Violation Interview

violation [‚vaiœlein] 1. Verletzung, Übertretung, Bruch. 2. Notzucht, Vergewaltigung, Schändung. 3. Laute Musik, die mit verzerrten Gitarren operiert und auf stakkatoartigen, aber melodiösen Riffs, polternden Schlagzeugbeats im Polka-Takt (auch Humppa genannt) sowie pumpenden Bassrhythmen basiert. Durch Verwendung eines Keyboards kommt es zu einem druckvollen Sound, welcher den Gesang, welcher eindringlich versucht, böse bis brutale Texte in markante Vocal-Linien zu verpacken, perfekt ergänzt. 4. (grobe) Störung.

Da soll noch einer behaupten, daß das Lesen von schwermetallischen Magazinen keine Bildung vermitteln würde. Dieses „originalgetreue“ Langenscheidt-Zitat dürfte nämlich nicht nur Einblick Bedeutung des Ausdrucks „violation“ geben oder auf die Mehrdeutigkeit von englischen Begriffen hinweisen, sondern auch gut die Merkmale einer Band offenlegen, die seit gut sieben Jahren die deutschen Todesbleiszene aufmischt, nämlich Violation aus dem bayrischen Hof.
Der Autor der „Definition“ weiß jedenfalls wovon er spricht – schließlich ist Jürgen „Eumel“ Aumann selbst Sänger der Truppe. Allerdings noch nicht lange. Denn auf dem ‘97 aufgenommenen und über Last Episode erschienenen Debut „Beyond The Graves“ schrie sich Barney Dreiseitel die dunkle Seele aus dem Leib. Nach dessen Ausstieg warben Violation mit Marcus Fiessmann einen neuen Vokalakrobaten an, der auch „Moonlight’s Child“, die aktuelle Scheibe der sechs Bayern, einsang. Doch diese Zusammenarbeit war nicht das Gelbe vom Ei und so heuerten die Oberfranken schließlich im Herbst vergangenen Jahres Eumel, den ehemaligen Sänger der Nürnberger Death Metaller Soul Demise, an. Für zusätzliche Verwirrung dürfte eine neue Drehung im Bandkarusell führen, denn mit Snuff verfügt die Gruppe seit einigen Monaten auch über einen neuen Mann am Tieftöner. Doch nicht nur in bezug auf das Line Up, sondern auch in puncto Plattenvertrag scheinen Violation nicht gerade vom Glück verfolgt zu sein. So trennte sich die Band Ende ‘98 in beiderseitigem Einvernehmen von Last Episode. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein Studiotermin für den Sommer gebucht und ein neuer Deal mit Invasion in der Tasche.

So enterten Violation voller Zuversicht das Tätgren’sche Abyss Studio, um „Moonlight’s Child“ einzuspielen. So weit, so gut. Als jedoch eines Tages die Rechnung für die nicht bezahlten Aufnahmekosten auf den Tisch von Violation Keyboarderin Claudia flatterte, war Schluß mit lustig. Da Invasion sang und klanglos in der Versenkung verschwunden waren, mußten die Oberfranken erst mal einen tiefen Griff in die Portokasse tun und die Scheibe eigenfinanzieren. Keine allzu rosigen Aussichten – doch Violation kämpften sich durch.
Seit Anfang diesen Jahres ist die Band bei dem amerikanischen Label Red Stream unter Vertrag, welches u.a. bereits Bethlehem unter seinen Fittichen hatte. Das Line Up scheint sich bewährt zu haben, die ExPlattenfirma Last Episode bot Violation freiwillig an, für einen guten Europavertrieb von „Moonlight’s Child“ zu sorgen und live absolviert die Truppe gerade ein Festival mit Szenegrößen wie Vader und Fleshcrawl. Im Moment besteht wahrlich kein Grund zur Klage.
Der Versuch, den „Talk im Turm“ des denkmalgeschützten Aumann‘schen Anwesens ein wenig investigativer zu gestalten und auch einige negative Fakten aus dem Turmherrn herauszuquetschen, scheitert kläglich, denn Eumel antwortet auf die Frage, was die Band denn im Nachhinein bei den Aufnahmen zu „Moonlight’s Child“ heute anders gemacht hätte spontan mit einem schlichten „eigentlich nichts“. Doch schließlich fällt ihm noch ein: „Ich war zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht Bandmitglied, aber als Gast während der Aufnahmen im Studio. Daher sagt der Rest von Violation immer, daß ich die Scheibe eigentlich gleich selbst hätte einsingen können anstelle des damaligen Sänger Marcus. Ansonsten gibt es aber außer ein paar Kleinigkeiten nichts, was uns an der Platte richtig stören würde. Sicherlich findet man immer irgendetwas, das nicht ganz perfekt ist. Aber das ist normal.“ Und obwohl seit den Aufnahmen bereits über ein Jahr ins Land gezogen ist und „Moonlight‘s Child“ deshalb nicht mehr ganz brandaktuell ist, hat sich noch niemand in der Band an den Stücken sattgehört bzw. –gespielt. Das ist auch gut so, denn bis zum Recording des nächsten Longplayers wird noch einige Zeit vergehen, wie Eumel bestätigt: „Wir werden uns im August 2001 erneut im Abyss verbarrikadieren. Das Studio ist schon fest gebucht, jetzt müssen nur noch die Songideen kommen.“

Der Schwedensound scheint zum essentiellen Bestandteil von Violation geworden zu sein. Schämen sich Violation etwa ihrer Herkunft? Der Vokalist erklärt die Studiowahl folgendermaßen: „Obwohl unser Sound offen für viele Einflüsse ist, wird sich die Basis nie gravierend ändern – wir spielen melodischen Death Metal. Und da dieser seine Urheimat in Schweden hat, bietet es sich an, dort aufzunehmen. In dieser Hinsicht denken wir wie Fleshcrawl – warum soll man sich mit etwas zufriedengeben, das seinen Vorstellungen nicht hundertprozentig entspricht. In Schweden bekommen wir genau den Sound, der uns gefällt und zur Musik von Violation paßt. Außerdem bin ich sicher, daß man eine deutschen Band immer erkennen wird, selbst wenn sie einen schwedischen Sound hat.“ Es bleibt zu hoffen, daß die Wiedererkennung aufgrund des eigenen Stils und aufgrund des Akzents bei der Verwendung englischer Texte o.ä. erfolgt. Doch bei Violation ist dies nicht zu befürchten, ist das Sextett der Fremdsprache doch durchaus mächtig. So überlegen die Oberfranken gar, für die nächste Platte ein lyrisches Konzept zu erarbeiten, um die Songs nicht nur musikalisch, sondern auch thematisch miteinander verknüpfen zu können. Ein konkretes Thema haben Violation dabei zwar noch nicht im Auge, nach dem Faible der Band für Mystik zu schließen, dürfte das Ganze eine wahrhaft düstere Angelegenheit werden. Mit Satanismus haben Violation jedoch nichts am Hut, wie Eumel mit Nachdruck klarstellt: „Auch wenn `Invocation` mit seinem „Satan“Refrain stets unsere Zugabe ist – dieser Song behandelt das Thema rein ironisch und zielt auf die Kommerzialisierung antichristlicher Überzeugungen durch die Black MetalSzene ab.“

Denn mit reiner Geldmacherei wollen Violation nichts zu tun haben. So sind auch alle Bandmitglieder zufrieden damit, die Musik als ihr wichtigstes Hobby zu betreiben – nicht mehr, aber auch keinen Deut weniger… „Wir sind alle mit Spaß bei der Sache. Und das ist das wichtigste. Unser Ziel ist es, gute Platten zu veröffentlichen und Gigs zu absolvieren. Man kann mit unserem Musikstil nur in den seltensten Fällen ohne Job auskommen, geschweige denn reich werden – schon gar nicht als deutsche Band. Wenn man im Death Metal etwas erreichen will, muß man seinen Hintern hochkriegen und mit Leuten aus dem Underground in Kontakt treten, Konzerte organisieren und versuchen, stets den Überblick zu behalten. Sonst kommt man schnell in die Mühlen des Business und damit unweigerlich unter die Räder.“

Violation können von den Tücken des Musikgeschäfts nach der Plattenfirmen-Odyssee ein Lied singen. Doch die Bayern haben ihre Lektion gelernt. Die Fäden in der Hand behalten und das eigene Ding durchziehen, lautet die Devise. „Man soll zwar niemals nie sagen, aber ich denke nicht, daß sich Violation jemals von den Death Metal-Wurzeln trennen wird. Jeder in der Band ist Fan von schwedischem Todesblei und trotz aller Offenheit für andere Genres ist dies die Musik, die uns allen ohne Einschränkung gut gefällt. Violation wird keinem Trend hinterherrennen, nur weil sich damit die schnelle Mark machen läßt. Im Grunde ist es doch genau die Bodenständigkeit, die die Metalszene ausmacht“, erklärt der bekennende Iron Maiden und Slayer-Fan Eumel. „Wenn ich mir die Nicht-Metaller so ansehe, dann sehe ich Menschen, die vergeblich versuchen, sich den stetig neuen Bedingungen ihrer Umwelt anzupassen. Ich für meinen Teil bleibe lieber bei den Dingen, die sich bewährt haben und ändere nicht alle vier Wochen meine Haarfrisur, meinen Musikgeschmack oder meine Lieblingsfarbe. Das schätze ich auch z.B. an Bands wie Iron Maiden oder Motorhead – sie ziehen ihr Ding ganz konsequent durch, ohne sich um aktuelle Trends zu scheren.“ Dagegen könnte man einwenden, daß die Bodenständigkeit Innovationen hemmt. Traditionalismus und Kreativität scheinen sich ja noch nie besonders gut vertragen zu haben. „Es geht mir auch gar nicht darum, mich generell gegen Wandel zu sträuben. Ich bin ziemlich offen, was andere Musikstile angeht, so stehen bei mir Pink Floyd, Slayer, Iron Maiden und Deicide im gleichen Regal. Aber das ziellose Hinterherhecheln nach irgendwelchen Trends geht mir gewaltig auf die Nerven – und daraus entstehen nämlich keine neuen Ideen. Im Gegenteil: das x-te Kopieren einer gerade angesagten Band zerstört das kreative Potential einer Szene.“

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