Dead Silent Slumber Interview

Unzähligen Musikern mangelt es an musikalischer Kreativität, manche hingegen scheinen vor innovativen Ideen buchstäblich überzuschäumen. Naglfar, Schwedens Black/Death-Hoffnung mit durchaus gerechtfertigten Ambitionen auf den verwaisten Dissection-Thron, haben sich mit „Vittra“ und dem grandiosen Nachfolger „Diabolical“ bereits selbst ein Denkmal gesetzt.Jens Ryden, seines Zeichens Frontschreihals bei den nordischen Totenschiff-Meistern, ruht sich nicht auf den Lorbeeren der Truppe aus, sondern macht sich eifrig daran, die Metalwelt um weitere apokalyptische Hymnen zu bereichern. Unter dem Namen Dead Silent Slumber setzt der Gitarrist zum Rundumschlag an – denn aufgrund der Integration zahlreicher genrefremder Elementen dürften nicht nur Death Metal-Fans bei „Entombed In The Midnight Hour“, so der Titel des Debuts, voll auf ihre Kosten kommen.

Ganz von seinen musikalischen Wurzeln will sich Jens jedoch nicht lösen. „Obwohl mit „Raising The Suicide Chalice“ ein progressiver Song auf dem Album vertreten ist und ich auch weiterhin elektronische Elemente in die Lieder integrieren möchte, kann ich mir nicht vorstellen, mich musikalisch völlig von der Death/Black Metal Bewegung abzuwenden. Ich fürchte mich keineswegs vor Experimenten, aber mein Herz gehört dem Metal. Daher kann ich mir trotz allen Bestrebungen zur Innovation nicht vorstellen, mit Samba oder Pop-Rhythmen herumzubasteln“, so Jens. Gut so, lebt Dead Silent Slumber doch von der Gratwanderung zwischen melodiösen Passagen, modernen Ideen und traditionellen Death Metal Strukturen mit einem Schuß Schwarzwurzel-Raserei.

Ein Veränderung dieser hochexplosiven Mixtur dürfte sich daher verheerend auf die Intensität der Musik auswirken. Schade, dass der geneigte Hörer auf eine livehaftige Umsetzung von „Entombed In The Midnight Hour“ verzichten muß, beschränkt der Naglfar-Sänger seine Solo-Aktivitäten ausschließlich auf die Studioarbeit. „Es wäre mir zuviel, auch mit Dead Silent Slumber auf Tour zu gehen. Zudem dürfte es rein aus terminlichen Gründen schwierig sein, beide Bands zu koordinieren. Ich hatte genug Zeit, „Entombed In The Midnight Hour“ aufzunehmen, da Naglfars Bassist Kristoffer nach einer Skandinavien Tour im April 1990 längere Zeit außer Landes ging und wir ohnehin nicht auftreten konnten.

Aber Dead Silent Slumber hat keine Priorität für mich, ich richte mich in puncto Solo-Projekt nach dem Terminkalender von Naglfar“, erklärt das Multitalent, das das komplette Coverartwork selbst entworfen und realisiert hat. Jens ist schon seit längerer Zeit im Bereich Computer/Design tätig und hat für zahlreiche befreundete Bands Logos und Titelmotive entworfen. Ein zweites Standbein ist der Job allerdings nicht, sondern vielmehr ein Hobby. Für mehr dürfte Jens‘ begrenzte Zeit auch nicht ausreichen, denn obwohl Gerüchten zufolge der Tag in Schweden mehr als 24 Stunden hat, ist der Gitarrist und Sänger völlig ausgebucht. Obwohl: für „die üblichen Dinge“ wie „Parties feiern, Frauen und Video schauen“ hat Jens nach eigener Aussage immer eine freie Minute übrig. Der Großteil des Tages gehört jedoch der Musik, denn der Schwede ist dem Lebensstil „Heavy Metal“ verfallen. Zu den härteren Klängen fand Jens durch die Alben seiner älteren Schwester und spätestens nach dem Kauf seiner ersten Iron Maiden-Alben war es um den damals Neunjährigen geschehen. Megadeth, Metallica und Slayer sorgten dafür, dass ein weiteres nordisches Musiktalent seine Bestimmung fand.

Engstirnigkeit ist dem Schweden jedoch fremd, vor allem was musikalische Inspiration angeht: „Um einen Text oder einen Song zu schreiben, brauche ich in keiner bestimmten Stimmung zu sein. Alles, was in meinen Ohren gut klingt oder interessant ist, inspiriert mich. Das kann die letzte Cannibal Corpse-Scheibe, Filmmusik oder aber ein Eurodisco-Hit sein. Diese Einflüsse schlagen sich jedoch nicht unmittelbar in meinen Kompositionen nieder, sondern verbinden sich in meinem Gehirn zu einem persönlichen Klanggebilde, einem individuellen Sound“, relativiert Jens die MTV-Generation-Geschmacksverirrung wieder. Um seine Ideen umzusetzen, scheut der Musiker weder Kosten noch Mühen. So ist „Entombed In The Midnight Hour“ nicht etwa komplett im Alleingang entstanden: Jens konnte mit Andreas Johansson (Bleeding), Ulph Johansson (Embracing) und Christer Bergqvist (Disorge) drei Gitarristen verpflichten, die ihm bei der Solo-Arbeit unter die Arme griffen. Den Spruch „aller guten Dinge sind drei“ nahm sich Jens gleich doppelt zu Herzen. Denn nicht nur drei Saitenhexer, sondern auch drei Gast-Gesangsakrobaten verewigten ihre Stimme auf „Entombed In The Midnight Hour“, nämlich Jensa Carlsson (Persuader), Mattias Holmgren (Embracing) sowie Ann Akerman (Lucky). Mit Maria Hamrin, einer Cellistin, wurde das Studio Line-Up von Dead Silent Slumber schließlich komplettiert. Besonders der Titeltrack „Entombed In The Midnight Hour“, der durch die weiblichen Gesangspassagen, den zerbrechlich-zart anmutenden Klang sowie die klassische Instrumentierung aus dem Rahmen fällt, überrascht beim ersten Hördurchgang. „Ich kann mich gar nicht mehr konkret daran erinnern, wann mir die Idee kam, den Song als Titeltrack zu verwenden“, kramt Jens in den hinteren Gehirnwindungen. „Der Gedanke, das Album nach einem Lied zu betiteln, welches ein wenig aus dem Rahmen fällt, hat mich fasziniert. Ich bin zudem sehr zufrieden mit dem Track: er hört sich wie ein Stück Filmmusik an und beinhaltet eine großartige Verbindung zwischen Text, Songstruktur und Covermotiv – obwohl mir persönlich die Musik wichtiger erscheint als die poetische Umsetzung einer Idee. Aber der Gedanke der Wiedererweckung eines Toten, welche sich im Nachhinein als der Anfang vom Ende entpuppt, ließ sich sowohl kompositorisch wie auch lyrisch perfekt interpretieren“, schwärmt der Komponist, der Dead Silent Slumber 1997 begründete, als er erkannte, dass viele seiner Ideen nicht zur musikalischen Richtung Naglfars paßten.

Unter dem Banner des „Symphonic Horror Death Metal“ kann Jens nun seiner Kreativität freien Lauf lassen – bislang mit großem Erfolg, wie Jens zu berichten weiß. Das Solo-Projekt dient jedoch weniger kommerziellen Interessen, sondern vielmehr der Selbstverwirklichung des Multinstrumentalisten. „Dead Silent Slumber existiert, damit ich meine musikalischen Interessen ausleben kann“, legt Jens kurz und knapp die Essenz der Band dar. Der Schwede weiß genau, was er will, halb Sachen macht er nicht. Mister Ryden hat die Tücken des Musikbusisness erkannt: „Im Moment mag es angesagt sein, ein wirklich extremes Image zu verkörpern – der Erfolg von Bands wie Marilyn Manson, Slipknot oder Cradle Of Filth beweist dies. Aber ich bin sicher, dass die Leute davon irgendwann auch genug haben. Die Trends ändern sich schnell. Wenn man lernt sein Instrument zu beherrschen, eingängige Songs zu schreiben und sich die Zeit nimmt gute Ideen auszuarbeiten und nur Stücke veröffentlicht, von denen man 100 Prozent überzeugt ist, ist man meiner Ansicht nach auf dem richtigen Weg. Ein gutes Album muß natürlich auch ein gewisses Maß an Originalität besitzen, akzeptabel produziert sein und spielerische Qualität beweisen. Aber letztendlich spielt der individuelle Geschmack eine viel zu große Rolle, als dass es ein todsicheres Patentrezept für eine wirklich Killer-Platte geben würde“, sinniert Jens, dessen schönstes Erlebnis in puncto Musik nach eigenen Angaben die Veröffentlichung seiner Kompositionen war. Auch im Underground hört sich der Schwede ab und an um, auch wenn er in jüngster Zeit kaum noch Zeit dazu gefunden hat.

Als letzte Metal-„Entdeckung“ empfiehlt Jens den Eternity-Lesern die junge finnische Gruppe Finntroll, die mit „Midnattens Widunder“ eben ihr vielbeachtetes Debutalbum veröffentlicht haben. In der schwedischen Black Metal-Szene herrscht nach Kenntnis des Musikers eine Flaute – dafür scheint der Death/Thrash der Marke The Haunted schwer im Kommen zu sein. Jens tangiert dies jedoch nur am Rande: er hat seinen Stil gefunden und plant bereits das nächste Dead Silent Slumber-Album, das – nach seinen mehr als spärlichen Auskünften – mit weiteren überraschenden genrefremden Elementen aufwarten wird. Man wird sehen bzw. hören. Und die Hauptsache ist doch, dass Jens nicht als einmaliges Happening ansieht, sondern konstant fortführen will. „Ich kann mir keinen Grund denken, warum ich einmal damit aufhören sollte Dead Silent Slumber fortzuführen – außer vielleicht, wenn ich einen Arm verlieren würde.“ Was hoffentlich nie passieren wird…

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