Ritual Carnage Interview

Eine der großartigsten Bands, die Japan je hervorgebracht hat, sind in meinen Augen Ritual Carnage. Das bewiesen sie schon mit dem famosen Debüt „The highest law“. Nicht nur ich war damals reichlich konsterniert, ob der brachialen Urwüchsigkeit der Asiaten. „Every nerve alive“ konnte die hohen Erwartungen erfüllen und legt die Latte für den Nachfolger nun noch ein Stückchen höher. Erneut nahm ich Kontakt zu Sprachrohr Damian auf, der trotz der Tatsache, daß die Band gerade von Tour zurückkam und sicher erstmal etwas regenerieren muß, meine Fragen binnen 24 Stunden beantwortete. Respekt!

Hi Damian, endlich ist euer zweites Album erhältlich, dem sicher nicht nur ich entgegen gefiebert habe. In meinen Augen ist es ein Hammer geworden. Was kannst du uns über ‘Every nerve alive’ erzählen?
Wir wollten ein Album aufnehmen, daß live genauso gut abgeht wie zu Hause im CD-Player. Für uns ist es wichtiger als Live-Band angesehen zu sein, als als Studioband. Tut mir leid, aber ich kann keine Band respektieren, die zwar eine gute CD abliefert aber live nichts rüberbringt. Deshalb haben unsere musikalischen Fähigkeiten auch absolute Priorität. Das siehst du auch an unserem neuen Material: es repräsentiert die Art von Power und Wucht, die wir auch auf der Bühne zeigen wollen. Daher stehen auch unsere aggressivsten Stücke der letzten sieben Jahre und von heute auf der CD. Ich denke auch, daß der CD-Titel (Every nerve alive) ein guter Ausdruck für das Konzept des Albums ist.

Normalerweise ist es so, daß jede Band erstmal anfängt zu erzählen, ihr neues Album ist das beste, was sie jemals gemacht haben etc…. Aber vielleicht gibt es bei euch Dinge, wo du selber sagst, die habt ihr beim Debüt „The highest law“ besser hingekriegt?
Das erste Album spielten wir quasi live ein. „Every nerve alive“ entstand Stück für Stück. In meinen Augen war diese Herangehensweise ein großer Fehler, denn dadurch haben wir dieses Live-Feeling verloren, was mir so am Herzen liegt. Beim nächsten Album gehen wir definitiv wieder back to the roots und spielen das Album live ein.

Als „The highest law“ herauskam, kannte euch quasi keine Sau. Logischerweise konnte auch so niemand irgendwelche großartigen Sachen von euch erwarten. Nachdem ihr mit dem ersten Album einigen Leuten tierisch den Schädel weggeblasen habt, sieht das Ganze nun etwas anders aus: etliche Leute möchten euer erstes Album nicht mehr missen und auch auf euer Europa-Tour habt ihr einige neue Freunde hinzu gewonnen. Die erwarteten alle ein Killer-Nachfolger, der es zweifelsohne auch geworden ist. Wie sahen eure eigenen Erwartungen nach dem eher unerwarteten Erfolg von ‘The highest law’ aus?
Meiner Meinung nach ist das zweite Album einer Band auch das wichtigste. Wir waren uns auch im Klaren darüber, daß unsere Fans nach dem ersten Album eine Menge von uns erwarteten. Deshalb kann ich schon zugeben, daß wir während der Fertigstellung zum aktuellen Album ziemlich unter Stress standen. Wähend des Songwritings und der Arbeit am Album versuchte ich mich immer in die Position eines Fans hineinzuversetzen. Die Fans sind das wichtigste was wir haben. Ohne sie könnten wir einpacken. Unsere Fans erwarteten pure Aggression von uns. Ich hoffe, mit „Every nerve alive“ haben wir das abgeliefert, was sie wollten. Ich bin soweit mit dem Musikalischen auf der CD zufrieden, nur wie ich vorhin schon sagte, ich wünschte, wir hätten es live eingespielt.

Wenn du beide Alben vergleichst, gab es großartige Unterschiede im Songwriting? Mehr Druck als frühe roder einfach nur ‘business as usual’?
Wir wollten uns auf musikalischer Ebene selbst herausfordern, aber trotzdem unsere aggressiven Roots nicht aus den Augen verlieren. Wenn ich unsere erste Tour Revue passieren lassen, haben wir schließlich auch bei Stücken wie „The highest law“ oder „Servants of the black“ die besten Reaktionen aus dem Publikum bekommen. Die Arrangements für die neuen Stücke blieben also ziemlich geradlinig, nur kam ein wenig Horizonterweiterung dazu. Während der Entstehung des neuen Albums waren wir sehr oft am Proben, was auch dazu führte, das wir nun „unseren“ Sound gefunden haben. Ich denke, durch den ganzen Selbstfindungs- und Lernprozess wird das Schreiben des nächsten Albums viel einfacher und natürlicher verlaufen.

Eure Stücke sind immer noch schnell, direkt in die Fresse und immer noch gut für einen Nackenmuskelkater. Aber da sind auch ungewohnte Töne für euch, ‘Escape from the lights’ zum Beispiel, mit Passagen die klare, melodische Vocals enthalten.
Das ist ein relativ alter Song. Unsere Fans hier in Japan waren ziemlich enttäuscht, daß wir ihn nicht mir auf „The highest law“ hatten. Ich war schon ziemlich überrascht, daß nach dem Release des ersten Albums einige unserer treuesten Fans zu uns kamen und meinten, daß sie sehr traurig sind, weil dieser Song fehlt. Ich mag das Stück auch, keine Frage. Die klaren Vocals passen am besten zu den akustischen stellen, so daß es nur normal ist sie zu benutzen. Erinnert mich ein wenig an die Sachen, die Pantera auf der „Cowboys from hell“ und „vulgar display of power“ gemacht haben, die Kombination von ‚harten‘ und ‚weichen‘ Vocals und Songs, die etwas von einer Ballade haben.

Eine kurze Frage zum Intro des Albums & dem anschließenden „Awaiting the kill“. Ich finde es recht langweilig. Aber vielleicht wolltet ihr damit eine besondere Atmosphäre kreieren? Vielleicht das quälende Geräusch der Gitarre im Zusammenhang mit dem Songtitel?
Knapp daneben, tatsächlich ist es der Text. Wir wollten die Atmosphäre der Aggression steigern bis sie kurz davor ist vor Spannung zu explodieren. Der Text von „Awaiting the kill“ handelt von einem Geistesgestörten, der angeklagt wurde vom Satan besessen zu sein und deshalb verbrannt wurde. In Wirklichkeit war er aber nur geisteskrank. Nach seiner Verbrennung stand er von den Toten wieder auf, wurde nun vom Satan besessen und startete einen tödlichen Rachefeldzug. Es ist ein cooler Sog, sowohl vom musikalischen als auch vom textlichen her. Aber wenn dir der Text nicht vorliegt, verstehe ich, warum du das Intro nicht magst. Also, wenn du das nächste Mal die Scheibe im Player rotieren läßt, nimm die das Textblatt dazu.

Laß uns über eure lyrischen Auswürfe sprechen: wenn ich durch die Texte zu „The highest law“ lese stoße ich meist auf antichristliche oder satanische Themen, leicht zu verstehen, sehr bildhaft geschrieben. Was willst du mit den Texten am meisten ausdrücken?
Auf dem ersten Album habe ich versucht alle Texte sehr einfach und geradlinig zu halten. Ich mag zum Beispiel den Stil von Cronos/Venom und wahrscheinlich hat er mich am Anfang auch stark beeinflußt. Mittlerweile hat sich das auch geändert. Für das neue Album wollte ich Texte für mich schreiben ohne großartigen Einfluß von außen. Ich mag Themen wie Krieg, Strategie, Kameradschaft und natürlich den gefürchteten Satan. Es ist schon merkwürdig: auf dem ersten Album hätten 2 oder 3 Songtexte auf einer Bookletseite Platz gehabt. Heute ist es schwer überhaupt einen auf einer Seite unterzubringen. Auch ein Zeichen dafür, daß ich mich weiterentwickelt habe, was das Texte schreiben angeht.

Verbringst du auch Zeit außerhalb der Band mit den Themen, die du in euren Texten verwendest oder nutzt du sie nur für die Texte?
Wenn es um die Themen geht, die Krieg behandeln, Strategie oder die Kameradschaft, kann ich mit ja antworten. Die satanischen Themen sind meist als Revolte gegen das Christentum und die angestammten Rituale der Gesellschaft zu verstehen. Also ich sitze nicht rum und bete den Teufel oder Dämonen an, die meine Seele holen kommen sollen. Warum auch? Ich selbst bin der Gehörnte, hahahaha…..

Was kannst du uns zu den Texten des neuen Albums erzählen? Wie üblich bei den Promo-CDs fehlen die Texte und ich kann nur von den Songtiteln und ab und zu verstandenen Textfetzen vermuten, daß es dieses Mal zum großen Teil um Krieg und Weltuntergangs-Szenarien geht.
Krieg war immer ein Teil der Menschheit und wird es auch immer bleiben, bis der nächste große Meteor oder Komet diesen Planeten in Stücke reißt. Es ist lustig, wenn du siehst, wie die Menschen ständig nach Frieden und Liebe schreien und im nächsten Moment wieder einen Bürgerkrieg starten. So war es schon früher in der Prähistorie und so wird es auch bleiben. Wir werden uns gegenseitig zerstören und vernichten. Deshalb ist es Zeit, uns der Realität zu stellen und zu erkennen, wie die menschliche Rasse in Wirklichkeit ist und wie sie immer sein wird. Kill or be killed…
Euer neues Album enthält 11 Stücke + 4(!!!) Bonustracks auf der LP-Version. Warum zur Hölle habt ihr nicht nur einen oder vielleicht zwei Bonustracks genommen, sondern gleich 4? Was ist mit den Leuten, die keinen Plattenspieler besitzen? Ich könnte mir vorstellen, daß die davon ein wenig angepisst sind…
Die Bonustracks sind alles Rough-Mixe, die wie gar nicht mit auf die CD hätten nehmen können, zumal sie auch nicht ins Konzept der Platte passen. Darum haben wir sie auch nur als Bonus verwendet. Wenn du genau hinhörst, wirst du auch den Unterschied feststellen, besonders bei den Drums. Klar, ich weiß, daß wir sehr bequem sind, was die Wahl zwischen CD und LP angeht und ’ne CD viel einfacher zu handhaben ist. Aber von dem erdigen, urwüchsigen Sound her, ist eine LP einfach unschlagbar. Deshalb bin ich auch so vernarrt in die schwarzen Scheiben uns sehe unsere LPs als großartige Verbindung zu all den Maniacs da draußen, die genauso denken wie wir.

Die Gesamtspielzeit von eurem neuen Album beträgt fast eine Stunde. Kann es sein, daß „Every nerve alive“ sogar als Doppel-LP statt als normale LP erscheint?
Yes! Es ist eine Dopple-LP: Wir sind glaube ich sogar die erste Osmose-Band, die eine Doppel-LP hat. Es ist eine Ehre für uns und ich denke, die Leute da draußen wir sich an uns erinnern, als eine der wenigen Bands, von denen je eine Doppel-LP herausgebracht wurde. Die LP ist übrigens auf 1000 Stück limitiert.

Welche Bedeutung hat ein Vinyl-Release für euch? Wäre das ein Grund für euch, einen Vertrag nicht einzugehen, nur weil das Label keinen Bock hat, Vinyl von euch zu machen?
Es war einer der Hauptgründe für uns zu Osmose zu gehen, weil sie unsere Alben auch als LP veröffentlichen. Wir werden nie unsere Jobs aufgeben können und werden auch nie die großen Stars werden. Die Realität sind so aus, daß wir auf Tour gehen können, eine Menge neuer Freunde kennenlernen und auch eine Menge Erinnerungen für den Rest unseres kurzen, sterblichen Lebens haben werden. Vinyl ist einer dieser tollen Erinnerungen. Ich mache mir nicht soviel aus Verträgen, Geld und den Business-Seiten der Musik. Ich liebe Metal und das ist unsere Art durch die menschlichen Abgründe, die auch Leben genannt werden, zu tauchen.

Einer der vier Bonustracks für die LP ist ein Cover von Metallicas ‘Hit the light’. Nach dem Onslaught-Tribut ‘Death metal’ auf der ersten CD verbeugt ihr euch nun schon zum zweiten Mal vor den verblichenen Helden der frühen Achtziger. Wie denkst du über Coverversionen allgemein? Heutzutage ist es ja schon normal, wen Bands ganze Alben nur mit Coverversionen aufnehmen, jede Woche kommen drei neue Tribut-Sampler heraus und es fast schon schick auf jeden Album wenigstens eine Coverversion zu haben.
Wir werden auf unseren CDs keine Coverversionen mehr verwenden, höchstens als Bonustrack auf der Vinylversion oder so etwas. Wenn du einer Band deinen Respekt zeigen willst, dann solltest du ihr auch wirklich deinen Tribut zollen. Ich hasse alle die Bands, die mit ihren Remakes die Originale nur in den Dreck ziehen.  Schau dir nur die Iron Maiden- und Judas-Priest-Sampler von Dwell Records an. Die sind einfach nur grausam und enthalten fast durchweg nur Scheiße. Auch ein Teil der Bands auf dem Dio-Tribute vom Rock Hard waren richtig schlecht. Grave Digger oder Holy Mothe rmit ihren Drumcomputern zum Beispiel, nur grausam.

Schubladen sind nicht die entscheidende Sache, was zählt ist die Musik. Nichtsdestotrotz brauchen Schreiberlinge immer ein Label, was sie einer Band verpassen können und Fans einen Vergleich, damit sie wissen, was sie da eigentlich kaufen. In Bezug auf euch habe ich nun schon die verschiedensten Namen gehört: (Retro)-Thrash, Speed Metal, Death Metal…. Wie seht ihr die Angelegenheit selbst?
Wir würden uns gern einfach nur als Metal-Band sehen. Punkt! Ich hoffe, daß die Leute irgendwann genauso über uns denken, wie als würden sie Iron Maiden oder Judas Priest-Platten hören. Nicht von der Größe oder dem Status in der Szene her, sondern einfach mit dem Gedanken, wirklich guten und „wahren“ Metal zu hören. Unser neues Album wird diese Chancen hoffentlich verbessern. Aber laß mich noch eins klarstellen: wir sind definitiv keine verdammte Retro-Band!!! Was mir gerade noch einfällt: letztens laß ich ein Interview mit Destruction und war ziemlich überrascht, daß Schmier und Mike genauso alt sind wie Eddie, Hamaii und ich, nämlich 33. Außerdem haben sie angefangen ihre ersten musikalischen Gehversuche zu machen, als wir auch angefangen haben. Es ist natürlich traurig, daß es bei uns all die ganzen Jahre gedauert hat, um endlich die richtigen Leute für die Band zu finden und mit einem Album aus der Suppe zu kommen. Aber was sagt uns das? Besser spät als überhaupt nicht…

Im Bandinfo steht ziemlich viel über dich und deine Vergangenheit. Ist Ritual Carnage nicht mehr als Damian’s Band mit einigen Gastmusikern oder ist Ritual Carnage definitiv eine richtige Band, wo jeder die selben Rechte und Pflichten hat?
Jeder hat definitiv die selben Rechte! Das ist die einzige Möglichkeit, wie wahrer Marxismus funktioniert, haha.
Es ist einfach nur so, daß ich eben die Band gegründet habe. Aber das ist auch alles. Vielleicht kannst du sagen, daß ich der Kapitän der Mannschaft bin, aber einen Chefcoach oder einen Diktator gibt es nicht. Naja, vielleicht doch – Herve unser Labelchef… Wir sind ein Team und wir arbeiten alle an unserem Ziel: zu gewinnen!

In eurem Infoblatt stehen auch ein paar Worte zu den Line-Up-Wechseln in den letzten Monaten. Als Erklärung stand da meist etwas von finanziellen und persönlichen Problem. Kannst du eventuell etwas konkreter werden? Für mich klingt es fast so, als wären die Leute, die noch dabei sind, ziemlich schwierige Personen oder ist es eher umgedreht, daß die Leute, die rausgeflogen sind schwierig sind?
Dazu mußt du vielleicht folgendes wissen: Japan ist ein verdammt teures Pflaster, vielleicht das teuerste auf der ganzen Welt. Du mußt das Geld, das du hast, clever ausgeben und kannst es nicht verschwenden. Shige kam halt oftmals nicht zu den Proben, weil er sagte, er hat kein Geld für die U-Bahn oder den Zug. Wenn er aber Zigaretten brauchte oder neue CDs, dann hatte er komischerweise immer Geld.  Ich denke, „finanzielle Probleme“ ist eine höfliche und dem Business angepaßte Erklärung, um seine Schwierigkeiten zu erklären. In Wirklichkeit müßten wir wahrscheinlich sagen, daß er ein fauler und unzuverlässiger Bastard ist. Das Ende vom Lied, Hide Tanaka ist an die Gitarre gewechselt. Er hat auch nie Geld, haha. Aber glücklicherweise hat er eine Freundin, die seine musikalischen Ambitionen unterstützt und ihm unter die Arme greift. Gotta love metal huh!

Wird’s zur Promotion eures neuen Albums auch wieder eine Tour durch Europa geben? Schon etwas in trockenen Tüchern, was du hier loslassen kannst?
Wenn meine Informationen richtig sind, werden wir im September mit Immortal, Impaled Nazarene, The Crown und Amon Amarth auf Tour kommen. Wenn es nach mir ginge, würden wir auch gern auf europäischen Festivals spielen, aber da bleibt uns wohl nur abzuwarten und zu hoffen, daß uns jemand einladet.

Tja, da dürfte wohl für dieses Jahr der Zug abgefahren sein. Es sei denn, ihr dürft als Ersatz irgendwo einspringen.
Soweit meine Fragen Damian. Willst du noch etwas an die Horden der deutschen Hellbanger richten?

Vielen Dank für euren großartigen Support und für alle e-Mails, die wir von euch verrückten aus Deutschland bekommen haben. Ohne eure Unterstützung würde ich dieses Interview wahrscheinlich gar nicht geben. Danke! Ich hoffe, wir sehen unsere deutschen Metal-Brüder & Schwestern bald wieder. Schaut ‚mal auf unserer Homepage vorbei:

http://www.ritualcarnage.com

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