Soilwork Interview

Eine faustdicke Überraschung stellte für mich definitiv das neue Soilwork-Album „The Chainheart Machine“ dar. Wie der legendäre Schlag in die Fresse haut einen die pure Aggression um…doch die schwedische Combo prügelt nicht einfach darauf los, sondern geht mit eiskalter Präzision ans thrashige Werk. Und so ganz nebenbei schütteln die Gitarristen noch so manche Gänsehautmelodie aus dem Ärmel…schwer beeindruckt wendete ich mich an Sänger Björn „Speed“ Strid, um mich schlau zu machen, was hinter dieser Ausnahmecombo steckt.

Meine Glückwünsche nimmt Björn gerne entgegen. Aber ist die Band selbst noch mit dem zufrieden, was sie da „verbrochen“ hat?
B.: Aber sicher doch. Wir mögen die Platte immer noch, auch wenn es nun schon wieder beinahe ein Jahr her ist, daß wir sie aufgenommen haben.

Die kalte, klinisch wirkende Atmosphäre von „The Chainheart Machine“, die mich so begeistern konnte, hat in den Augen von Björn ihre Hauptursache in der Produktion:
B.: Die Produktion unterscheidet sich ein wenig von all den anderen Aufnahmen, die im Fredman-Studio angefertigt wurden. Ich kann mich mit der Beschreibung ‚kalt‘ durchaus anfreunden, diese Atmosphäre paßt hervorragend zu unserer Musik. Direkt die Absicht, einen ‚kalten‘ Sound zu bekommen, hatten wir aber nicht, als wir an die Aufnahmen gingen.

Sehr wohl von Beginn an beabsichtigt ist aber die enorme Aggressivität der Musik von Soilwork.
B.: Ja, Aggressivität ist ein äußerst wichtiges Element unserer Mucke. In unsere Songs lassen wir gerne verschiedene Stimmungen einfließen, ähnlich wie jeder Mensch Hochs und eben auch Tiefs durchlebt. Keiner von uns ist jetzt unbedingt ein aggressiver Kerl, aber es gibt immer genügend Sachen, die uns wirklich ankotzen. Und um solche angestauten Aggressionen rauszulassen, ist Musik einfach das beste Mittel.

Schon Katja bekam im letzten Interview mit Soilwork, damals nach dem Release des Debüts „Steelbath Suicide“, zu hören, daß die Band sich von Vergleichen mit z. B. At The Gates eher auf den Schlips getreten vorkommt. Daran scheint sich nichts geändert zu haben:
B.: Manchmal nimmt das mit den Vergleichen einfach überhand. Sicher ist es eine große Ehre, mit einer tollen Band wie At The Gates verglichen zu werden, aber manche Leute sollten endlich mal kapieren, daß wir nicht At The Gates II sind, sondern unseren eigenen unverwechselbaren Sound haben.

Da hat der gute Björn sicher recht und liefert gleich darauf seine Sicht der Dinge nach, warum Soilwork sich von At The Gates und auch den anderen Schwedencombos unterscheiden.
B.: Gerade in letzter Zeit haben wir uns einen wirklich eigenständigen Sound erarbeitet. Ich denke nicht, daß wir noch typisch schwedisch klingen. Bei uns gibt es halt diese Unmengen von Bands, die alle melodischen Deathmetal fabrizieren, letztendlich sind davon aber nur ein paar wenige wirklich hörenswert, man muß da eine enge Auswahl treffen. Wir hingegen sind – anders als die meisten Landsleute von uns – hörbar von weitaus mehr unterschiedlichen Spielarten des Metals und Hardrocks beeinflußt worden. Das macht in meinen Augen unsere Musik um einiges interessanter, als es die von anderen Schwedenbands ist.

Ebenfalls neue Aspekte in den Soilwork-Stil hat die Band laut Björn auch den zwei Neuzugängen an Gitarre und Schlagzeug zu verdanken.
B.: Unser neuer Mann an der Git. ist ein absoluter Melodie-Freak und hat viele Ideen zum „Chainheart…“-Album beigesteuert, wir sind sehr zufrieden mit ihm. Unser neuer Schlagzeuger hingegen hat unserer Musik einen noch aggressiveren Touch verliehen.

Sehr zur beklemmenden Atmosphäre auf der Platte trägt auch das hinter dem Titelsong und dem Cover steckende Konzept bei.
B.: Als erstes stand der Albumtitel fest, noch bevor wir das Coverartwork ausgewählt haben, es paßt aber unserer Meinung nach perfekt zum Titel. Der Titelsong selbst ist über einen Mann in einer futuristischen Gesellschaft, in der er als Maschine mißbraucht wird. Sein Herz wurde an den Boden gekettet und sein Gehirn wurde dahingehend manipuliert, daß es Schmerz gegenüber unempfindlich ist. Geboren wurde er unter der Erde und hat sein ganzes Leben lang noch nie die Sonne zu Gesicht bekommen. Um am Leben zu bleiben, bedient er sich eines Vorschlaghammers…

Und auch in den meisten anderen Songs wird die Musik in den Texten passend umgesetzt…
B.: Der Song „Bulletbeast“ ist z. B. eine Story über einen Typen, der sich als Scharfrichter sieht, der seiner Meinung nach die Straßen ’säubert‘. Da hab‘ ich mich von dem Film „Taxi Driver“ mit Robert De Niro inspirieren lassen. „Machine Gun Majesty“ hingegen handelt von den Schrecken des Krieges. „Millionflame“ wiederum dreht sich darum, von gutem Sex derart überwältigt zu sein, daß Du Dich für den Leibhaftigen höchstselbst hältst. Dieser Text ist ebenfalls von einem Film beeinflußt worden: „Des Teufels Advokat“ mit Al Pacino. Dann wäre da noch „Generation Speedkill“, da singe ich von Leuten wie uns, die ihr Leben mit Saufen und Rauchen verbringen sowie damit, ihre Saat auf der ganzen Welt auszubringen…Wir leben jeden Tag, als wäre es unser letzter, und planen nicht groß für die Zukunft. Das ist für mich die richtige Art zu leben: so viel Spaß wie möglich haben – Feiern bis zum Untergang!

Und Björn weiß auch, worüber er nie singen würde:
B.: Nun, da die Texte ja auch immer zur Musik passen sollten, kann ich wohl schlecht von Bienen und Blumen singen. Ansonsten schreibe ich aber über alles, was mir so in den Sinn kommt.

Nach dem Release von „The Chainheart Ma-chine“ gibt die Band nun wieder live Gas.
B.: Im Februar werden wir erstmal die NL beackern, im April kommt dann Italien an die Reihe. Im Sommer wollen wir zudem möglichst einigen Festivals unsere Aufwartung machen, hoffentlich klappt das…

Über einiges an Liveerfahrung dürfte die Band ja durch die vielen Konzertreisen nach dem Release von „Steelbath Suicide“ verfügen. Am begeistertsten zeigt sich Björn von dem Trip nach Japan.
B.: Der Japantrip war die Erfüllung all meiner Träume! Die Japaner waren großartig – als wir live spielten, waren die Mädels im Publikum bei jedem Gitarrensolo den Tränen nahe, unglaublich! Während der Woche in Japan gaben wir auch viele Interviews und hielten Autogrammstunden in Plattenläden ab, wo die Leute alles Mögliche zum Signieren anschleppten. Unser Labelmanager war ebenfalls total aus dem Häuschen, er meinte, unsere Gigs seien die besten gewesen, die er jemals erlebt hätte. Außerdem besuchten wir auch ein paar japanische Restaurants, probierten das sehr leckere Essen dort und gaben uns mit japanischem Bier und Sake-Reiswein die Kante. Das waren mit Sicherheit die besten Tage meines Lebens! Ansonsten spielten wir aber auch noch in Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich und Luxemburg. Auch dort hatten wir einige coole Gigs, wenngleich Japan unerreicht bleibt.

In Deutschland erwies sich leider öfters die Bandzusammenstellung bei den Gigs als problematisch:
B.: Wir spielten bei euch meist mit den falschen Bands, wie  z. B. Krisiun oder Markuk.  Vielerorts wollten die Zuschauer da das volle Deathmetalbrett hören, mit durchgängigen Blastbeats und so, und eben keinen melodischen Metal. Dennoch haben wir aber auch bei euch schon gute Reaktionen auf unsere Show erhalten, die Metaller bei euch sind sehr hingebungsvolle Fans.

Unterwegs war man aber auch mit passenderen Acts wie Darkane und Dark Tranquillity, mit denen man auch prima klarkam:
B.: Die Jungs von Dark Tranquillity sind echt nette Typen. Wir hatten eine prima Zeit mit ihnen in Japan bei gemeinsamen Trinkgelagen und Karaokesessions. Bei Darkane ist es so, daß sie aus der gleichen Stadt wie wir kommen, wodurch wir gelegentlich gemeinsam feiern.

Ansonsten sieht’s in Helsingborg, wo Soilwork herkommen, aber eher mau aus:
B.: Hier spielen sonst kaum Bands Metal, und eine Szene oder sowas gibt’s erst recht nicht. In letzter Zeit sind aber ein paar neue Bands aufgetaucht, so daß zu hoffen ist, daß in Zukunft in Helsingborg mehr los sein wird in Sachen Metal!

Wofür auch Björn keine Antwort parat hat, ist meine Frage, warum gerade aus Schweden in den letzten Jahren derart viele Bands auftauchen.
B.: Vielleicht wegen unseren starken musikalischen Traditionen und unserem musikalischen Ehrgeiz? Ich weiß nicht genau…Letztlich ist es hier aber so, daß fast jeder, der Metal hört, auch in einer Band spielt, was natürlich ein prima Nährboden für Neid ist. Auch gibt es in Schweden kein so großes Publikum für Metal, wie es beispielsweise in Deutschland vorhanden ist.

Eine spezielle Herangehensweise haben Soilwork auch beim Songwriting entwickelt, sie programmieren ihre Songs zuerst in einer Rohfassung auf dem PC. Björn ist vom Nutzen dieser Herangehensweise vollauf überzeugt.
B.: Das hilft uns enorm, wenn wir Songs schreiben, da es sonst ziemliche Probleme mit sich bringt, im Proberaum mit sechs verschiedenen Meinungen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. So jedoch werden die Songs erstmal programmiert, und dann können wir sie uns anhören und drüber diskutieren, was daran gut oder schlecht ist. Es ist sehr hilfreich, man bekommt einfach von Anfang an einen Eindruck davon, wie die Riffs und Melodien sich später im Studio anhören werden.

Auch die eingangs angeführte kalte Atmosphäre auf „The Chainheart Machine“ dürfte von dieser Arbeitsweise herrühren…
B.: Wir haben viel mit den Synthies des Computerprogramms gearbeitet, das hat sicher seinen Einfluß auf den Gesamteindruck des Albums gehabt.

Björn setzt der Verwendung von technischen Hilfsmitteln aber auch Grenzen…
B.: Ich finde es grauenhaft, wenn komplette Alben nur mit dem Computer aufgenommen werden. Das hat dann diesen „Plastik“-Beigeschmack. Gerade diese zunehmend synthetischen, kommerziellen Popsachen sind einfach das Letzte! Aber man kann halt Kohle damit verdienen…

Meine Frage, ob er sich vorstellen kann, daß wir bald in einer derart hochtechnisierten Welt leben, von der aus es nicht mehr weit ist zu Science-Fiction-Schreckensvisionen à la „Bladerunner“, beantwortet er jedoch eher zurückhaltend:
B.: Schwer zu glauben, daß die Welt bald wie in „Bladerunner“ aussieht, aber wer weiß, mittlerweile kann alles passieren!

Er selbst ist aber auch nicht unbedingt Science-Fiction-Fan:
B.: Ich mag viel mehr Filme, die mit der Mafia zu tun haben, wie zum Beispiel „Scarface“ und „Carlito’s Way“, beide mit Al Pacino. Actionfilme sind nicht so mein Ding, ich steh‘ da eher auf Thriller und Filme wie den bereits erwähnten „Des Teufels Advokat“.

Für solch einen Film würde Björn auch liebend gerne mal einen Soundtrack schreiben:
B.: Das wäre absolut großartig! So richtig was Atmosphärisches mit Orchester, richtigen Violinen und so, das wäre echt cool!

Als nächstes wollte ich von Björn wissen, woher denn sein Spitzname Speed stammt.
B.: Den hab‘ ich schon, seit ich 14 bin. Er wurde mir verpaßt, weil ich schon damals in schnelle Musik vernarrt war – eben ein Speed-Freak – daher lag das nahe. Außerdem wird mein Nachname Strid ebenfalls mit langem „i“ ausgesprochen…und seitdem ist das quasi mein Künstlername.

Und er macht seinem Namen auch weiterhin Ehre…
B.: Ich vergöttere alten Hardrock und Metal, der Dir diesen herrlichen Tritt in den Allerwertesten verpaßt! Priest sind da meine besonderen Faves, Acts wie Rainbow, Whitesnake sowie thrashigere Bands, z. B. Kreator und Sodom, gefallen mir ebenfalls.

Zum Abschluß wollte ich nur noch einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns in Zukunft von Soilwork erwartet…
B.: Für unser drittes Album stehen schon drei Songs. Sie sind noch unbenannt, einen vermutlichen Albumtitel haben wir aber schon: „The Predator’s Portrait“. Die neue Scheibe können wir vermutlich Ende des Sommers einspielen. So groß ist der Unterschied der neuen Songs zu denen auf „The Chainheart Machine“ nicht, sie sind nur vielleicht noch etwas atmosphärischer. Außerdem wage ich mich an einigen Stellen an melodischen Gesang heran…wird hoffentlich ein richtiges Killeralbum!

Dieser Hoffnung schließe ich mich an…Nun solltet ihr aber erstmal „The Chainheart Machine“ anchecken und die Augen nach einem Soilwork-Konzert in eurer Nähe offen halten! Und um’s mit Björns abschließenden Worten zu sagen: Thrash til you crash!

http://www.soilwork.org/

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