Primitive Man ‚Scorn‘ 6/6

primitive man scornEigenproduktion
Bewertung: 6/6 -> Tipp!
Zeit: 39:43

Kennt ihr das Gefühl, von einer Dampfwalze überrollt zu werden? Die schleichende Erkenntnis, dass die schöne heile Welt nie wieder so sein wird wie einst? Vermutlich die falsche Frage für Heavy-Metal-Veteranen. Um noch deutlicher zu werden: Godflesh zum Frühstück. Ein dreizehnjähriges Justin-Bieber-Fangirl auf einem Konzert von Anal Cunt. Oder: Als ich gesehen habe, dass diese abartigen Primitive Man aus Denver, Colorado nicht gesignt sind. Wer aus eigener Kraft ein solch strapaziöses Schwergewicht stemmen kann, der hat wahrhafte Willenskraft!

Aber gut Ding will Weile haben, und so kommt der Sound der dreiköpfigen Formation nicht von ungefähr. So hat Gitarrist und Sänger Ethan Lee McCarthy schon anno dazumal das Projekt Clinging to the Trees of a Forest Fire auf die Beine gestellt, das mit „Visceral“ von 2011 die gnadenlose Aufgabe meistert, die unkontrollierte Aggression von Grindcore-Ausbrüchen zu bändigen und in eine hörbare Form zu pressen.

Aber auch Primitive Man sind heavy as fuck. „Scorn“ ist brachiales Dampfwalzentum, das wie eine zähflüssige Lawine aus verdorrtem Geröll an die goldene Tradition der Sludge-Koryphäe Neurosis anknüpft. Das wilde Grindcore-Gehacke wird an einem seidenen Faden in Doom-Sphären gezogen, als würde sich der Abgrund nach einer Überdosis Meskalin auflösen und den hypnotischen Sog der Düsternis offenbaren.

Nach dem post-apokalyptischen Titelsong folgt mit „Rags“ dreckiger, intelligenter Sludge aus dem Wirkungskreis von Cult of Luna oder Minsk. Geqäulte, bitterlich heulende Gitarren parallel zu kräftezehrenden, brutalen Schlagzeugeskapaden. „I Can’t Forget“ ist ein dunstiger Klangteppich aus furchteinflößenden Geräuschen, die später von „Antietam“ in Stücke zerhackt werden. Das erreicht gar dronige Tiefen, die in erhabener Dissonanz das Sterben und Verfaulen der Menschheit beweihräuchern. Ja, mitunter klingen Primitive fast so gottverlassen wie Esoteric oder die unheilvollen Nadja. Zu heftig für Doom Metal, zu depressiv für schnellere Gangarten.

Und obwohl dieses unglaublich geile Machwerk so bedrückend und schwer durch den Gehörgang kriecht, hat guter Heavy Metal manchmal einen unerwarteten Effekt. Wie ein warmer Schutzschild zerschlägt es alles Unliebsame und Unwürdige mit seiner beträchtlichen Standhaftigkeit. Übrig bleibt ein kurzweiliges, unglaublich extremes Debütalbum, das die matte Seele mit gnadenlosen Peitschenhieben wachrüttelt und beweist, welch große Taten mit dieser Musik möglich sind.

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