Hamburg Metal Dayz, 20. & 21. September 2019

Zum bereits achten Mal mutiert die Hamburger Markthalle zum Schauplatz eines alljährlichen Metalinfernos – den Metal Dayz. Bands jeder erdenklichen metallischen Stilrichtung (und manchmal auch abseits davon) beschallen die überschaubare Location ein ganzes Wochenende lang. Abwechslung gibt es reichlich: Parallel auch einiges an nicht musikalischem Programm. Eternity war für euch vor Ort, um selbst ein Ohr auf dem noch jungen Festival zu riskieren.

Tag 1

Den Anfang machen die Todesmetaller Critical Mess. Moderner Death Metal trifft auf klassische Einflüsse à la Bolt Thrower. Obgleich das aktuelle Album „Man Made Machine Made Man“ mit Lobeshymnen überzogen wurde, scheint die Truppe beim „Metal Dayz“-Publikum nicht die gleiche Begeisterung zu ernten. Vielleicht sind die lichten Reihen in der Halle auch der Bürde des Openers geschuldet. Trotz der noch wenigen Gäste kommt die Performance der Hannoveraner Truppe um die charismatische Frontfrau Britta Görtz gut an, die ihre Vocals zornerfüllt ins Mikro grölt – ein gelungener Auftakt.

Kurz ein Bier geholt – dann beginnt auch schon der Auftritt von Kaizaa. Warum ausgerechnet eine „Punk ‚n‘ Roll“-Band auf einem Metal Festival spielt, bleibt wohl den meisten schleierhaft, denn mit Metal hat das Ganze wenig zu tun. Eigentlich genauso wenig wie mit Punk – das heißt, bis auf die pinken Haare von Chic (Gitarre). Trotzdem bekommt man hier musikalisch soliden Radiorock, Metalheads dürften dem pseudoemotionalen Popgedudel allerdings wohl kaum etwas abgewinnen können.

Auch abseits der schwermetallischen Dauerbeschallung bieten die Hamburger Metal Dayz reichlich Programm. Vor Kurzem veröffentlichte der Metal-Mogul Brian Slagel sein Buch „For the Sake of Heaviness: The History of Metal Blade Records“, in welchem er über seine Zeit als Labelboss resümiert. Nebenan rocken derweil . Persönlich kann Slagel sein Buch allerdings nicht vorstellen und schickt als Vertretung seine Geschäftsführerin Tracy Vera. Als Wiedergutmachung gibt’s im Anschluss eine Runde Freibier für alle Gäste der Lesung – mit freundlichen Grüßen von Metal Blade Records!

Musikalisch geht es weiter mit Nothgard. Die aus Bayern stammende Epic-Melodic-Death-Truppe – wie sie selbst ihren Stil bezeichnet – weiß vor allem mit virtuoser Gitarrenarbeit gepaart mit orchestralen Elementen zu überzeugen, während sich die ganz in schwarz gehüllten Musiker textlich zwischen mythischen Themen und Gesellschaftskritik bewegen. Liebhaber der finster-melodischen Musik finden hier sicher viel Gefallen dran, zumal Nothgard aus einer stattlichen Diskographie schöpfen kann und auch nur allzu gern einer Querschlag durch ihre Musikkarriere darbietet.

Mit God Dethroned folgt eine weitere, aber wesentlich klassischere Death-Metal-Band an diesem Abend, dieses Mal aus den Niederlanden und – Überraschung! – bei Metal Blade Records unter Vertrag. Die Truppe um Henri Sattler (Gesang, Gitarre) wirkt trotz ihrer in der Vergangenheit häufig rotierenden Besetzung wie ein eingespieltes Team, auch wenn der Frontmann und gleichzeitig das einzig beständiges Mitglied seinen Bandkollegen etwas die Show stiehlt. Nichtsdestotrotz ein durch und durch gelungener Death-Metal-Auftritt.

Das Festival-Highlight dürften aber in jedem Fall die Thrash-Legenden von Overkill sein. Mit einem bestialisch lauten Auftritt – und als Headliner mit gleich neunzig Minuten Auftrittszeit statt der üblichen fünfundvierzig gesegnet , flitzt Bobby „Blitz“ Ellsworth über die Bühne wie ein Derwisch, verschwindet manchmal sogar ganz von der Stage, während Derek Tailer mit seiner extrovertierten Gestik und Mimik – den Blick immer auf einzelne Zuschauer gerichtet – bei diesen wahlweise Belustigung oder Verwirrung stiftet. Mit Genreklassikern wie „Elimination“ als auch mit dem Anfang des Jahres erschienen Album „The Wings Of War“ bringen die New Yorker die Markthalle zum Beben – und den ersten Festivaltag zu einem gelungenen Abschluss.

Tag 2

Der zweite Tag beginnt eher schleppend. Zwar wissen Tragedian durchaus ihrem Instrumentarium eine epische Soundmauer zu entlocken, das Heimspiel der Hamburger reicht jedoch nicht über soliden Power-Speed-Metal hinaus, sondern dümpelt irgendwo im Durchschnittsmorast herum. Immerhin wagt Joan Pabón einen Gang durchs Publikum und singt zusammen mit eigens herausgepickten Fans ein paar Verse seiner Songs, sonst bleibt der erste Gig des Tages aber eher unspektakulär.

Die Prager von Dymytry dagegen wissen, wie man eine gute Liveshow darbietet. Zwar mag der selbst betitelte Psycore-Stil nicht jedermanns Musikgeschmack treffen, außergewöhnlich ist er aber allemal. Mit Insektenmasken vermummt huschen die Gestalten wild über die mit Lichteffekten geflutete Bühne und präsentieren die Songs ihrer überwiegend tschechischsprachigen Diskographie – nicht das einzige Mal an diesem Abend, denn Dymytry soll später noch als Überraschungsgast zusammen mit Hämatom ihren gemeinsamen Song „Behind The Mask“ performen.

Auch am zweiten Tag gibt’s auf den Metal Dayz Nichtmusikalisches zu erkunden. Ernie Fleetenkieker – dem geneigten YouTube-Zuschauer besser bekannt unter dem Namen „Krachmucker TV“ – plaudert in Form eines „Poetry Slam“-Beitrags über den Sinn und Unsinn der schwermetallischen Musik, manchmal aber auch einfach aus dem „Black Metal“-Nähkästchen. Gelächter gibt es viel. Zu Recht. Auch in der finstersten Musikrichtung muss man schließlich nicht alles bierernst nehmen.

Iron Savior wagen dagegen einen Ausflug in klassische Power-Metal-Gefilde. Drückende Gitarrenriffs und eingängige Melodien formen den charakteristischen Klang und erinnern zuweilen etwas an die bekannten Genregrößen Blind Guardian und Helloween – nicht weiter verwunderlich, denn mit Kai Hansen und Thomas „Thomen“ Stauch (mittlerweile beide ausgestiegen) ist die Truppe gleich mit zwei Gründungsmitgliedern ein Abkömmling beider Bands. Seitdem rockt Piet Sielck (Gesang, Gitarre) mit neuen Weggefährten weiter und präsentiert auch mit aktuellem Material aus der Bandschmiede wie dem 2019 erschienen Album „Kill Or Get Killed“ sowohl live als auch auf Platte hochkarätigen Power Metal.

Klassisch aber ein wenig aus der Zeit gefallen wirken dagegen The Vintage Caravan. Ein bisschen klingt es so, als hätte man die wilden Rockbands der späten 60er und frühen 70er in einen Topf geworfen: Exaltierte Cream-ähnliche Arrangements, vermengt mit der Filigranität von Led Zeppelin, ein Hauch von Rush gepaart mit dem jugendlichen Image von The Vintage Caravan dürfte auf jeden Fall für Fans der alten Tage ein kleines Highlight sein. Wer auf Psychedelic Rock mit Blueseinflüssen und einer markanten Note Hard Rock steht, wird mit den Isländern auf jeden Fall gut bedient sein. Auch unter Musikerkollegen kommt der kreative Output offenbar gut an, denn Óskar Logi Ágústsson (Gesang, Gitarre) verkündet während des Auftritts, bald zusammen mit Opeth als deren Vorband unterwegs zu sein.

Den Abschluss machen Hämatom. Viele scheinen den Franken nicht zum ersten Mal zu begegnen: Den Reaktionen der Menge ist zu entnehmen, das einige Fans bereits auf dem von der Band organisierten Maskenball Festival waren. Entsprechend textsicher ist das Publikum. Auch die Bühnenshow weiß zu überzeugen, in dessen Verlauf Frontmann Thorsten „Nord“ Scharf in bester Alice-Cooper-Manier seine eigene Hinrichtung inszeniert und Frank „Süd“ Jooss sich während seiner Schlagzeugsoli per mobilem Untergrund durch das Publikum bugsieren lässt. Definitiv ein würdiger Abschluss.

Für einen Kartenpreis von 67,25 € ist man gut bedient, sofern einem ein so breites Spektrum an stilistischer Vielfalt zusagt. Sowohl alteingesessene Bands mit Legendenstatus wie Overkill als auch Kapellen mit der psychedelischen Härte von Cream wie The Vintage Caravan und leicht aus dem Raster fallende Musiker wie Kaizaa und Hämatom wissen sich gut ins Line-Up einzureihen und bieten so ein ausgewogenes Programm. Hartgesottene Schwermetaller werden sich aber sicherlich mit den Auftritten von den beiden letzteren schwergetan und sich lieber ihrer anderen Lieblingsbeschäftigung – dem Biertrinken – gewidmet haben. Unterm Strich dürfte aber wohl für jeden etwas dabei gewesen sein.

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