Formicarius – Interview

Formicarius konnten bei uns mit ihrem neuen Album „Rending the Veil Of Flesh“ schon ein gutes Review einheimsen. Deshalb haben wir mal hinter die Kulissen der Band aus Großbritannien geschaut.

Vielleicht kennen einiger unser Leser euch noch nicht, also stellt euch doch zu Anfang einmal vor: Wie würdet ihr den Sound von Formicarius beschreiben? Und was sind eure größten musikalischen Einflüsse?

Lord Saunders „In erster Linie denke ich, dass es offensichtlich sein sollte, dass es sich bei Formicarius um eine Black-Metal-Band handelt. In einem mit so vielen Unterkategorien übersättigten Sub-Genre fällt es den Leuten schwer, uns in eine Schublade zu stecken. Irgendwie ironisch, wenn man das alles berücksichtigt. Ich würde sagen, wir zeichnen uns durch Liebe zum Detail aus – nicht durch den alten rohen und crustigen Black Metal. Es ist Größer-als-das-Leben-Musik, Hi-Fi mit satten Melodien, dichten Harmonien und ehrgeizigem Aufbau.

Was unsere Einflüsse angeht, ist es wirklich schwierig, eine Antwort zu finden. Zwischen uns Fünfen gibt es wirklich einen extrem breiten und vielseitigen Pool an Geschmacksrichtungen. Ich denke, wir sind alle offen für Musik jeglicher Art, die uns anspricht. Wir sind alle damit aufgewachsen, einige Bands intensiver zu hören als andere, Nazarkardeh zum Beispiel lässt sich vielleicht von Mercyful Fate inspirieren, meine persönlichen Beiträge gehen eher in Richtung Emperor und Sigh. Extreme Metal hat in unserem ganzen Leben eine große Rolle gespielt und das ist etwas, was wir offensichtlich in Formicarius einfließen lassen. Es ist nicht einfach eine fokussiertere Liste zu zitieren – wir denken nicht wirklich an eine Band ‚für Fans von X, Y und Z‘. Es wäre nicht fair, die Einflüsse eines Mitwirkenden auf einen anderen anzurechnen.“

…ich denke, Black Metal könnte und sollte mehr sein, als es ist.

Ihr seid nach dem Buch „Formicarius“ von Johannes Nider benannt. In wie fern besteht ein Zusammenhang zwischen euch – besonders im Hinblick auf eure Texte – und dem Werk?

Morath: Johannes Niders ‚Formicarius‘ ist ein Buch, das seine Zeitgenossen wahrscheinlich schockierte. Es beseitigte die alten Vermutungen über Hexerei – die Auffassung, dass Zauberei ein von Männern dominiertes Handwerk war – und ließ im Volk eine neue Furcht vor ketzerischer Magie aufkommen, die plötzlich viel realer und für jeden (besonders für Frauen), der sich ihr widmen wollte, viel einfacher zu erlangen schien, um in den Dienst des Teufels zu treten. Aber als was ‚Formicarius‘ wirklich verstanden werden kann – abgesehen von der Angst vor der Hexerei – ist ein philosophischer Kommentar zu vielen der großen aktuellen ethischen Fragen.

Welchen besseren Titel hätten wir uns beim Brainstorming aussuchen können, als einen, welcher uns mit einem Buch vergleicht, das das Bisherige völlig durcheinanderbringt und der allgemeinen Wahrnehmung seines Themas in einer Weise widerspricht wie wir es immer musikalisch versucht haben? Welche bessere Absichtserklärung könnte es geben? Textlich habe ich einige der im ‚Formicarius‘ erzählten Geschichten thematisiert, da es sich um eine Quelle mittelalterlicher Inspiration handelt und dieses Thema einen roten Faden in unserer gesamten Arbeit darstellt. Auch wenn es keinen direkten Einfluss darauf hat, ist sein Ansatz wahr – immer störend, immer das Leben durch verschiedene Linsen betrachtend.“

„Rending The Veil Of Flesh“ ist euer zweites Full-Length-Album. Wie habt ihr die bisherigen Reviews im Vergleich zu eurem Debüt-Release wahrgenommen? Und worin besteht eurer Meinung nach der größte Unterschied zu „Black Mass Ritual“?

Lord Saunders: „Es ist offensichtlich, dass „Black Mass Ritual“ der Keim war und wir eine Band mit Potenzial. „Rending …“ wurde als positiver Nachfolger aufgenommen, als etwas, das floriert hat. Die Rezeption war im Großen und Ganzen verständnisvoller, als die Leute sich mit unserer Geschichte auseinandergesetzt haben. Es war Interesse vorhanden, aber ich vermute, viele sind gespannt, wie wir unser Potenzial als nächstes ausschöpfen werden. Als die Person, die mit dem Schaffensprozess dieser Platte am besten vertraut ist, kann ich klar sagen, dass die Unterschiede aus der Erfahrung stammen. Du lernst wirklich nur aus Fehlern. Und lass dir von mir sagen, dass wir auf unserem Weg eine Million davon gemacht haben. „Black Mass Ritual“ war die Feuerprobe, „Rending …“ ist die Klinge, die aus diesem Feuer geschmiedet wurde. Was als nächstes kommt, wird nur stärker und weiser sein.“

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit „ROTTING CHRIST“-Frontmann Sakis Tolis?

Lord Saunders: „Das kam zustande, weil wir wirklich das gewisse Etwas brauchten, um ‚Early Will I Seek Thee‘ zum Leben zu erwecken. Es ist ein großes Lied und enthält ein ‚Spoken Word‘-Intro. Sakis kam uns in den Sinn, da viele von uns seit Jahren große Fans von Rotting Christ sind. Es bot sich die Gelegenheit und ich könnte mit dem Ergebnis nicht zufriedener sein. Seine Beiträge erwecken diesen Track zum Leben. Es ist ein wirklich dynamischer Song, daher war es beabsichtigt, dass eine so einzigartige und wiedererkennbare Stimme dazu beiträgt.“

Gibt es noch andere Musiker/Bands mit denen ihr gerne mal ins Studio gehen würdet?

Lord Saunders: „Ich weiß nicht, es gibt immer deine Traumliste von musikalischen Ikonen, die dich inspiriert haben. Ich nehme an, dass daran etwas Bestätigendes ist, eine Art Mentoring zur Stärkung der Zuversicht. Sakis war jemand, bei dem wir anfangs nicht einmal von einer Zusammenarbeit zu träumen gewagt hätten, aber hier sind wir. Es ist nicht einfach, sich so etwas ohne Kontext vorzustellen – etwas zu haben, zu dem sie beitragen würden und für das sie die perfekte, einzigartige Passform wären. Ich möchte keine Situation, in der eine Zusammenarbeit gezwungen klingt und nicht wirklich zu einem Song beiträgt.“

Außerhalb eines streng kreativen Kontexts gibt es natürlich eine Menge Bands, mit denen wir gerne touren würden. Im weiteren Sinne des Themas wäre es großartig, mit Leuten wie Ola Englund oder Rick Beato zu plaudern und zusammenzuarbeiten. Viele von uns haben einen starken Bezug zu musikalischer Bildung und ich denke wirklich, dass die selbstermächtigenden Einstellungen und die so genannte Spiritualität, die mit Black Metal verbunden sind, wirklich etwas zum Gespräch beitragen können. Das würde zu einer interessanten und einzigartigen Zusammenarbeit führen, ich denke, Black Metal könnte und sollte mehr sein, als es ist.“

Live macht ihr euch zumindest hierzulande ziemlich rar. Können wir mit einem Konzert in Deutschland rechnen?

Nazarkardeh „Ich habe einige Male in Deutschland gespielt, leider noch nicht mit Formicarius. Das MUSS sich 2020 ändern! Wir haben eine großartige Metal-Community in Großbritannien, aber als Außenstehender sehe ich in Deutschland eine viel größere, stärkere Kultur rund um Metal. Trotz der Tatsache, dass die jüngste Dummheit Großbritanniens es uns erschweren könnte nach Deutschland (oder anderswo) hinzureisen, werden wir tun, was wir können!“

Alle von euch spielen oder haben in anderen Band gespielt. In wie weit unterscheidet sich die Arbeit an euren Nebenprojekten zu der an Formicarius?

Nazarkardeh: „Das Wesen der Musik von Formicarius ist, dass man sie nicht wirklich in einem Proberaum spielen kann. Obwohl die Musik, die ich in meiner anderen Band De Profundis spiele, sehr progressiv und technisch ist, basiert alles auf Riffs, sodass wir in unserem Studio Ideen ausbrüten können. Mit Formicarius würden die von Klassik und Barock inspirierten Harmonien und Akkordfolgen untergehen, wenn wir so arbeiten würden.

Für „Rending The Veil Of Flesh“ wurden Songs von mir, Morath oder Lord Saunders individuell entworfen. Wir würden dann alle zuhören und darüber nachdenken, was funktioniert und was nicht und wie wir die Parts auf unseren spezifischen Instrumenten angehen würden. Normalerweise fingen wir dann als Band an zu proben, aber durch einen problematischen Zwischenfall hatten wir in letzter Minute keinen Schlagzeuger. Dank des unglaublichen Könnens eines Kevin Paradis (Benighted, Shining, Melechesh) war er in der Lage, unsere programmierten Schlagzeugideen aufzunehmen und massiv zu verbessern, bevor er sie aufnahm, während er gleichzeitig unsere Erwartungen dessen, was ein menschlicher Schlagzeuger möglicherweise spielen kann, übertraf. Wir haben sehr viel Glück gehabt, Valdr zu finden, der es irgendwie hinbekommen hat.“

Vielleicht kommt die Frage etwas verfrüht, aber habt ihr bereits irgendwelche Pläne, Ideen oder Wünsche für zukünftiges Songmaterial? Nur für den Fall, dass ihr uns diese mitteilen wollt…

Nazarkardeh: „Maynard James Keenan hat vielleicht den Luxus, ein Jahrzehnt lang Wein aus einem großen Haufen Geld zu schlürfen, aber das tun wir nicht! Das Schreiben für Album Nummer 3 hat begonnen. Bisher kann ich nur sagen, dass die Leute, die unsere anderen Alben nicht mochten, weil es nicht ‚True Black Metal‘ genug war, es hassen werden. Gut! Wir sind nicht daran interessiert, die Menschen zufrieden zu stellen, die auf uns herabgesehen haben, und die nächste Platte wird dies sehr deutlich machen.“

Letzte Worte – gibt es noch etwas, das ihr unbedingt loswerden wollt?

Lord Saunders: „Formicarius trägt eine Botschaft der Ermächtigung, die viele im Genre auf dem Weg vergessen zu haben scheinen. Also denkt groß, benutzt euer Gehirn, seid so gut wie nur möglich in dem, was auch immer ihr tut. Seid keine verschrumpelten Nihilisten, darum geht es im Black Metal überhaupt nicht. Ich denke, es ist wichtiger das zu verstehen, als jede Art von Gemeinplatz, den wir an dieser Stelle ablassen könnten. Worauf wartet ihr noch? Legt los!

https://formicariusband.bandcamp.com/releases

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