Als ich „The Book“ der Brünner Düsterlinge ROOT zugesandt bekam, hielt ich sie für eine tschechische Nachwuchs-Band. Etwas stutze ich, weil die CD für ein Debut doch einfach zu gut war (siehe auch Review). Nach kurzer Recherche stellte sich heraus, daß ROOT „die“ Black Metal-Band Tschechiens (natürlich sollte man den Begriff Black Metall in diesem Zusammenhang nicht zu nordisch auffassen) mit einer zehnjährigen Bandgeschichte sind. Gitarrist Blackie, der sich im Gegensatz zu seinem exzentrischen Partner Big Boss (die Wahl des Pseudonyms sagt eigentlich schon alles!) als freundlicher Zeitgenosse präsentierte, stellte sich dem Eternity-Interview.
Dem aktuellen Album „The Book„ liegt keine durchgehende Story zugrunde, wie ich das vermutet hatte.
BLACKIE: „´The Book´ ist kein Konzept-Album. Die Songs stehen für sich alleine und reflektieren die ´innere Welt´ von Big Boss, die voll ist mit mysteriösen Kreaturen, bösen Geistern, Schwarzer Magie und Zauberformeln. Das einzige Konzept-Album, das wir bis jetzt gemacht haben, war ´Kargeras´. Wir arbeiten aber an einem großen Konzept mit Titel ´The Legend Of Nizostratio´. Vorher wird es aber noch das Album ´Black Seal´ geben.„
Aus „The Book„ ragt der zweiteilige „Corabeu„-Zyklus heraus, dessen erster Teil mich entfernt an Uriah Heep in der John Lawton-Ära erinnert.
B: „Part One wurde von Big Boss komponiert, während ich den zweiten Teil schrieb. Deswegen haben wir den Song geteilt, aber eigentlich gehören die Parts zusammen. Der Vergleich mit Uriah Heep stört mich nicht, weil der Song in Richtung 70er geht. Wenn Uriah Heep ´Corabeu´ einspielten, würde das sicher besser klingen als die ROOT-Version. (Da bin ich mir gar nicht mal so sicher! – Anm. d. Verf.)
Das abschließende „Darkoutro… – Toccata prestissimo molto„ fällt total aus dem Rahmen und wurde von einem gewissen Professor Valter komponiert.
B: „Das ist eine Archiv-Aufnahme des Vaters von Big Boss. Er ist ein alter Mann und war ein sehr guter Pianist. Leider haben die Kommunisten seine Karriere zerstört. Das Outro ist wirklich eine verrückte Komposition.„
Blackie ist neben Big Boss der einzige Musiker, der seit den Anfangstagen bei ROOT spielt.
B: „Ich habe ROOT zusammen mit Big Boss gegründet. Das war 1988 als wir im Proberaum mit dem alten Gitarristen Mr. Zet und dem Sänger Dr. Fe spielten. Big Boss spielte damals Schlagzeug. Als ROOT haben wir dann ein 0tes (in Worten: nulltes) Demo Tape mit Namen ´Deep In Hell´ aufgenommen, das eigentlich eine Jam-Session mit einem wilden Mix von Blues und Thrash war. Aufgrund dieses Tapes haben wir dann die Möglichkeit erhalten ein paar Festivals zu spielen und uns eine Fanbasis zu erarbeiten. Wir nahmen die Musik dann ernster und produzierten unser erstes Demotape ´Reap Of Hell´, das Black Metal der alten Schule beinhaltete. Unsere folgenden Demos hießen ´War Of Rats´, ´The Trial´ und ´Messengers From Darkness´. 1989 unterzeichneten wir einen Vertrag beim tschechischen Zeras Label, wo dann unsere Debut-LP `The Revelation´ herauskam.„
Neben ROOT ist Blackie noch in eine Vielzahl von Projekten involviert.
B: „Es genügt mir nicht nur in ROOT zu spielen, weil ich dort keine Lyrics ausdrücken kann. Außerdem habe ich noch eine Menge Ideen auf der Gitarre, die ich für ROOT nicht verwenden kann, weil die Band in gewisser Weise mit ihrer philosophischen Ausrichtung eingeengt ist.
Crux war mein erstes Projekt, wenn man das so nennen will. 1991 habe ich das Demo `Scream Of Death´ aufgenommen. Übrigens wird es nächstes Jahr im Frühling von Leviathan Records wiederveröffentlicht! Darauf befindet sich hauptsächlich Old School Black Metal der Sorte Sodom, Bathory und Slayer. Die Songs sind etwas sorgfältiger ausgearbeitet als bei ROOT. Entrails ist eine weitere Band von mir, die nach dem Split von CRUX entstand. Hier werden alter und neuer Black Metal kombiniert. Das Album ist technischer, schnell und brutal. Daneben habe ich noch das Projekt Cales am laufen. Das Debut-Album heißt ´Bonds Of Togetherness´. Gerade habe ich das Material für den zweiten Output ´Mystery Of The Lost Equilibrium´ fertiggestellt. Der epische Doom Metal darauf wurde hauptsächlich von keltischer Folklore inspiriert.„
Zu den mittlerweile hinlänglich bekannten Silent Streams Of Godless Elegy hat er eine besondere Beziehung, wenn gleich er aber nicht fix zur Band gehört.
B: „Ich habe deren zweites Album ´Behind The Shadows´ produziert und nur ein paar kurze Gitarren-Parts eingespielt. Ich bin also kein Mitglied der Band. Sie schufen sehr interessante und eigenständige Songs, weshalb ich das Angebot ihres Labels akzeptierte und der Band ein wenig unter die Arme griff. Ich habe auch noch ein paar andere, unbekannte Demobands produziert.„
Blackie scheint auch als Bassist von ROOT auf, was aber nur eine Notlösung war.
B: „Ich war immer Gitarrist bei ROOT. Nur im Studio habe ich auch die Bass-Spuren eingespielt. Jetzt haben wir aber einen fixen Bassisten. Es ist mein Mitstreiter von Entrails, der in der heimischen Szene als Journalist sehr bekannt ist.„
Was Vorbilder anbelangt, so nahm Blackie neben den erwarteten Metallern eine sehr eigenwillige Auswahl vor.
B: „Ich habe keine Idole, aber als junger Musiker wurde ich hauptsächlich von Kerry King und David Gilmoure gitarristisch beeinflußt. Ich verehre universelle Talente wie Sting und Peter Gabriel, so wie Showmen in der Art von Cronos oder Quorthon (Showman?? Bathory haben doch nie live gespielt?!)„
Der Bandname hat nichts mit der Befreiung der Sklaven und Kunta Kinte zu tun. (Ich habe schon ferngesehen, da waren die meisten Eternity-Leser noch nicht geboren!)
B: „Der Name reflektiert in gewisser Weise die dunkle Seite der Band und die Inspirationen aus längst vergangen Tagen. Außerdem drückt er auch aus, daß wir die erste tschechische Black Metal-Band waren.„
ROOT ist zum Glück keine Studioband, die die Bretter, die Welt bedeuten, scheut.
B: „Mit ROOT spiele ich relativ regelmäßig live. Alle meine anderen Bands sind bzw. waren Studioprojekte, wobei ich aber mit Entrails einen Gig gespielt habe.„
Zur Lage der tschechischen Underground-Szene bestätigte Blackie, daß es zahlreiche Bands auf internationalem Niveau gibt.
B: „In Tschechien gibt es eine große Underground-Szene, die sich aber auf Death und Doom Metal konzentriert. Ich höre aber nicht allzu viele tschechische Bands, weshalb ich auch nicht viel darüber sagen kann. Silent Streams Of Godless Elegy, Forgotten Silence und Insania kann ich dir wärmstens empfehlen.„
Für Metaller außerhalb Tschechiens mag es überraschen, daß ROOT bereits seit 1988 existieren. Zum Teil ist die Ignoranz der westlichen Metal-Journaille daran schuld (ich möchte mich da gar nicht ausschließen), aber auch die Band hat nicht gerade mit Feuereifer daran gearbeitet grenzübergreifend bekannt zu werden.
B: „Wir haben uns nie sonderlich um Promotion gekümmert. Trotzdem sind wir in den Westen durchgedrungen und konnten dort sogar schon ein paar Bands beeinflußen.„
Als ROOT begannen herrschte in der damaligen Tschechoslowakei noch ein kommunistisches Regime, das Heavy Metal als extrem staatsfeindlich einstufte.
B: „Damals war es phantastisch, weil wir etwas Verbotenes machten, das aber sehr viele Leute interessierte. Wir konnten mit der Musik unsere Ablehnung des Regimes ausdrücken und sehr provokant und emotional agieren. Die meisten anderen Bands waren da viel reservierter. Deswegen haben wir unseren heutigen Status erlangt und sehr loyale Fans. Nach der 89er-Revolution kamen viele Bands, die sich aber ausschließlich an westlichen Bands orientierten. Ein paar haben sich gut entwickelt, aber es ist nicht mehr so wie früher. (Früher war alles besser!! – Anm. d. Verf.). Heute kann jeder tun, was er will. Das gilt auch musikalisch. Nur sind die Fans damit ein bißchen überfordert, weil sie wegen der Masse der neuen Bands nur sehr schwer zu den guten Gruppen durchdringen.„
Die beiden ROOT-Alben „Zjeveni„ (Debut/1991) und „The Temple In The Underworld„ (Veröffentlichung No.3/1993) wurden übrigens gerade wiederveröffentlicht. Die beiden anderen „Hell Symphony„ und „Kargeras„ werden noch heuer folgen. Zugreifen!!!
http://www.myspace.com/rootcze
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