Requiem Interview

Requiem

Letztes Jahr konnten die Schweizer Requiem um Gründungsmitglied Phil Klauser ihr 20jähriges Jubiläum begehen. Sieben Jahre mussten wir auf die neue Scheibe „Global Resistance Rising“ warten, die schon jetzt allerhand Lob einheimst und ab 23. März veröffentlicht wird. Grund genug, mit Phil zu plaudern, was die Gründe der Pause waren, warum es eigentlich keiner Texte über Horror bedarf und dass es wichtiger denn je ist, den Finger in die Wunde zu legen. Aber lest selbst!

Ihr seid letztes Jahr 20 geworden, wie fühlt sich das an?

In der heutigen Zeit erfüllt ein 20-jähriges Jubiläum einen natürlich mit einem gewissen Stolz. Es ist nach wie vor nicht einfacher geworden, sich im Musikbusiness behaupten zu können. Zudem hatten wir auch viele Wechsel und sind daher sehr froh zum 20-Jährigen auch wieder mit dem Original-Line-Up zu feiern. Alle Originalmembers, bis auf den neuen 2. Gitarristen, sind wieder dabei. Wir haben 20 Jahre durchgestanden, ohne jemals eine Unterbrechung zu haben.

Ja, du sagst es. Das Line-Up hört sich vertraut an. Wie kam es, dass ihr wieder zueinander gefunden habt? Euer Mikro ist wieder urbesetzt, heißt das mehr Luft und Entlastung für Ralf?

Durch die vielen Wechsel ging etwas der „Drive“ verloren. Man brauchte enorm Zeit, um die Songs zu lernen und sich wieder auf ein neues Team einzustellen. Michi war mal in meinem Music-Club, nachdem ich über längere Zeit den Kontakt zu ihm etwas verloren hatte und wir hatten dann nach sehr viel Bier plötzlich die Idee: Warum nicht wieder Original! Er erzählte mir, dass er auch nach seinem Ausstieg, die Songs eigentlich immer wieder ein bisschen geübt hätte und das Ganze ihm im Kopf herumschwirrte. Er nahm sich damals die Auszeit, da er Vater wurde und die Zeit mit den Kindern verbringen wollte, statt ständig on the road zu sein. So kam es, dass wir beschlossen – und zwar als der Bierrausch vorbei war – dass wir einfach mal Ralf fragen, ob er auch wieder mit an Bord sei. Er war damals nicht mehr bei Requiem, da er sich auf seinen Job und seine anderen eigenen Bands konzentrieren wollte. Er war sofort dabei! Und mit Matze Schiemann an der 2. Gitarre fanden wir einen jungen und enorm talentierten Musiker im Schweizer Musiker Markt.

War das auch der Grund dafür, dass es lange nichts Neues von euch gab? Ich persönlich hab mich über das neue Material sehr gefreut und die Zusammenarbeit mit FDA Records empfinde ich als ideal.

Ja, der Grund war schlicht, dass ich und Reto so beschäftigt waren, den stets wechselnden neuen Members die Songs zu zeigen und mit denen zu üben, dass das Songwriting etwas auf der Strecke blieb. Ich und Reto waren aber stets am Songs schreiben. Einige der Neuen sind deshalb auch schon fast 3 Jahre alt oder noch älter. Zudem war für uns ganz wichtig, dass wir es um unser 20-jähriges Jubiläum herum schaffen, das neue Album zumindest aufzunehmen. Wir wollten nicht einfach was abliefern, nur damit eine neue Scheibe erscheint. Zum Jubiläum müsste es perfekt für uns sein.

Ich kenne Rico von FDA Records schon sehr lange und er hatte schon immer ein Auge auf uns geworfen. Ich habe ihn dann einfach angefragt, ob er es machen würde und er war sofort dabei. Wir haben noch einige andere Angebote gekriegt, aber ich weiß, was Rico für diese Szene all die Jahre schon gemacht hat, er ist transparent, gut erreichbar und steckt sein ganzes Herzblut in seine Bands. Und ich muss sagen ich bereue keine Sekunde! Die Zusammenarbeit könnte nicht besser sein.

RequiemWenn ich Requiem höre, dann denke ich ausschließlich an euch. Doch es gibt leider noch unendlich viele andere Bands mit dem Namen, ist euch das bewusst gewesen bei der Namengebung? Ist das vielleicht manchmal hinderlich gewesen für euch, noch bekannter zu werden, Verwechslungen sind ja leider dadurch nie ausgeschlossen?

Ja, es gibt eine Menge. Damals vor rund 20 Jahren war halt das Internet noch nicht so, dass man alles nachschauen konnte. Wir haben den Namen damals von einer Schweizer Death-Metal-Band „übernommen“. Wir hatten nach deren Auflösung angefragt, ob wir den Namen rechtlich nutzen können. Es wurde uns aber schon ein paar Mal gesagt, dass wir es vielleicht mit einem „persönlicheren“ Namen einfacher haben könnten, andererseits belebt es die Konkurrenz, hahaha.

Ich denke aber, dass wir nach 20 Jahren den Namen REQUIEM zumindest im Extreme-Metal-Bereich schon in Stein meißeln konnten, eine Namensänderung kommt deshalb nicht in Frage!

Wenn ich mit anderen Leuten über Requiem spreche, dann kommt sofort: „Die Schweizer“. Also dahingehend alles richtig gemacht!

Lustig war mal, als jemand von den Finnischen Requiem eine CD bestellen wollte und uns dann anschrieb seit wann wir Power Metal machen. 

Haha, ja eben. Ich finde, ihr als Band habt eine sehr große Beständigkeit, was diverse Kooperationen anbelangt. Das Studio mit Andy Classen ist vertraut, Dan Seagrave hat das Coverartwork wieder gestaltet, damit ist es eure 3. Zusammenarbeit, großes Lob an dieser Stelle und eine sehr gute Wahl, denn er ist ein begnadeter Künstler! Ihr habt einen großen Wiedererkennungswert, wie siehst du das?

Ja, ich finde eine Beständigkeit essenziell bei einer Band. Und wenn dir jemand nach ein paar Sekunden sagt: “Das ist Requiem, was ich da höre“, dann finde ich, wir haben alles richtig gemacht! Wenn ich mir meine Idole aus den 90er anhöre, geht es mir ähnlich und ich finde das ist das, was eine Band ausmacht. Es gibt so viele Bands, die einfach nur kopieren und null Eigenständigkeit reinbringen. Ich meine, man kann das Rad ja nicht neu erfinden, aber man sollte es dann so machen, wie es die Leute gewohnt sind. Bei uns in der Band gibt es eigentlich niemanden, der nur Death Metal hört, eigentlich hören wir alle fast keinen Death Metal und ich denke, durch diese verschiedenen konstanten Einflüsse anderer Musik ergibt sich auch nicht dieser Einheitsbrei, der leider heute noch schlimmer als früher produziert wird. Seagrave gehört zu den ganz großen Künstlern und es war und ist uns immer eine Ehre, wenn er unser Cover gestaltet, hat er doch für zahlreiche meiner Lieblingsbands schon gemalt.

Was den Wechsel von Classen zu Brandes (Iguana) betrifft, war es unser Wunsch den Sound mal etwas anders und natürlicher zu gestalten. Wir haben auf der neuen CD das komplette Drum z.B. nur mit Mikrofonen aufgenommen. Ein weiterer Faktor war, dass wir nicht alles an einem Stück machen wollten und da Freiburg von uns nicht so weit wie Kassel ist, konnten wir da teils abends wieder zurück oder spontan weiter produzieren, wenn die Zeit vorhanden war.

Lieblingsbands, gutes Stichwort. Ein großer Einfluss liegt wohl auch u.a. bei Bolt Thrower. Habt ihr nach wie vor Kontakt?

Unsere größten Einflüsse sind sicherlich Malevolent Creation, Terrorizer, Obituary, Napalm Death und eben Bolt Thrower. Wir haben zu all den Bands noch Kontakt, auch zu den meisten mit denen wir auf Tour waren. Facebook sei Dank 

Im Prinzip orientierten wir uns damals an den 90er Bands aus Florida und Schweden und konnten so unsere Eigenständigkeit finden.

Kommen wir zum neuen Album, welcher Song ist dein persönlicher Favorit auf der Scheibe?

Hmmm, das ist immer eine schwere Frage, ich mag alle auf ihre persönliche Art. Zum live spielen freue ich mich auf „Downward Spiral“, „Lockdown, For The Blind To See“, „Salvation In Vain“ und „Vultures“.

Im Prinzip laufen bei dem ganzen Porno durchweg Death-Metal-Songs :D und die Darsteller tragen Requiem-Shirts! Wir waren jung und brauchten das Geld ;)

Apropos live. Was ist euch lieber, große Konzerthallen oder eher Underground?

Wir mögen persönlich lieber die kleineren Events. Es kommt da immer eine bessere Stimmung auf. Es ist näher zum Publikum und dadurch springt auch der Funke besser über. Live mögen wir es lieber grindcoremäßig, d.h. laut, dreckig und Fan-nah. Und auch nicht zu perfekt. Das ist Death Metal!

Da seid ihr auf dem Protzen OA richtig, sieht man euch im Rahmen der neuen CD auch wieder öfters in Deutschland, vielleicht sogar in der ostdeutschen Ecke? Hoffe, euch mal auf dem Party.San zu sehen, das wär geil!

Ja, es kommen jetzt im Moment einige Anfragen aus Deutschland rein und ich denke das wird sicher noch verdichten, wenn die neue CD released ist. Wir sind gerne offen für Angebote und kommen bestimmt in die ostdeutsche Ecke – schließlich hat es für uns dort auch angefangen mit Bruchstein usw. und uns verbindet da was ganz Besonderes. PSOA war schon zweimal das Thema, hat dann aber irgendwie doch nicht geklappt.

Ihr sprecht ja immer sehr brisante sozialkritische Themen offen und direkt an, was ich sehr gut finde in der heutigen Zeit, ohne dass ihr euch als politische Band bezeichnen würdet, ist das immer noch so? Könnt ihr nach wie vor behaupten, ihr seid unpolitisch, obwohl ihr den Finger in der Wunde habt?

Ja, das würde ich sogar so unterschreiben. Unsere Texte sind nach wie vor die vertonte Welt mit allem Leid, Elend und sonstigen Missstände. Leider gibt‘s auf der Welt immer noch viel Scheiße, dass man die nächsten 100 Jahre noch genügend Themen für Death-Metal-Lyrics findet, da braucht es den ganzen Gore, Fantasy und Horror-Scheiß nicht, das gibt‘s genügend Themen in der realen Welt, die schlimmer sind.

Deshalb auch „For The Blind To See“.

Eben, “There´s no place to hide!” Brisanter denn je. Wer schreibt die Texte, alles wie gehabt?

Die Texte schreibt immer noch Ralf.

Gänsehaut bekomme ich z.B. bei „DeEvolution“, kriegen wir die Kurve noch?

Nö, ich glaube nicht. Ohne da jetzt Pessimist zu sein, aber die ganze Welt ist in einem solchen Durcheinander und das Geflecht ist kaum mehr voneinander zu trennen, um da wieder Ordnung, Fairness und Menschlichkeit oder was auch immer reinzubringen!

Beantwortet eigentlich die Textzeile: „Gier tötet“!

Jepp, zum Beispiel!

Ist es ruhiger geworden mit den Drohmails, wie ich las, gab es da ja einiges nach einem Legacy Interview oder hat sich das wieder etwas beruhigt? Hast du das Gefühl, durch eure freie Meinungsäußerung und das Anprangern von brisanten politischen Missständen, dass euch dadurch vielleicht Gigs durch die Lappen gegangen sind oder dass ihr unpolitischer vielleicht noch mehr Erfolg gehabt hättet?

Das war vor sehr vielen Jahren, als uns da einige NSBM-Bands aus der Schweiz und Deutschland versucht haben zu drohen. Die stellten uns in die Linksextreme Szene u.a. weil wir auch einige Shows mit Napalm Death gespielt haben. Die sind aber alle erwachsen geworden oder haben sich aufgelöst. Wir haben nach wie vor etwas gegen Nazis, die braucht kein Schwein und die haben im Metal auch nix verloren. Metal ist Rebellion und war schon immer gesellschaftskritisch und nicht ausländerfeindlich eingestellt. Ohne Blues kein Metal! Hätten wir irgendwelche Shows verpasst durch das – zum Glück! Denn das wäre eh nix für uns gewesen!

Ok, gutes Statement! Wie ist es eigentlich in der Schweiz um Club bestellt, gab es da auch Verdrängungen oder ist es nicht relevant? In meiner Heimatstadt Leipzig und auch Städten hat man arg zu kämpfen.

Ja, bei uns gibt es das Problem in den Städten. Da schließen auch immer mehr Clubs, vor allem in Zürich und ich meine da die richtig geilen Live-Clubs. Ich sehe das Problem von zwei Seiten: Entweder ist das Angebot zu übersättigt oder die Lokalitäten müssen den Investoren weichen für mehr Profit… Bei mir – auf dem Lande  – ist das nicht der Fall. Da bin ich einer der Wenigen, der sowas macht und dadurch auch ein Magnet.

Hast du deutsche Death-Metal-Bands auf dem Schirm? Welche magst du aktuell?

Da kommt mir spontan Fleshcrawl, Purgatory, Harmony Dies, Profanity oder Kreator in den Sinn. Eine Neuentdeckung für mich ist Lifeless.

Bei Wikipedia steht, ihr habt mal vor Jahren einen Song zu einem Porno beigesteuert. Stimmt das?

Ja, also mehrere Songs! Im Prinzip laufen bei dem ganzen Porno durchweg Death-Metal-Songs :D und die Darsteller tragen Requiem-Shirts! Wir waren jung und brauchten das Geld ;)

Haha, sehr geil! Titel?

Zu erfragen bei der Redaktion ;)

Du hast das letzte Wort:

Wir möchten uns ganz herzlich bei Dir, dem Magazin und vor allem bei all den Leuten draußen bedanken, die uns die letzten 20 und hoffentlich auch die nächsten 20 Jahre unterstützen. Ein großes Dankeschön an all die Leute, die eine CD und die Arbeit dahinter auch wertschätzen und sich das Release kaufen und nicht einfach aus dem Netz klauen – denn nur so ist es möglich all das auch einigermaßen durchzuziehen. Wir sehen uns demnächst bei einer Show oder einem Festival und würden uns freuen mit euch anzustoßen!

Fotos: Requiem, FDA Rec.

(Artikel aus Eternity #23)