Den Ruf der schwermetallischen Talentschmiede hat sich Skandinavien zu Recht verdient. Finnland scheint aus dem glorreichen Länder-Trio jedoch besonders durch das schier unerschöpfliche Kreativitätspotential seiner Nachwuchsbands herauszustechen. Eine der neuesten Errungenschaften, die ihren Weg vom kalten Norden in den – mehr oder minder – sonnigen Süden Deutschlands gefunden haben, ist Finntroll. Der Name ist Programm: kaum eine Gruppe, der es bislang gelungen ist, folkloristische Klänge mit schwermetallischen Elementen zu einer derart explosive musikalischen Mischung zu vermengen. Beschwingt und dennoch düster, einmalig intensiv und dennoch eingängig-mitreißend, opernhaft-dramatisch und dennoch roh – so lautet die Devise des finnischen Sextetts. Angesichts der kompositorischen Debut-Glanzleistung „Midnattens Widunder“, mußten Finntroll einen Fragen-Marathon über sich ergehen lassen. Die Band löste das Streß-Problem durch Arbeitsteilung – sowohl Vocalist Katla als auch Saitenhexer Somnium standen Eternity Rede und Anwort.
Unter dem Einfluß von sehnlichsten Aspiringelüsten gründete das Duo nach einer durchzechten Märznacht des Jahres 1997 die Band Finntroll. Aus puren Zufall entdeckte die beiden Gründungsväter der Gruppe, dass sich traditionelle Humppa-Melodien und Metal-Riffs perfekt vertragen. Nach dem Release des Demos „Rivfader“ beschlossen Somnium und Katla, dass es an der Zeit sei, dem technischen Schnickschnack abzuschwören und mit B. Dominator einen lebenden Finnen hinter die Schießbude zu setzen.
Zusätzlich verstärkt durch Örmy an der Live-Gitarre sowie Tundra (Baß) und Tastenzauberer Trollhorn, stand den Aufnahmen zum Debutalbum nichts im Wege. Völlig harmonisch scheint der Studioaufenthalt jedoch nicht über die Bühne gegangen zu sein, führt Somnium doch die „Kämpfe mit Katla während der Recording-Sessions“ als das Schlimmste an, was er bislang in puncto Musikkarriere erlebt hat. Doch die Versöhnung folgte auf dem Fuße und die beiden Finntroll-Gründer machen inzwischen wieder zusammen ausgedehnte Ausflüge in die Wälder ihrer Heimat. Ganz nüchtern bleiben die beiden Gesellen dabei natürlich nicht – doch wer hätte von den alkoholliebenden finnischen Musikern auch anderes erwarten können.
Diese Trips dienen Somnium und Katla aus Inspirationsquelle und so manches Finntroll’sche Opus über zünftige Troll-Gelage dürfte in Katlas Hütte entstanden sein. Apropos Trolle: die wenig possierlichen Fabelgestalten sind nicht nur Bestandteil des Bandnamens, sondern Thema Nummer Eins. „Das Album hat einen konzeptuellen Hintergrund, nämlich das Erwachen der alten Herren des Nordens, der Trolle. Als sie feststellen, dass ihr Land inzwischen christianisiert wurde, beschließen sie diese Plage auszumerzen“, erklärt Katla seine Ideen.
„Mir persönlich gefällt „Blodnatt“ am besten, in dem ein Trollkrieger sich zum Kampf rüstet, die Ritter niedermetzelt und einen gigantischen Kriegswolf besteigt. Auch „Bastuvian“ mag ich sehr gerne. Der Text handelt von zwei Priestern, die ein finnisches Dampfbad nehmen. Dabei werden sie von einem Troll überrascht, der sie zu Kleinholz verarbeitet. Nach und nach kommen immer mehr seiner Artgenossen sowie allerlei unselig Wesen in die Sauna, so dass sie buchstäblich explodiert“, gibt der Sänger grinsend zu Protokoll.
„Die Trolle sind meiner Ansicht nach ein perfektes Symbol für den Kampf gegen nutzlose und unterdrückende Institutionen wie die Kirche. Die Menschen werden durch derartige Einrichtungen mehr und mehr vom wahren Wesenskern der Existenz fortgelenkt“, sinniert Katla. Die Umsetzung dieser Gedanken in Worte scheint durch den sprachlichen „Umweg“ Finntrolls erschwert zu werden, verwendet das Sextett doch ausschließlich schwedische Lyrics.
„Englisch oder finnisch würden nicht gut genug zu unserer Musik passen“, sagt der Stimmbandakrobat kurz und knapp. „Die Atmosphäre ist schließlich das wichtigste für Finntroll. Jeder soll die Vision einer Armee Trolle haben, wenn er „Midnattens Widunder“ anhört. Zwar ist diese Vorstellung auch Teil meiner persönlichen Gedanken, bedingt durch den Abwechslungsreichtum der Platte entwickeln sich weitaus mannigfaltigere Vorstellungen beim Zuhören. So scheint „Midnattens Widunder“ am ehesten mit einer Reise durch die Tolkien’sche Landschaft vergleichbar zu sein. Voller wundersamer Wesen, die sich im nächsten Augenblick zu unerbittlichen Feinden entpuppen können. Voller makellos schön erscheinender Gebirgsszenarien, die in düsteröde Steppen übergehen.
Katla ist geschmeichelt von dem Vergleich mit dem Großmeister der Fantasyerzählung. „Die Trilogie ist so etwas wie eine Bibel für mich“, kommt es über seine Lippen. Auch Somnium ist ein begeisterter Leser, seine Freizeit verbringt der Finne jedoch auch mit Studien über Okkultismus und Folklore. Doch die beiden Troll-Fans wären keine Metalfanatiker, würden sie nicht auch der harten Musik und dem Partyspaß einen Platz in der Freizeitgestaltung freihalten. „Denke nicht darüber nach, welche Meinung andere über dich haben, sondern glaube an dich und deine Ideale“ lautet nach Ansicht von Somnium die Essenz des Heavy Metal. Oder auch: „Lebe schnell, stirb jung und hinterlasse der Welt eine schöne Leiche“.
Nun, damit sollte der gute Mann vielleicht noch ein wenig warten, schließlich erwartet die Metalwelt gierig Finntrolls nächste „Finnish Howdown Metal“-Attacke. Zwar kann Somnium noch keine genauen Auskünfte geben, aber bereits im Winter soll der Nachfolger zu „Midnattens Widunder“ in den Regalen stehen. Gut so, denn nach der nur dreißigminütigen Debutscheibe wird die Lust nach Finntroll-Stoff nicht ausreichend befriedigt. Und wer weiß, vielleicht kann auch die geplante EP als Vorgeschmack auf das Zweitlingswerk noch realisiert werden.
Zuvor wird der Sechser jedoch heimische Bühnen unsicher machen, ein Abstecher über die Landesgrenzen hinaus ist bislang allerdings nicht in Sicht. Die Finnen brennen jedoch darauf, ihr Material auch dem deutschen Publikum vorzustellen. „Am liebsten würde ich mit Skyclad auf Tour gehen, da sie meine absolute Lieblingsband sind“, träumt der Gitarrist. „Es wäre toll, einmal in einer riesigen Scheune aufzutreten. Mit Freibier und Pilz-Stew…“, gerät der Finne weiter ins Schwärmen. Bis es soweit ist, dass sich Finntroll Billing und Venue ihrer Gigs selbst auszuwählen, dürfte wohl noch ein Weilchen vergehen.
Mit „Midnatten Widunder“ dürften Finntroll jedoch zumindest im Underground für einigen Wirbel sorgen. Denn im Gegensatz zu manch anderer Combo ist die Gruppe aktiv in der lokalen Szene. „Im Underground hat alles begonnen und wir werden immer mit einem Fuß dort verwurzelt bleiben“, verspricht Somnium. „Wir stehen in regem Kontakt mit vielen finnischen Bands – es gibt eine neue Band namens Shaman, die ich nur wärmstens weiterempfehlen kann.“ Sollte die Truppe nur halb so originell wie der Rest der finnischen Szene sein, kann eigentlich kaum etwas schiefgehen.
Überhaupt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Land den schwermetallischen Trends bislang konsequent aus dem Weg gegangen ist. „In Finnland ist die musikalische Bandbreite größer als in Schweden oder Norwegen. Das liegt wohl auch daran, dass es hier keine Booms wie das Black Metal-Revival oder die schwedische Melodik-Death Metal-Welle gab“, philosophiert der Mann am Sechssaiter, der nicht nur schwermetallischer Kost zugeneigt ist. „Ich höre alle Arten von Musik – außer Rap und Soul/Gospel. Diese bemitleidenswerten Abarten kann ich nicht ausstehen. Finntroll sind zwar sehr offen, was Einflüsse aus anderen musikalischen Genres angeht, aber alles hat seine Grenzen. Metal wird aber immer ein Bestandteil unserer Kompositionen sein, egal in welche Richtung sich die Band auch entwickeln wird.“
So abgedroschen diese Aussage auch klingen, sie bekommt Rückgrat aufgrund Somniums – ziemlich intoleranten, aber ehrlichen – Antwort zur Frage, wie er einem Menschen, der sich nicht für Heavy Metal begeistern kann, Finntroll nahebringen will: „If you are not into metal, you are not our friend“. Um einen Freund harter Klänge von den Qualitäten der Band zu überzeugen, scheut der Klampfenmann jedoch keine Mühe: „Ich sollte vielleicht herausfinden, welches die Lieblingsband desjenigen ist und Finntroll damit vergleichen“, lächelt Somnium verschmitzt.
Der Finne, der seit seinem siebten Lebensjahr durch einen Cousin vom Metal infiziert wurde und Slayers „Reign In Blood“ sowie Sabbaths „History Of A New Time To Come“ zu seinen Lieblingsscheiben zählt, sieht Finntrolls Ziel hauptsächlich darin, trollische Atmosphäre aufkommen zu lassen mit wirren Kompositionen den Christen einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen. Obwohl Somnium nicht vorhat, jemals aufzuhören Musik zu machen, hat der sympathische Finne bereits konkrete Vorstellungen, welchen beruflichen Weg er abseits eine Karriere als Schwermetall-Musiker eingeschlagen hätte: „Ich habe mir immer gewünscht, ein berühmter Maler oder Bildhauer zu werden. Es wäre auch phantastisch, nach Edelsteinen schürfen zu können.“ Und ich dachte immer, dass nur Zwerge und Drachen goldgierige Geschöpfe wären…
http://www.finntroll.net/
http://www.myspace.com/officialfinntroll
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