Winterfylleth Interview

Winterfylleth haben mich mit ihren starken “The mercian sphere”-Album mein musikalisches Fernrohr gen England ausrichten lassen. Erfrischender Black Metal kombiniert mit Einflüssen aus Folk und durchsetzt mit epischen Passagen läßt aufhorchen. Eine große Inspirationsquelle sowohl für Musik als auch Texte ist die reichhaltige englische Geschichte, ein Thema das auch in meinem Interview mit Gitarrist & Sänger Chris Naughton immer wieder zur Sprache kam. Daneben plauderte er auch ein bisschen über die Anfänge von Winterfylleth, das erste Album “The ghost of heritage”, die Ehre mit seiner Band bei Candlelight untergekommen zu sein und warum ein Black Metaller nicht automatisch wie ein typischer Black Metaller aussehen muss.

Hallo Chris! Schön, dass Du Dir Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten. Lass uns zu Beginn in Eure Bandhistorie schauen: Was war damals in 2007 der Grund Winterfylleth zu gründen? Ihr seid ja seinerzeit auch alle in anderen Bands aktiv gewesen…

Simon (Drums/Vocals) und ich (Gitarre/Vocals) haben über ein gemeinsames Verständnis und die Leidenschaft für englische Geschichte und Folklore zueinander gefunden. Wir waren beide der Meinung, das wir diese Thematik gern über die Musik ausdrücken und auch entdecken wollten, also fingen wir Anfang 2007 an zu proben und erste Stücke zu schreiben. Das Ergebnis war kurze Zeit später das Winterfylleth-Debütalbum “The ghost of heritage”.

War Winterfylleth von Anfang an als echte Band gedacht oder eher als Projekt?

Es war von Anfang an als Band gedacht, nie nur als Projekt. Unser Anliegen mit der Band war (und ist es auch immer noch) die Bedeutung englischer Geschichte, Folklore und Stories, so wie sie uns interessiert, auch anderen nahezubringen. Bisher haben wir die folgenden beiden Alben heraus gebracht:

“The ghost of heritage” (Profound Lore Records/2008, Candlelight Records/2010)
“The mercian sphere” (Candlelight Rcords/2010)

Kannst Du Dich noch dran erinnern, wie die ersten Winterfylleth-Stücke entstanden sind? War es eher ein schwieriger Prozess oder eher ein “easy Flow”?

Klar kann ich mich noch erinnern. Die ersten Stücke, die wir als Winterfylleth geschrieben haben, waren “Mam Tor (The shivering mountain)” – der Opener von “The ghost of heritage” und auch unserem Demo “Rising of the winter full moon” – “Casting the runes” und “The ghost of heritage”. Die Entstehungsweise damals war die selbe wie auch heute: wir haben ein paar Ideen, bringen die in den Proberaum und lassen sie Gestalt annehmen, in dem wir sie in einer Art Live-Setting spielen, um zu schauen wie die Ideen als Song funktionieren. Manchmal kann es schwierig sein auf diese Art und Weise zum Ziel zu kommen, aber ebenso kann es der natürlichste Weg sein, Ideen mit der ganzen Band zu einem vollwertigen Song zu entwickeln.

Euer erstes (und einziges) Demo “Rising of the winter full moon” gab es nur in sehr kleiner Auflage – ganze 50 Exemplare wurden in Umlauf gebracht. War es überhaupt dafür gedacht, verkauft zu werden oder von Anfang an nur um Labels auf die Band aufmerksam zu machen?

Wir haben das Demo eigentlich nur aufgenommen, um Leuten, die an der Band interessiert waren, etwas in die Hand geben zu können. Den Plattendeal mit Profound Lore Records hatten wir bereits in der Tasche, bevor wir überhaupt angefangen haben Material als Winterfylleth zu schreiben! Das ist ein Zeichen von großen Vertrauen, dass Chris/Profound Lore in uns gesetzt hat, einfach nur basierend auf den Releases von Atavist (Sludge/Doom-Band, in der Simon und Chris noch spielen. -Kai), die er ja auch herausgebracht hat. Ich hoffe, wir haben mit “The ghost of heritage” bewiesen, dass sein Vertrauen in uns gerechtfertigt war und ich glaube, wir haben unseren Sound mit “The mercian sphere” noch weiter verfeinert.

Apropos Atavist: Seit Winterfylleth existieren, ist es recht ruhig um Eure andere Band Atavist geworden. Die letzten Veröffentlichungen datieren bereits von 2008. Fokussiert Ihr Euch jetzt lieber auf Winterfylleth oder ist auch etwas Neues von Atavist geplant?

Es stimmt schon, in den letzten 12 Monaten haben wir nicht wirklich viel für Atavist gemacht. Winterfylleth haben einfach so viel unserer Zeit in Anspruch genommen. Aber aktuell arbeiten wir tatsächlich daran, auch neue Atavist Stücke einzuproben und mit unserem Freund Chris Fielding in den Foel Studios aufzunehmen. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass hoffentlich in 2011 eine neue Atavist-EP erscheint, wenn wir eine Lücke in unserem vollen Terminkalender finden, um das Material auch vernünftig einzuspielen.

Für Euer neues Album “The mercian sphere” seid Ihr beim renommierten Label Candlelight Records untergekommen. Welche Erwartungen habt Ihr an diese Zusammenarbeit?

Das erste Mal waren wir bereits mit Candlelight in Kontakt, als wir ihnen unser Debütalbum zuschickten. Basierend darauf, wurde uns in Ende 2009 ein Deal angeboten und damit die Möglichkeit das aktuelle Album “The mercian sphere” aufzunehmen. Für uns ist es eine unglaubliche Ehre, bei Candlelight zu sein, einem Label mit einem fantastischen Black Metal Erbe. In England gibt es aktuell eine wahre Renaissance des Black Metals und Candlelight leisten einen großen Teil die aufstrebenden, wichtigen Bands der britischen und irischen Szene zu unterstützen. Also für die Band was es der richtige Schritt zu einem Label zu wechseln, das absolut hinter dem Genre steht, in dem man musikalisch aktiv ist. Abgesehen von uns bringen sie auch die Alben unserer engen Freunde Wodensthrone und Altar of Plagues heraus, die beide schlichtweg fantastisch sind.

Kommen wir vom Label zur Musik: Wie seht Ihr selbst Eure musikalische Entwicklung vom ersten zum zweiten Album?

 “The mercian sphere” repräsentiert Winterfylleth von seiner bösartigsten und besten Seite. Auf diesem Album haben wir uns wirklich auf die besten Dinge unseres Debüts fokussiert und diese weiter verfeinert. Wir haben viel mehr Zeit für die Pre-Production aufgewendet, verbrachten Wochen, ja Monate damit immer und immer wieder über die Songs und Strukturen zu gehen, bis wir bereit waren damit zum Aufnehmen ins Studio zu gehen. Durch die Zusammenarbeit mit Candlelight hatten wir den Rückhalt und die Unterstützung mehr Zeit in die Entstehung des Albums zu stecken, was sich meiner Meinung nach auch im fertigen Produkt zeigt und uns erlaubt hat, eine CD aufzunehmen, mit der wir wahrhaft glücklich sind. Auch das Arbeiten mit Chris Fielding in den Foel Studios hat uns immens geholfen. Es ist erfrischend mit jemandem zu arbeiten, der instinktiv weiß, was du versuchst zu erreichen. Davon abgesehen kann er auf einen großen Aufnahmen-Erfahrungsschatz zurückgreifen, hat einige Klassiker produziert wie Primordial (die auch ein großer Einfluss für uns gewesen sind), Napalm Death oder Electric Wizard. Wie auch schon auf “The ghost of heritage” war auf “The mercian sphere” unser Ziel den inspirierenden und interessanten Aspekten unserer nationalen Geschichte Bedeutung beizumessen und damit auch anderen Menschen Einblick darin zu geben. Ich hoffe, dass wir dieses Ziel erreicht haben, denn tief in unseren Herzen haben wir uns mit allem was wir als Band tun, diesem Punkt verpflichtet.

Ich würde Eure Musik als Kombination aus schnellem Black Metal, hymnenähnlichen und epischen Passagen, melancholischen oder gar folkloristischen Teilen bezeichnen. Wie seht Ihr Euch selbst?

Im Kern ist Winterfylleth eine Black Metal Band, die englische/britische Geschichte, Kultur, Brauchtum und Erbe feierlich würdigt. Wir haben einen gesunden Respekt gegenüber der Musik und den Stilen unserer Geschichte, daher integrieren wir die traditionellen Folk-Elemente und gregorianische Gesänge in unsere Musik. Indem wir das tun, kann man Winterfylleth klar als ‚Englisch‘ von norwegischem oder US Black Metal abgrenzen, der in den letzten Jahren mehr und mehr übersättigt und auch kopiert wurde.

Euer Label benutzt die Bezeichnung ‚English Heritage Black Metal‘ im Info-Sheet zu Eurem Album. Was ist Eure Meinung zu diesem Namen? Falls Ihr das als nützliche Kategorisierung empfindet; gibt es andere englische Bands, die musikalisch ähnlich wie Ihr unterwegs sind und die Ihr uns empfehlen könnt?

Well, der Name ist genau das: ein Name, eine Möglichkeit den Stil und das Konzept einer Band zu beschreiben. Es sollte nicht verwechselt werden mit ‚English Heritage”, einer Organisation, die sich um die traditionellen Seiten der britischen Inseln kümmert. Aber in gewisser Weise ist auch unsere Aussage zur Bewahrung von Traditionen dieselbe. Wir versuchen bedeutende Aspekte unserer Geschichte und Traditionen in unserer Musik zu bewahren und zu konservieren, genau so wie es ‚English Heritage” mit den Webseiten macht, die sie betreiben. Wie ich schon sagte, ist es wichtig English Black Metal klar abzugrenzen. Dafür gibt es zwei Gründe: 1. Die Leute sollen wissen, dass es etwas anderes ist und 2. die Leute sollen auch wissen, dass es ‚English‘ ist, angesichts des bisher eher ärmlichen Black Metal Exports aus unserem Land.

Empfehlenswerte Bands, die qualitativ hochwertigen Black Metal spielen und aus England kommen, gibt es eine ganze Menge, zum Beispiel: Wodensthrone (Candlelight), Fen (Code666), Altar Of Plagues (Candlelight / Profound Lore), Fyrdsman (Mynydd Du), Skaldic Curse Askival (Darker Than Black), Cnoc An Tursa (Lone Vigil), Iceni.

Texte scheinen eine sehr bedeutende Komponente im Winterfylleth-Universum zu sein. Warum habt Ihr ausgerechnet die englische Geschichte, Erzählungen, Schlachten, Landschaften etc. als Inspiration gewählt?

Ich glaube, wenn man starke Charaktere in der Geschichte seines Landes findet, die aufopferungsvoll einen großen Teil ihres Lebens der Verteidigung der Existenz seiner Nation gewidmet haben, ermöglicht das eine bessere Wahrnehmung der eigenen Identität zu bekommen. Als Beispiele seien hier die tapferen, wenigen angelsächsischen Männer genannt, die den nordischen Angriff in der Schlach von Brunanburh aufhielten oder auch die gewaltige angelsächsische Armee, die in der Schlach von Maldon am 10.August 991 stark ihren Mann stand. Ihr Geist und ihre Hingabe unser Land und seine Menschen zu verteidigen und zu bewahren, hat uns stark inspiriert, stolz auf unsere einzigartige, englische Identität zu sein.

Viele skandinavische Viking Metal-Bands beziehen sich auf die “Edda” als Haupteinfluss für ihre Texte. Gibt es ein ähnlich bedeutendes Buch oder eine Schrift in der englischen Geschichte? Oder sind Eure Texte eher von mehreren verschiedenen Quellen beeinflusst?

Für “The mercian sphere” war die Hauptquelle für lyrische Inspiration ein Buch namens “The Codex exoniensis”, eine historische Schrift über angelsächsische Dichtkunst und eins der wenigen Bindeglieder zu unserer altertümlichen Geschichte, die uns wirklich detaillerten Einblick geben. Auf dem Album haben wir uns auf ein paar interessante und wunderschöne Geschichten konzentriert, die für uns eine Bedeutung haben und die wir unbedingt mit unserer Musik zelebrieren wollten. Nimm als Beispiel das Gedicht “The wanderer”, dass wir in dem dreiteiligen Stück “The wayfarer” auf unserem Album verwenden. Darin wird die Geschichte einer verlorenen Seele erzählt, der sich noch einmal seiner früheren Tage erinnert, als er angesichts des Todes seiner Anführer und Freunde in der Schlacht Trost für seine persönliche Einsamkeit und Trauer in seinem Heimatland fand und dem Platz, den er beschloss gemeinsam mit ihnen zu verteidigen. Wir haben auch diverse andere Gedichte aus diesem Buch für einige unserer Stücke genutzt, für “The ruin” zum Beispiel oder auch “The honour of good men on the path to eternal glory” und “The fields of reckoning”.

Auf beiden Eurer bisherigen Alben ist ein Stück mit dem Titel “Defending the realm” zu finden. Was ist der Grund für diese Doppelung?

Als wir “The ghost of heritage” fertig gestellt hatten, waren wir alle der Meinung, dass wir aus diesem Stück noch nicht alles heraus geholt haben und haben ihn – auch dadurch, dass wir ihn live gespielt haben – immer weiter entwickelt, so dass wir uns entschieden haben, ihn noch einmal einzuspielen , um beim zweiten Mal sein volles Potential abzurufen. Ich hoffe, dass es auch unsere Hörer so sehen, dass von der Version vom Debüt hin zu “The mercian sphere” eine gewaltige Entwicklung zu hören ist und den Song von seiner bösartigsten und aggressivsten Seite zeigt.

Eine Frage zu Euren Bandfotos: Ihr seht nicht wie ‚typische Black Metaller‘ aus. Ich würde eher sagen, Ihr präsentiert Euch eher als Typen im klassischen, englischen Working Class-Style. Passiert es oft, dass Leute irritiert oder überrascht sind, wenn sie Euch/Eure optische Präsenz und Eure Musik zusammenzubringen haben? (z.B. auf Konzerten)

Wir als Individuen und als Musiker versuchen nicht ein Image aufzubauen, dass nur eine anglizierte Version skandinavischen oder satanischen Black Metal ist. Panda Paint oder umgedrehte Kreuze sind keine Synonyme für das, was wir in unseren Songs ausdrücken und es ist auch nicht, was wir mit dem Image unserer Band rüberbringen wollen. Wenn wir für uns beanspruchen English Black Metal zu sein, dann brauchen wir auch nur das zu sein, English – und dabei unseren Weg zu gehen. Der besteht darin, das wir sehr wenig vom Weg des traditionellen Black Metals verwenden und einfach nur die Musik für sich sprechen lassen. Unsere Musik ist uns Konzept genug, da brauchen wir uns nicht wie Leichen zu schminken oder hinter Patronengürteln zu verstecken. Es kam schon vor, dass mich Leute angesprochen und gefragt haben, wie es denn kommt, dass wir keine lange Haare haben oder Patronengürtel tragen würden und ich habe ihnen genau dasselbe erzählt wie Dir gerade. Wir versuchen nicht 1990er Norse Black Metal nachzuahmen oder das stereotype Image, das Black Metal angeblich haben muss. Es ist eine Schande, wenn Image zu einer Parodie einer Musikrichtung wird, die so viel Einfluss und Bedeutung innerhalb der Metalszene hat. Mit der Art, wie wir uns selbst auf der Bühne präsentieren, gehen wir nicht nur soziale Tabus an, sondern in gewisser Weise auch diese klischeehafte Image.

Ihr seid schon für das kommende 2011er Roadburn-Festival bestätigt. Wisst Ihr auch schon, wann Ihr auf die Bretter müsst? Vorfreude auf diesen Kult-Event? Wie sieht es generell mit Live-Aktivitäten bei Euch aus?

Es ist alles noch in einem sehr frühen Planungsstadium, aber wir freuen uns jetzt schon, bei einem so respektivierten Festival wie dem Roadburn dabei sein zu dürfen. Es ist an der Stelle auch eine gute Gelegenheit zu erwähnen, dass der Festival-Ableger Roadburn Records auch die LP-Version von “The mercian sphere” herausbringen wird. Was unsere Live-Präsenz angeht: in England werden wir das neue Album im Dezember 2010 promoten und hoffen Anfang 2011 auch nach Europa zu kommen. Aber auch hier sind wir noch in einem frühen Stadium der Planung, fassen aber zwei Wochen Europa-Tour ins Auge, im Rahmen dessen wir auch hoffentlich für ein paar Gigs nach Deutschland kommen werden.

Finale Ansagen an unseren deutschen Leser?

Ehrt immer das Erbe Eurer Ahnen! Es ist wichig eine Art spirituelle, kulturelle oder angestammte Identität zu haben, weil sie dafür sorgt, dass Ihr seid wer Ihr seid. Lasst Euch nicht erzählen, dass durch diese Sichtweise auf die Geschichte und Kultur Eures Volkes Ihr automatisch rechte Fanatiker seid, Faschisten oder gar Rassisten. Fanatiker sind die, die Euch erzählen, was Ihr zu denken habt und man ist kein Rassist, wenn man stolz auf das Erbe seiner Vorfahren ist. Aber Organisationen mit extremer politischer Agenda werden Euch erzählen, dass das faschistisch oder rassistisch ist. Hört einfach nicht darauf, denn diese Denkweise ist einfach dumm. Wie sagte schon ein großer, britischer Anführer des 20.Jahrhundertes (und auch Zerstörer des Faschismus: “The fascists of the future will call themselves anti-fascist.” – Winston Churchill. Hail heritage!

http://www.myspace.com/winterfylleth
http://www.candlelightrecords.co.uk/

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