen könnte. In der Metalszene hatte ich immer das Gefühl, frei von Zwängen und Konventionen zu sein. Mir tun die Leute Leid, die so beschränkt sind und deren Verstand so limitiert ist, daß sie andere Kulturen und Denkweisen nicht akzeptieren können.

Das ist jetzt mal ein klares Statement!! Ich wollte das jetzt nicht in eine politische Debatte verwandeln, aber es ist schon toll, wenn Musiker derart Klartext reden.
So etwas gibt es ja nun nicht allzu oft…

J: Ich bin immer so direkt, glaube ich…Hehehe…

Soooo, wir sind schon am Ende dieses Interviews angekommen. Was möchtest Du den deutschen Metalhorden noch mitteilen?

J: Es wäre echt schön, wenn wir mal nach Deutschland kommen könnten!! Ich würde gerne mal auf einer Bühne in Wacken stehen. Das wäre schon ein Traum. Wollen wir mal hoffen, daß er irgendwann in Erfüllung geht. Ansonsten: Viele Grüße an alle deutschen Metalheads!! Bleibt euch selbst treu!!

Jetzt kommt meine Lieblingsfrage: Warum sollen unsere heimischen Headbanger ausgerechnet Deine Bands unterstützen?
J: Oh, ich möchte niemanden zwingen, uns zu unterstützen….Hehehe…So was wäre mir unangenehm…Hahaha…Wir kommen auch ganz gut allein zurecht… Andererseits…Wir sind eine echte Band aus Fleisch und Blut und wir geben immer mindestens 110%. Wir spielen die Musik, die wir lieben und es kommt echt von Herzen!!

So, dann mach’s mal gut, Jim. Danke für das Interview, hat mir echt viel Spaß gemacht!!

J: Bye, Phil, man sieht sich dann in Wacken…Hahaha…

Ja, ich weiß, das Interview war lang, aber ich wollte es nicht kürzen, weil ich finde, daß Jims Aussagen allesamt sehr interessant waren. Solche sympathischen Querdenker, die im Herzen 100% Metal sind, ohne beschränkt zu sein, braucht unsere Szene. Überzeugt euch selbst von der Qualität dieser Bands und kontaktiert Jim!!
Schreibt an: The Loving Tongue, PO Box 158 Henley Beach, South Australia 5022, Australia oder lovingtongue@hotmail.com.

www.geocities.com/thelovingtongue

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