Das Konzept ist geblieben, die Location hat sich geändert: Auf dem Wolf City Fest 2019 geben sich erneut Heavy-, Thrash-, Death-, Speed- und Black-Metal-Bands die Klinke in die Hand – allerdings nun nicht mehr im „Cassiopeia“. „Zukunft am Ostkreuz“ heißt der neue Veranstaltungsort. Zwar ist damit größentechnisch kaum etwas gewonnen, dafür macht die Kino-/Bar-Kombi ganz schön was her. Zwei Bühnen garantieren einen fließenden Übergang der Bands, aber auch Drumherum gibt es das eine oder andere zu sehen.
Tag 1
Tourauftakt von Bewitcher: Wolf City Fest 2019. Passenderweise macht das Black-/Speed-Trio auch gleich den Anfang des ersten Tages auf der großen Bühne und lässt mit dem erst vor wenigen Wochen erschienenen „Under The Witching Cross“ auch direkt ein regelrechtes „Extreme Metal“-Gewitter an neuem Songmaterial los. Auch der erst in diesem Jahr zur Band hinzugestoßene Aris Wales (Schlagzeug) passt perfekt in das bestehende Bewitcher-Gefüge. Ein mehr als gelungenes erstes Konzert der Tour und einen noch gelungener Festivalbeginn.
Weiter geht’s zur Small Stage – auf dem Weg selbstverständlich noch schnell ein kühles und wohlschmeckendes Hopfengetränk mitgenommen. Mit zehn Minuten Leerlauf zwischen den Konzerten ist der Wechsel trotz der kurzen Distanz äußerst sportlich bemessen. Suboptimal ist zudem die Raumaufteilung der kleinen Bühne, denn viele Zuschauer sind gezwungenermaßen nur Zuhörer, müssen also auf den Blick zum Geschehen verzichten. Viel zu sehen gibt es aber ohnehin nicht, da hier kaum Platz für ausschweifende Bühnenshows geboten wird.
Dennoch liefert Heavy Sentence einen durch und durch soliden Auftritt ab und erfreut mit Songs aus ihren beiden bisher erschienenen, jeweils zwei Songs kurzen EPs „Protector / Darkest Hour“ und „Edge Of The Knife / Heavy Vengeance“ die Schwermetallerherzen. Trotz ihrer Herkunft aus dem Heimatland des Ur-Metal-Genres bilden die Englänger mit das Schlusslicht an dem Wochenende, denn der überwiegende Rest des Line-Ups versteht es deutlich besser, dem Publikum einen guten Auftritt zu bieten. Freunde des klassischen Heavy Metals können dem Ganzen wohl dennoch etwas abgewinnen.
Anschließend wird es – wie so häufig an dem Wochenende – mit II „Black/Death“-lastiger. Obwohl die Jungs aus Leipzig während ihres nun beinahe zehnjährigen Bestehens noch kein vollwertiges Album veröffentlicht haben, verstehen sie es, einen festivalfüllenden und überzeugenden Gig auf der Hauptbühne abzuliefern. Das liegt nicht nur an dem gefühlt zwei Meter großen, hünenhaften Kadeniac (Bass), der mit seinem an ein militärisches Tarnmuster erinnerndes Corpsepainting entsprechend der Musikrichtung bedrohlich daherkommt. Auch der Rest der dunklen Truppe weiß gekonnt, die karge, aber nicht weniger gute Diskographie live darzubieten.
Trepaneringsritualen ist dagegen als Instustrial-Metalprojekt (sub-)genretechnisch ziemlich allein. Zwar beweist der kreative Kopf und gestandene Musiker Thomas Martin Ekelund durchaus sein Livepotential, ist allerdings – selbst für extreme Metalheads – nicht unbedingt leichte Kost. Gekonnt und professionell rockt der Schwede hier sein Set runter, bei vielen will der Funke aber nicht so richtig überspringen. Zu sehr sticht das Industrial-Intermezzo aus dem Raster der übrigen auf dem Festival vertretenen Metalgenres.
Jetzt wird es wieder klassischer: Schlachtrufe hallen aus dem Publikum. Highlight des ersten Tags sind sicher die Jungs aus Salt Lake City von Visigoth, die sich mit ihrem im vergangenen Jahr erschienenen Album „Conqueror’s Oath“ nicht nur perfekt in die Riege martialisch-romantisierender Kriegsgesänge von Genrekollegen wie Saxon oder Sabaton einreihen. Sondern sie schaffen es zudem auch, durch die unter Fans sicherlich bereits jetzt schon zu Klassikern avancierten Songs „By Steel By Silver“ und „Warrior Queen“, das Publikum zum Mitgröhlen zu animieren, wie es kaum eine andere Band vermag. Nicht wenige prophezeien den Amerikanern eine rosige Zukunft und schon bald größere Hallen zu bespielen.
Lange war es ruhig um Abyssous – 2013 ein Album, gefolgt von einer laaangen Pause. 2018 meldete sich die Gruppe mit der EP „Mesa“ zurück und auch die neuen Songs hauen live richtig rein. Abseits der vielen Black-/Death-Bands sorgen die Sachsen als reine Death Metaller für eine erfrischende Abwechslung gegenüber dem häufig vertretenen Genremix und heizen der Masse mit typischem Gegrowle und tiefen Gitarrenriffs ordentlich ein.
Zum Abschluss verbleibt der Stil mit The Ruins Of Beverast in den extremeren Metal-Gefilden. Das Ein-Mann-Projekt des Aacheners Alexander von Meilenwald wartet mit ausufernden „Atmospheric Black“-Kompositionen mit starkem Doom-Einschlag auf und gibt unter anderem die (Fast-)Zehnminüter seines von den Kritikern gefeierten Albums „Exuvia“ (2017) wie „Sutur Barbaar Maritime“ zum Besten – ein würdiger Abschluss des ersten Tages!
Tag 2
Der guten Verkehrsanbindung am Ostkreuz sei Dank geht es am zweiten Tag schnell zurück zum Ort des Geschehens. Urin macht den Anfang. Optisch und musikalisch zelebriert man hier offenkundig den klassischen Punk, sehr inspiriert von den linken Protestpöbeleien, die einst Johnny Rotten und Co. in ihre Mikrophone raunten. Immerhin gelingt es der Sängerin, die Einschränkungen der kleinen Bühne zu ignorieren und gekonnt durchs Publikum zu tänzeln. Wirklich gelungen ist der Auftritt allerdings nicht. Abgesehen von dem allem viel zu leisem Gesangs scheint die Band hier auch Stiltechnisch fehl am Platz.
Allein das Bühnenbild von Hadopelagyal macht einiges her: Knastkette statt Gitarrengurt, der Drummer trägt eine Henkerhaube, Tierschädel und Räucherstäbchen erzeugen eine düster-okkulte Atmosphäre, von der sich die übrigen Bands durchaus eine Scheibe abschneiden können. Zwar muss das Black-/Death-Projekt ohne Bassisten auskommen, dafür schafft es die Kulisse hervorragend die Dunkelheit der musikalischen Richtung einzufangen. Hier stimmt einfach alles – optisch auf jeden Fall ganz großes Kino und ein kleines Highlight des Tages obendrein.
Kadeniac steht mit Bloody Vengeance an diesem Wochenende ein zweites Mal im Rampenlicht – dieses Mal als Frontmann. Auch das Zweitprojekt mit seinem Bandkollegen von II, Exesor, vereint Elemente aus Black- und Death Metal, jedoch mit einer Note Thrash. Trotzdem besteht klanglich eine erhebliche Ähnlichkeit und es stellt sich die Frage, ob das „Soundexperiment“ tatsächlich eine eigene Band gebraucht hätte. Kein schlechter Auftritt, jedoch sticht die Performance auch nicht sonderlich heraus.
Matterhorn kann leider weniger überzeugen. Mit lediglich einer Veröffentlichung – dem mehr als nur durchwachsenen Erstling „Crass Cleansing“ – haben die Züricher nur wenige hochkarätige Titel im Bühnenrepertoire parat. Dafür gibt es hier das beeindruckendste Headbanging des Wochenendes zu sehen. Insgesamt allerdings dennoch, besonders auf musikalischer Ebene, guter Liveauftritt, dafür mangelt es der jungen Gruppe schlichtweg noch zu sehr an Routine.
Mit Nekrovault reiht sich eine weitere schwarz angehauchte Death-Band in das Festival-Line-Up ein. Ein richtiges Debütalbum fehlt der Gruppe zwar, dafür können die aus Bayern stammenden Musiker allerdings mit den Songs ihrer beiden EPs punkten. Besonders das Material von „Obscure“ stellen die Livequalitäten der Band dabei eindrucksvoll unter Beweis und zeigt, dass sich Nekrovault keinesfalls vor den an diesem Wochenende auftretenden Genrekollegen verstecken muss oder Gefahr läuft unter diesen nicht aufzufallen.
Neben Visigoth wird Chapel Of Disease wohl ebenfalls bei vielen ein weiterer Höhepunkt des Wolf City Fests gewesen sein. Die Death-Metaller als Köln emanzipieren sich mit ihrem aktuellen Werk „… As We Have Seen The Same Storm, We Have Embraced The Eye“ von den eng abgesteckten Genregrenzen und tendieren nun zu „Hard Rock“-lastigen Riffs mit Blues-Touch – ein geniales Album, das auch live hervorragend rüber kommt. Vor allem der Opener „Into The Void“ kann die langhaarige Menge mitreißen.
Mit Maggot Heart präsentiert die Schwedin und Wahlberlinerin Linnéa Olsson ihr Soloprojekt. Klingt ein bisschen wie eine dezent hippieske Courtney Barnett mit rebellischem Metaltouch. Das sieht wohl auch das Publikum so, denn die aufsteigenden Nebelschwaden riechen nicht (nur) nach Tabak. Dabei gibt Olsson ihre im Vergleich mit den restlichen Bands deutlich ruhigere Soloplatte „Dusk To Dusk“ zum Besten. Ein gelungener, ruhiger und gut platzierter Auftritt zum Ende, bevor es ein letztes Mal auf zu wilden Musikeskapaden auf der Hauptbühne geht.
Bölzer macht einen experimentellen Abschluss. Ebenfalls ein – Achtung, Überraschung! – Black-/Death-Duo und ebenfalls ohne Bassisten. Als „Ausgleich“ kommen die Schweizer mit zehnsaitiger Gitarre daher. Ein hervorragendes Album und mehrere solide Veröffentlichte EPs runden das Gesamtkonzept ab und sorgen mit dem exzessiven Gebrauch der Nebelmaschine nicht nur aufgrund der musikalischen Livedarbietung für einen würdigen Festivalabschluss!
Was gibt es sonst noch?
Auch abseits der beiden Bühnen mit metallischer Dauerbeschallung gibt es einiges zu sehen: An den obligatorischen Merchständen war zwar nur ein Bruchteil der auftretenden Bands vertreten, Vinylfreunde aber kann das Angebot durchaus glücklich machen.
Ein Tattoostand des Studios „Das Kabinett“ wirbt indes mit eigens ausgestellten Werken der Künstler Maldenti, Nicola Fucili und Xandthedeath. Diese stechen Metalheads Körperschmuckmalereien im finstersten Stil ihres Lieblingsgenres mit etwas Tinte unter die Haut. Wer mag, darf auch gerne Custom-Entwürfe auf sich verewigen lassen.
Darüber hinaus werden hungrige Festivalgäste – die allseits bekannte „Sieben Bier sind auch ein Schnitzel“-Regel kann man schließlich nicht jedem zumuten – an einem Stand mit frisch zubereiteten Sandwiches nach Wahl (sehr lecker!) versorgt.
Fazit
Für den Eintrittspreis von 45 Euro kann man wirklich nicht meckern. Nicht nur, dass man dafür die zwei Geheimtipps Chapel Of Disease und Visigoth live zu sehen bekommt, auch sonst wird ein größtenteils lohnenswertes Programm geboten. Die neue Festival-Location weiß zu überzeugen. „Zukunft am Ostkreuz“ versprüht den Charme einer typischen Berliner Kneipe – etwas heruntergekommen, aber irgendwie doch sympathisch. Apropos Kneipe: Die Bierpreise hier sind absolut fair und sorgen dafür, dass niemand verdursten muss. Alles in allem ein schönes kleines und sehr familiäres Festival.
Band – Seiten
Bewitcher – https://bewitcher.bandcamp.com
Heavy Sentence – https://heavysentence.bandcamp.com
II – https://iievoke.bandcamp.com
Trepanieringsritualen – https://trepaneringsritualen.bandcamp.com
Visigoth – https://visigoth.bandcamp.com
Abyssous – http://www.abyssous.de
The Ruins of Beverast – https://theruinsofbeverast.bandcamp.com
Urin – https://urin.bandcamp.com/
Hadopelagyal – https://hadopelagyal.bandcamp.com/
Bloody Vengeance – https://bloodyvengeance.bandcamp.com
Matterhorn – http://crass-cleansing.com
Nekrovault – https://aderlass-kunstverlag.bandcamp.com/album/obscure
Chapel of Disease – http://chapelofdisease.de
Maggot Heart – https://maggotheart.bandcamp.com
Bölzer – https://bolzer.bandcamp.com