Godstone Interview

England ist derzeit nicht gerade für eine blühende Undergroundlandschaft berühmt. Umso bewundernswerter, wenn sich dennoch eine Band wie Godstone aus Barnsley in South Yorkshire auf der Insel durchzubeißen versucht. Und wenn das dann auch noch so hörenswerte Ergebnisse wie die kürzlich im Eigenvertrieb erschienene MCD „Descension“ nach sich zieht, ist das eine genauere Betrachtung wert. Drummer Chris gewährt Einblick ins Undergrounddasein auf der Insel.

Hallo, Chris, stell‘ vielleicht erstmal Deine Band im einzelnen vor…
Chris: Hallo, Eternity-Leser! Also, da wäre ich, Chris Shaw, am Schlagzeug, dann Michael Burke an der Gitarre sowie Russell Stewart, unser Sänger. Und seit kurzem werden wir von Andy Williams am Baß ergänzt.

Wie würdet ihr selbst eure Musik umschreiben?
C.: Wir spielen extremen, modernen Metal. Das Hauptaugenmerk legen wir auf Gitarre und Schlagzeug. Unsere Songs sind stark rifforientiert, mit viel Groove, stellenweise auch mit technischen Parts…und von Zeit zu Zeit verwenden wir gar ein wenig Melodie…

Ihr hattet einige Line-up-Probleme in der Vergangenheit…
C.: Das hatte seinen Grund meistens im lieben Geld. Unser erster Basser stieg aus, da er seine Familie ernähren mußte, und unser erster Gitarrist verließ uns, weil er zur Uni ging und es sich nicht leisten konnte, jedesmal zu uns zwecks Proben zu kommen. Kürzlich war er nochmal als Bassist in der Band, was aber nicht sehr zufriedenstellend war für uns, so daß wir nun Andy auf dieser Position haben. Nach einem wie Andy haben wir lange gesucht. Wir dachten erst, daß er keinen Bock hat, einzusteigen, zumal er etwas älter ist als wir, aber er hörte unsere MCD und war sofort mit von der Partie!

Eure MCD „Descension“ entstand im weithin bekannten Academy-Studio. Wie verliefen denn die Aufnahmen?
C.: Sehr flott. Wir hatten die Songs sehr gründlich geprobt und sie an zwei Tagen eingespielt. Die einzige Ausnahme bildete „Cyclic Protozoan Minds“, welches von Burky und mir erst zwei Wochen zuvor geschrieben worden war. Da haben wir noch ein paar Drumparts geändert, aber nur Kleinkram, der Außenstehenden wohl gar nicht auffallen würde…Insgesamt lief es auf alle Fälle prächtig.

Und wie steht ihr nun mit etwas Abstand zu eurem Werk?
C.: Wir sind mächtig stolz, es so hinbekommen zu haben! Manchmal war ich mir sicher, diesen oder jenen Schlagzeugteil definitiv nicht hinzubekommen. Aber im Studio kann man sich dann selbst ein bißchen was beweisen. Ich bekam einen mörderischen Adrenalinrausch…wir nahmen gerade „System Of Confines“ auf und ich war viel zu schnell…Burky schrubbte wie wild auf seiner Klampfe mit, während in seinem Gesicht deutlich zu lesen war „Mir fällt gleich der Arm ab!!! Mach‘ verdammt noch mal langsamer!!!“. Die Produktion ist zudem kräftig und klar, alles klingt gut – was will man mehr?

Ihr habt dort ja direkt nach My Dying Bride aufgenommen. Was war es denn für ein Gefühl, noch die Bänder von „The Light At The End Of The World“ rumliegen zu sehen?
C.: Oh, ich hatte sogar meine Quadratlatschen auf den Bändern geparkt, hehe…Naja, ich weiß nicht recht…es war halt My Dying Brides neues Album! Irgendwie aber auch traurig, daß selbst die Bänder einer verhältnismäßig großen Band wie My Dying Bride wieder überspielt werden, da die Band es sich nicht leisten kann, sie zu behalten.

In dem Studio wurden ja schon so großartige Alben wie „Serenades“ von Anathema, „Gothic“ von Paradise Lost und My Dying Brides „Turn Loose The Swans“ aufgenommen, dennoch ist über das Studio selbst kaum was bekannt…Wie sieht’s dort denn aus? Und was für ein Typ ist Mags?
C.: Das Studio ist ein großes Haus, soweit ich weiß, sogar zwei zusammengeschlossene Häuser. Innen hat’s die üblichen Sachen, einen Aufenthaltsraum, einen Raum mit dem Mischpult, einen für die Gitarrenaufnahmen, ’ne Küche usw. Und wir haben die selbe Toilette benützt wie Paradise Lost, hehe! Mags ist ein prima Kerl, solange man ihn mit Kaffee bei der Stange hält und ihm was vom eigenen Essen abgibt! Er kennt sich mit seiner Technik natürlich bestens aus und gibt einem gleich die Sicherheit, daß man am Ende mit einem guten Ergebnis das Studio verläßt, egal, ob’s nun ein Album ist oder nur eine Demoaufnahme wie bei uns.

Etwas rätselhaft ist mir euer Bandname, was steckt da dahinter? Wieso habt ihr euch gerade so genannt?
C.: Wir hatten lange vergeblich nach einem passenden Bandnamen gesucht. Damals war Russ auf dem College und sah dort zufällig eine Straße namens „Godstone Road“…und das war’s! Es ist ein Name, der weder lächerlich noch zu simpel wirkt, sondern eher einen starken Eindruck hinterläßt. Die Leute fragen, was sich dahinter verbirgt, also scheint er gut zu sein, denke ich!

Erzähl‘ uns doch mal was über eure Texte. Was, zum Beispiel dürfen wir uns unter einem „Killswitch“ vorstellen? Und wie schaut es mit „Cyclic Protozoan Minds“, nach wie vor meinem Favoriten auf „Descension“, aus? So weit ich das mitbekommen hab‘, singt ihr da über das Rassismusproblem. Ist das auch in England ein so aktuelles Thema?
C.: Nun, der „Killswitch“ ist der Punkt, an dem du alle Vernunft über Bord wirfst und einen Scheiß auf irgendwelche Folgen deines Tuns gibst…ob das nun bei einem Mord selbst ist oder einfach nur bei einen Vollrausch. Dieser Text handelt allgemein von all den Ideologien, die uns an den Rand der Selbstauslöschung führen, sei es durch Umweltverschmutzung oder die gute alte nukleare Bedrohung. „Cyclic Protozoan Minds“ wird dagegen im Titel selbst bereits erklärt…wenn Du ein gutes Biologielexikon zur Hand hast, hehe! Im Grunde sagt es aus, daß Dummheit und Haß wie in einem Kreislauf immer wiederkehren. Die Leute lernen einfach nicht aus vergangenen Fehlern und verpassen so die Gelegenheit, innerlich zu wachsen – und so bleibt der Kreislauf in Bewegung, „the cycle goes on“, wie es im Text heißt. Man kann den Text also durchaus auf Rassismus beziehen, aber ich würde ihn nicht darauf limitieren. Solche Kreisläufe gibt es auch im ganz normalen Alltag, völlig normale Leute tun sich so etwas auch an. Ob Rassismus in England eine Bedrohung darstellt, weiß ich nicht, wenn ich ehrlich bin. Es gibt zwar wie überall einige rassistische Organisationen, die aber sehr im Verborgenen bleiben. Daher kann ich nicht sagen, wie groß die Bedrohung im Vergleich zu Deutschland ist. Irgendwie steckt aber in vielen ein versteckter Rassismus, ironischerweise gerade oft bei Minderheitengruppen. Ich selbst hingegen gebe nichts auf die Hautfarbe, ich will einfach nette Leute kennenlernen, egal, ob die nun schwarz, weiß oder lila sind! Und wenn jemand ein Arschloch ist, will ich denjenigen eben nicht kennenlernen, so einfach ist das!

Hier in Deutschland hören wir sehr selten von britischen Undergroundbands in letzter Zeit. Gibt es wirklich so wenige oder sind wir nur zu blöd, um auf sie aufmerksam zu werden? Gibt es denn welche, die wir uns merken sollten?
C.: Nun, wie wäre es mit uns, haha!? Nun ja, gute Bands gibt’s wohl überall, leider läuft es hier aber gerade so ab, daß ein gutes Image und modebewußtes Aussehen mehr wert zu sein scheinen als musikalisches Talent. Nimm nur mal zum Beispiel Coal Chamber und Meshuggah! Keine Frage, welche von den beiden Bands technisch fitter ist und mehr Integrität besitzt. Meshuggah werden sicher auch auf lange Zeit mehr Bestand haben, aber wer bekommt die großen Titelstories und die fetten Werbeanzeigen? Die Plattenfirmen scheinen es darauf anzulegen, das Debütalbum einer Band groß rauszubringen, viel Geld rauszuholen und dann beim dritten Album die Band zu droppen, weil der nächste Trend da ist. Angesichts dieser Praktik wäre ich dann lieber in dem Status von Meshuggah als dem von Coal Chamber.

In eurer Dankesliste dankt ihr auch den Fanzines, die auf die Musik und nicht auf die Klamotten achten. Gab’s denn schon Ärger mit letzteren verkappten Modemagazinen?
C.: Nun, das hat mit der vorigen Frage zu tun. Ärger in dem Sinn hatten wir noch nicht, aber man weiß halt, was man von jedem Magazin zu halten hat. Im Terrorizer wirst du respektiert für das, was Du machst, aber im Kerrang beispielsweise nicht, weil wir eben weder mit Make-up noch mit falschen Tattoos und Piercings daherkommen. Es soll halt ein Dankeschön sein an all jene, die nach wie vor mehr Wert auf den Inhalt als auf die Verpackung legen. Napalm Death sehen zum Beispiel in den Augen eines jungen Hüpfers nicht so dolle aus wie Limp Bizkit, ihre Musik hat aber weitaus mehr Substanz und wird eben auch in zehn Jahren noch ihre Fans finden.

Vor zwei Jahren hattet ihr mit Godstone die Gelegenheit, drei Gigs hier in Deutschland abzureißen. Wie kam es dazu und wie liefen die Auftritte für euch?
C.: Das kam durch den Gemeinderat von Barnsley zustande, der eine Band nach Schwäbisch Gmünd – die deutsche Partnerstadt von Barnsley – schicken wollte. Die dachten wohl, daß wir so was in Richtung Classic Rock machen!?!?! Wie auch immer, wir hatten unseren Spaß, vor allem am ersten und am letzten Abend war es echt genial!

Wie gefiel es euch denn hier, wenn man mal von den Gigs absieht? Was gefiel euch hier am besten? Und was überhaupt nicht?
C.: Ich hab‘ mich in Deutschland richtiggehend verliebt! Ich wäre am liebsten geblieben! Das Beste waren wohl die Leute, die wir bei euch getroffen haben und mit denen wir immer noch in Kontakt sind. Bei euch ist die Metalszene gesünder – nicht so trendorientiert – und die Leute bangen einfach drauflos, statt Angst zu haben, daß ihre Frisur durcheinandergeraten könnte! Der Koch in unserem Hotel war ebenfalls exquisit, was mir natürlich am besten reingelaufen ist, hehe! Was mir nicht gefallen hat? Hmm…daß wir nur fünf Tage und drei Konzerte lang bleiben konnten! Wir werden aber unser Bestes tun, um hier mit unserem neuen Basser uns ein wenig zu etablieren und dann auf den Kontinent zurückzukehren!

Welche deutschen Worte hast Du denn in der Zeit aufgeschnappt?
C.: Frag mich nicht, wie man das schreibt und ausspricht, aber da wären „Arschloch“, „Fetzel“ (??? – Anm. des ratlosen Verf.) und „Schnitzel“. Ohne die ist man nicht überlebensfähig, hehe!

Aha…!? Wie dem auch sei…Mir kam auch zu Ohren, daß ihr derletzt zusammen mit einem Saxon-Musiker zusammen einen Auftritt hattet.
C.: Ja, das war ein Konzert mit Graham Oliver. Und um ehrlich zu sein, war der Abend nichts Besonderes…Der Knabe war halt nicht mehr als ein schlecht Gitarre spielender Typ, der die ausgemachten Songs nicht mal gelernt hatte.

Wer den löblichen Versuch unternimmt, mit euch zu reden, wird die besondere Erfahrung machen, daß ihr einen Dialekt sprecht, der mit den normalen Schulenglisch, das wir hier lernen, nicht viel zu tun hat. Werdet ihr überhaupt in England außerhalb von Barnsley verstanden?
C.: Nun , unser Dialekt ist wirklich ganz speziell, hehe. Wenn ich an der Uni in Sheffield bin, sind die Leute schon total fasziniert von meinem Akzent, der wirklich nix mit dem „Queen’s English“ zu tun hat. Ich hab‘ zum Beispiel eine südafrikanische Dozentin, die mich ständig aufruft, damit sie eine weitere Kostprobe „Barnsleyish“ bekommt! Sollte sich jemand für unseren Dialekt hier interessieren, so kann ich den Film „Kes“ nur empfehlen – natürlich in der unsynchronisierten Fassung. Er wurde in Barnsley gedreht…

Um das Niveau meiner Fragen endgültig dem Nullpunkt nahezubringen, würde ich gerne noch wissen, welches Mahl du einem Deutschen mit den typischen Vorurteilen gegenüber dem Inselvolk (mieser Fraß, schlechtes Wetter) empfehlen würdest, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen…
C.: Fish and Chips! Die deutsche Version der guten alten Chips (Pommes) ist ziemlich mies, finde ich, und Fish and Chips ist einfach verdammt lecker! Und übrigens, was das schlechte Wetter angeht: Als wir in Deutschland waren, schiffte es die ganze Zeit!

Nun gut, als „würdigen“ Abschluß möchte ich dich nun um deine Meinung zu den Teletubbies bitten.
C.: Ich finde, die sind richtig evil! Diese dunklen, kleinen Augen – die schauen doch wie Drogensüchtige aus! Also genau das Richtige für kleine Kinder…oh, und natürlich für deutsche Schreiberlinge, haha!

Na, wenn das so ist, werde ich jetzt mal den Kinderkanal anschalten und auf Dipsy & Co. warten.
Vorher möchte ich euch aber noch die Adresse verraten, über die ihr Kontakt mit Chris aufnehmen könnt und ihn über Barnsleyish, die Teletubbies und Fish and Chips ausfragen könnt – oder euch ein Exemplar von „Descension“ sichern könnt!

Godstone
c/o Chris Shaw
21 Ellis Crescent
Brampton, Barnsley
South Yorkshire
S73 0UG
England
e-mail: drumming_moose@hotmail.com

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