Gateway to Selfdestruction Interview

Gateway To Selfdestruction

Jedes Mal, wenn Gateway to Selfdestruction auf der Bühne stehen, lauscht das Publikum völlig gebannt und manch einer bekommt Gänsehaut, wenn Mara mit ihrer unglaublichen Bühnenpräsenz, ihrer eindringlichen Stimme und ihren Texten tief in die menschliche Seele eintaucht. Es ist Zeit, ihr ein paar Fragen zu stellen.

Wie ist es eigentlich bei dir mit Musik losgegangen?

Es waren damals die alten Plattensammlungen die meine Mutter und mein Stiefvater hatten. Bands und Künstler wie Janis Joplin, Pink Floyd, Motörhead, Blue Öyster Cult haben mich früh geprägt. Später probierte ich mich aus, die musikalischen Einflüsse wurden extremer und irgendwann fühlte ich mich überwiegend beim Black Metal angekommen. Die ersten Scheiben, die ich hatte waren von Dimmu Borgir „Stormblast“, Morbid „December Moon“ und Satyricon „Nemesis Divina“.

Magst du auch Klassik? Wie Edward Grieg oder Mozart?

Nein, ich höre keine klassische Musik. Ich höre nur Musik mit einer für mich „traditionellen“ Bandbesetzung, sprich Bass – Gitarre – Schlagzeug, ab und zu Synthies.

Das ist das Ziel der Musik, genau diesen Ausgleich zu schaffen zwischen Aggression, Wut und tiefer Traurigkeit.

Wie und wann hast du gemerkt, dass dir der Gesang liegt?

Was man unter „klassischem“ Gesang versteht, war nie mein Ding und es hat mich weder gereizt noch interessiert. Ich habe erst mit Anfang 20 angefangen selbst Musik zu machen und habe in diversen Proberaumprojekten Gitarre gespielt, irgendwann kamen dann die Vocals dazu. Dass ich aber irgendwann auf einer Bühne stehen würde, damit habe ich nicht gerechnet.

Hintergrundgeschichte zu eurer Band findet man nicht wirklich bei der Recherche. Ihr habt nur die Synonyme im Internet, bedeutet das, dass ihr damit die Musik hervor hebt und euch selber zurück nehmt?

Richtig, ich habe schon vorher Musik gemacht, zu diesen Projekten gibt es keine Veröffentlichungen. Mortem habe ich durch eines unserer früheren Projekte kennen gelernt.

War es vorher schon geplant, dass eine Frau in dem Projekt singen sollte?

Nein, die Jungs hatten schon einige Zeit nach einem Sänger gesucht, erfolglos. Mortem hat mir dann die Aufnahmen zugeschickt und gefragt, ob ich interessiert bin. Abryss war eher skeptisch. Zur ersten gemeinsamen Probe hatte ich dann 3 Songtexte dabei und habe die Songs eingesungen, danach hat sich seine Skepsis in Luft aufgelöst.

Du schreibst einen Teil der Texte?

Ich schreibe alle Texte und bin froh, dass mir die Jungs den kreativen Spielraum lassen, um mich in ihnen verwirklichen zu können.

Verarbeitest du in den Texten deine Gefühle oder Erlebtes? Viele Künstler nutzen ja ihre Kunst um Emotionen zu verarbeiten.

Durch meine berufliche Tätigkeit habe ich Zugang zu vielen verschiedenen Spektren von emotionalen Erfahrungen und manchmal binde ich Fallanalysen konzeptionell mit ein. Es spiegelt allerdings jeder Song Eigenanteile von uns allen wieder, erst so werden sie lebendig und authentisch.

Du hast beruflich damit zu tun?

Ich bin im familientherapeutischen Kontext tätig und habe Psychologie studiert, mein Beruf bietet mir viel Material.

Was verbindet euch als Band miteinander?

Uns verbindet eine lange Freundschaft miteinander. Wir hatten unsere Höhen und Tiefen aber GTSD würde nur durch das Fehlen eines Bandmitgliedes nicht mehr so funktionieren wie jetzt.

Gateway to SelfdestructionIhr seid ja nicht so oft an jeder Steckdose zu finden. Ich gehe davon aus, dass ihr euch eure Auftritte ganz gezielt aussucht?

Ja, wir haben unsere Vorstellungen, wo wir spielen wollen und unter welchen Bedingungen. Wir setzen uns zusammen und überlegen genau, welche Giganfragen wir annehmen und welche nicht. Die organisatorischen Bedingungen sind uns sehr wichtig. Es gibt unglaublich viele „Discounterbands“ (Zitat Abryss), die überall an jeder Steckdose zu finden sind und für einen Kasten Bier durch ganz Deutschland fahren, um sich bei manchen Veranstaltern zu prostituieren, eine moderne „Band-Tausch-Mentalität“, oder ein ständiges anbiedern bei diversen Veranstaltern zu praktizieren. Unserer Meinung nach verliert dann die Musik ihren Wert, vor allem wenn man sie für Bier und ein paar Cent kaufen kann.

An eurer Musik gefallen mir die Melodiebögen, die einem schnell vertraut sind und einen hohen Wiedererkennungswert haben. Man wird trotz allen Seelenschmerzes, den man beim Zuhören empfindet, durch die Melodie wieder eingefangen.

Das ist das Ziel der Musik, genau diesen Ausgleich zu schaffen zwischen Aggression, Wut und tiefer Traurigkeit. Lieder und Melodien zu schreiben, die eingängig sind und im Gedächtnis bleiben. Wenn es uns bei den Gigs gelingt, diese Emotionen auf das Publikum zu übertragen, dann war es für uns eine gute Show.

Wird es in Zukunft auch mal Gastsänger bei euch geben?

Das kann ich mir prinzipiell mit dem neuen Album sehr gut vorstellen, so 1-2 männliche Guest-Vocals, und es gibt schon konkrete Ideen, die wir als Band haben.

Also arbeitet ihr schon an neuem Material?

Es gibt noch kein Release-Datum, doch es gibt genug fertiges Songmaterial für ein neues Album. Allerdings konzentrieren wir uns gerade eher auf die Auftritte, die wir noch haben und 2019 stehen auch schon ein paar Sachen an.

Glaubst du, dass der Drang zum Tod, zum Schmerz, zur Selbstzerstörung ganz viel Kreativität rauslässt. Viele Künstler, nicht nur Musiker sind am Schmerz zerbrochen, aber haben vorher sehr viel Kreativität entfaltet.

Negative Gefühle können ein guter Motor für die Kreativität sein. Mortem, bringt zu den Proben immer die „Erst-Idee“ ein, die Songs schreiben wir dann gemeinsam. Die Jungs sagen auch immer, wenn es uns an Ideen und Kreativität fehlt: “ Uns geht es derzeit einfach zu gut, um gute Musik schreiben zu können. Die besten Ideen haben wir, wenn es uns so richtig scheiße geht.“

Wenn man die Kommentare unter euren Videos liest, werdet ihr sehr oft mit anderen Bands wie z. B. Sterbend verglichen.

Ja, Bands wie Sterbend und Nyktalgia haben mich geprägt, sowie Coldworld, Shining, Bethlehem oder Silencer. Den musikalischen Einfluss von Katatonia kann man beim ersten Album kaum abstreiten. Jetzt prägen uns Bands wie Antimatter, Ghost Brigade, Naive, Manes, Imperium Dekadenz. Wir lassen uns von Musik aus unterschiedlichsten Genres inspirieren. Mein Favorit-Album aus diesem Jahr war zum Beispiel von Manes „Slow Motion Death Sequence“. Die besten Livebands, welche ich in diesem Jahr gesehen habe, waren Wolvennest und Wovenhand auf dem „Chaos Descends Festival“.

Gateway to SelfdestructionWäre das auch ein Festival, bei dem du dich live wohlfühlen würdest? Ich denke, ihr würdet da sehr gut hinpassen.

Ja, warum nicht. Die Location ist spitze, aber darüber haben wir bisher nie nachgedacht und eine Anfrage haben wir bisher auch nie bekommen.

Wie seid ihr auf den Bandnamen gekommen, ich finde ihn wirklich einprägsam, obwohl es einige gibt, die es falsch schreiben.

Mortem und ich hatten von 2007 bis ca. 2009 ein früheres Projekt mit anderer Besetzung, welches schon Gateway To Selfdestruction hieß. Als die Bandbesetzungen 2014 komplett und entsprechendes Songmaterial vorhanden war, haben wir den Namen wieder übernommen.

Eure Texte findet man nicht. Was kannst du beispielsweise über den Text „Soziopath“ sagen?

Das ist der einzige deutsche Text auf dem Album. Ein „Soziopath“ hat ein Problem damit sich in andere Menschen hineindenken zu können, Empathie zu entwickeln, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Dieser Text ging mir leicht von der Hand, weil es damals aus dem Leben gegriffen war und ich häufig mit diesen Verhaltensweisen konfrontiert wurde.
„Rigidity“ thematisiert eine Form der Körperstarre, Gedanken die auf einen einströmen und zu viel werden, sich immer wieder im Kreis drehen und am Ende kostet dieser Verarbeitungsprozess so viel Kraft, dass man es nicht mehr schafft aus dem Bett aufzustehen. „Destroyed Self“ handelt von frühen Traumatisierungen und die Auswirkungen auf künftige Bindungsmuster.
Im zukünftigen Album beziehe ich mich lyrisch auf das Buch von Estella v. Welldon „Mutter, Madonna, Hure“es geht um alle Abgründe und Formen der weiblichen Perversionen. Wer wissen möchte, über was ich schreibe, den kann ich dieses Buch nur empfehlen.

Wie sehen deine Zukunftspläne, hast du noch Projekte neben deiner Band?

Seit Mitte 2018 bin ich fester Bestandteil bei „Gorleben“ einer Doom-Band aus Dresden. Wir nehmen derzeit unser erstes Album auf und parallel dazu arbeite ich an meinem Soloprojekt. Die Musik ist derzeit der größte Bestandteil in meinem Leben, somit werde ich mich in den nächsten Jahren nur darauf konzentrieren.

Vielen Dank Mara, dass du dir Zeit für das Gespräch genommen hast!

Danke fürs Interesse!

gatewaytoselfdestruction.bandcamp.com

Fotos: Celina Schulze

 

Interview aus Eternity Nr. 24