Interview: Japanische Kampfhörspiele

JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE sind in der Pandemie noch produktiver als sowieso schon. Gerade ist eine Split mit den Bottropern OPTIMIST erschienen, eine weitere mit KINSKI soll in den kommenden Wochen veröffentlicht werden. Dazu arbeiten die lebensbejahenden Death Metaller an einem zweiten „Back-To-Ze-Roots“-Album sowie an neuen Songs. Nach dem plötzlichen Ausstieg ihres Shouters Christian haben sie sich zuletzt auf die Suche nach einem neuen gemacht und haben gleich mehrere gefunden, was sie laut Schlagzeuger Christof Kather in die Lage versetzt, endlich auch einmal den Live-Aid-Song „We Are The World“ covern zu können. Für das Interview durfte ich den dreifach geimpften Ausnahmetrommler, sympathischen Technikmuffel und selbsternannten Hobbyhypochonder in seinem privaten Schlagzeugkeller besuchen. Seine FFP2-Maske nahm er nur kurz für das Foto ab. 

Ihr habt zeitgleich mit dem Release eurer Split mit OPTIMIST („Flat Earthers Ball“) euern Shouter Christian verloren. Erzähle doch bitte zunächst einmal etwas über die Gründe seines Ausstiegs.

Christian ist ein Macher und Planer. Als er vor fünf Jahren bei JAKA einstieg, dachte er, dass uns jemand wie er gefehlt hätte. Also jemand, der der zwar bekannten, jedoch irgendwie erfolglosen Band JAKA kommerziell bisschen auf die Beine hilft. Dass JAKA nie kommerziell erfolgreich sein wollten, weil sie eben lieber spielen wollen, als wirklich ernst machen zu müssen, war für Christian keine kleine Enttäuschung.

JAKA aber bedeutet Kunst und Error und eben nicht solides Handwerk.

Christian war seit 2016 bei euch. Er hat also sechs Jahre lang erfolglos versucht, euch erfolgreich zu machen und erst jetzt bemerkt, dass das nicht geht?

Dass irgendwas nicht stimmt mit JAKA, hatte er schon bald nach seinem Einstieg gemerkt. Dass ich zum Beispiel keine Drumcases habe und mein Schlagzeug zu einem guten Teil aus dem Sperrmüll kommt, hatte ihn schon anfangs irritiert. Am schlimmsten für ihn war aber bis zum Schluss die Art und Weise, wie bei JAKA die Songs entstehen. Die werden nämlich ebenfalls aus Versatzstücken zusammengeklebt, die andere Bands achtlos wegwerfen würden, und erst dann wird entschieden, wofür die Stücke überhaupt verwendet werden; während es sich doch eigentlich so gehört, dass eine Band sich etwas vornimmt, z.B. ein Album oder eine Split zu machen, und dann gemeinsam und konzentriert Material dafür erarbeitet. So richtig im Proberaum. Mit richtigen Instrumenten. JAKA aber bedeutet Kunst und Error und eben nicht solides Handwerk. Wer eigentlich was Handfestes, Verlässliches, Vorhersehbares braucht, fühlt sich nicht wohl in einer so glitschigen und niemals sich festlegenden Band wie JAKA. Bei uns werden Spontaneität, Witz, Humor, Heiterkeit groß geschrieben. Und zwar nicht nur, weil es sich bei diesen Begriffen um Nomen handelt. Systematisch, methodisch, fundamental hingegen schreiben wir klein.

Das sind ja auch Adjektive. Christians eigene Band, deren Name mir gerade nicht einfällt, ist handwerklich sehr fit.

Handwerklich sind DIAROE natürlich um einiges besser als JAKA. Aber handwerklich besser zu sein als JAKA, ist ja keine Kunst.

Ihr lasst einfach immer alles kommen und arbeitet viel mit dem Zufall. Das hast du in früheren Interviews schon oftmals dargelegt. Gerade aber nehmt ihr eigene alte Stücke noch einmal neu auf. Das habt ihr 2018 schon einmal gemacht für das Album „Back To Ze Roots“. In solchen Fällen geht ihr dann doch schon planvoll vor.

Okay. Erwischt. Manchmal planen auch JAKA. Es wird aber auch auf „Zurück Im Dreck“, so der Titel unseres zweiten „Back To Ze Roots“-Albums, einige Überrschungsmomente geben. Zum Beispiel werden da – inzwischen notgedrungen – viele Gastvocalisten zu hören sein. Erste Gäste haben ihre Beiträge schon eingesandt. Am Ende werden sicher nicht nur einzelne Gäste bestimmte Songs alleine singen, sondern auch verschiedene Leute auf denselben Tracks zu hören sein. Die Gäste sollen nämlich unabhängig voneinander dieselben Stücke besingen, was uns dann erlaubt, im Mix Stimmen zusammenzubringen, von denen im Moment noch niemand ahnen kann, wie geil sie zusammenpassen.

Caio / Credit: Ayla Fiend

Verrätst du uns die Gastsänger?

Jacob Bredahl macht eine Nummer, deren Text noch ins Dänische übersetzt werden soll. Ansonsten wollen mitmachen: Kris von KINSKI, Chaco von KEITZER, Julian von PROCESSOR, Gunnar von SERPENT EATER, Anselm von SHOCKGNOSIS, Christoph von GEOCIDE, Olgaczka von KACZKA, Hofi von CORNERPEST, Manni und Paula von SCHWULE NUTTENBULLEN, unsere Ex-Sänger Simon und Bony und ein gewisser Caio aus Brasilien.

Und Tom von SODOM.

Ach ja. Den haben wir ebenfalls angefragt und auch schon eine Zusage von ihm erhalten. Woher weißt du das?

Insiderinformationen zufolge war die Teilnahme von Tom der Hauptgrund für Christian auszusteigen, da SODOM sich Ende letzten Jahres nicht deutlich genug gegen Nazis ausgesprochen hatten, als sie das finnische Steelfest zunächst nicht hatten absagen wollen, obwohl bekannt geworden war, dass dort auch NSBM-Bands auftreten. Auf meine Nachfrage hin antwortete mir der Informant, dass Christian auch deswegen die Nase voll von JAKA hatte, weil insbesondere du als Banddiktator politisch keine klare Haltung zeigen würdest.

Da ich Christian versprochen habe, mich nicht zu den tatsächlich von ihm hervorgebrachten Scheingründen für seinen Ausstieg zu äußern, antworte ich mal nur auf die Frage nach der klaren Haltung. Viele wünschen sich ja Klarheit im Leben und bilden sich daher selbst gerne ein, eine klare Haltung zu haben. Also, eine solche haben zu können … naja, sie haben dann eben einfach eine. Und wenn ihnen dann jemand mehr so aus Versehen, also nicht aus böser Absicht, oder um sie zu erziehen, den Spiegel vorhält, einfach, indem er diesen menschlichen Wunsch nach Klarheit verlacht, fühlen sie sich verunsichert und werden deswegen schnell wütend.

War Christian wütend?

Er ist, glaube ich, wütend auf die Welt gekommen. Born to be wütend. Das ist ja für einen Death-Metal-Sänger nicht das Schlechteste. Ich hatte aber ja gesagt, dass ich nur auf das mit der Klarheit antworten wollte.

Gut. Hast du denn eine klare Meinung zu der SODOM/Steelfest-Sache?

Ich glaube Tom, dass SODOM zunächst nicht gewusst hatten, was das für Bands sind, die da noch aufs Billing gekommen waren nachdem SODOM schon zugesagt hatten. Als SODOM dann den Flyer gepostet hatten, auf dem neben ihnen selbst auch andere unbedenkliche Bands – aber eben auch die, vor allem in gewissen Kreisen bekannten NSBM-Bands standen, war es wohl zu einem Shitstorm gekommen. Daraufhin haben SODOM, bevor sie das Festival letztendlich gecancelt haben, zuerst noch einen auf trotzig gemacht. Weil sie sich von Shitstürmern keine Entscheidung aufzwingen lassen wollten. Das kann ich gut verstehen. Tom ist ein Metal-Urgestein. Früher stand Metal nicht gerade für Political Correctness, dafür aber gegen jede Art von Bevormundung. All das muss man mit in die Waagschale werfen. Ich meine, man kann doch SODOM, die niemals als Nazis aufgefallen sind – wahrscheinlich, weil sie eben keine sind, wie einer unserer anderen Gäste bemerkt hatte – wegen dieser Sache jetzt nicht als für alle Zeiten verbrannt betrachten!

Sollte man mit Nazis reden?

Ignorieren kann man sie ja nicht. Darum aber geht es bei der SODOM-Sache ganz und gar nicht. Nachdem Tom klar geworden war, dass es sich um tatsächliche Nazi-Bands handelt, dass eben von linker Seite aus nicht, wie leider viel zu oft, vollkommen übertrieben mit der Nazikeule hantiert worden war, hat er ja abgesagt. Mit Linken sollte man übrigens ebenfalls reden. Und allen voran mit solchen, die sich bloß links geben, indem sie mit Fingern auf Nazis zeigen, während sie gleichzeitig vollkommen einverstanden sind mit Sklaverei und Ausbeutung, ja, sogar als Rädchen im großen Ausbeutungsgetriebe die im allerweitesten Sinne rassistischen Strukturen unterstützen! Damit habe ich jetzt nicht gesagt, dass derjenige, der sich so verhält, ein genau so schlimmer Mensch sei wie die, mittels derer er seine eigene Menschenverachtung zu kaschieren versucht. Was aber nicht heißt, dass dem genau so ist.

Wie, dass dem genau so ist? Derjenige ist also genau so schlimm wie die Nazis?

Vielleicht nicht genau so schlimm. Mindestens aber genau so doof. Was die Sache mit Tom angeht, so haben wir die anderen Gastsänger gefragt, ob sie ein Problem damit hätten, nach diesem Steelfest-Fauxpas mit Tom auf einer Scheibe zu sein. Die Antworten waren, bis auf eine, durch die Bank reflektiert. Keiner beziehungsweise nur einer der angefragten Gäste sieht Tom und SODOM als Nazifreunde an.

Wer war der eine?

Das sage ich nicht. Ich habe dir schon die Gastsänger und Gastsängerinnen verraten, die wahrscheinlich dabei sein werden.

Du hast gerade von Ausbeutung und Rassismus gesprochen. Sind JAKA selber tatsächlich die Konsumverweigerer und Weltenretter, als die sie sich geben? Stimmt es zum Beispiel, dass bei JAKA nur zwei Leute ein Smartphone besitzen, wie Christian nach seinem Ausstieg auf facebook behauptet hat?

Inzwischen hat nur noch einer ein Smartphone – Christian ist ja ausgestiegen. Und bei dem verbliebenen Smartphone handelt es sich um eine Atrappe, die mit Liebesperlen gefüllt ist. JAKA fahren Auto, trinken Kaffee und sind weiß Gott nicht die Gutmenschen, für die sie von manchen aufgrund der Songtexte gehalten werden. Wir nehmen auch mit Atomstrom auf und pressen unsere Lieder auf Plastik. Wenn eine Entschuldigung hierfür vonnöten wäre, würde ich sagen, dass die eigentlich friedvollen und umweltbewussten Jedi-Ritter doch auch mit Protonentorpedos zum Todesstern reisen, um dort mal auf etwas hinzuweisen. Ich muss mich aber ja gar nicht rechtfertigen oder irgendetwas relativieren. Meine Texte beschreiben zeigefingerlos einfach nur die Zustände, wie sie sind. JAKA ist keine übermäßig politische Band.

Dann mal zu eurer doch recht politischen Split mit OPTIMIST. Richtig gut finde ich euer Intro darauf. „Wir sind friedlich, was seid ihr?“ War dieses Sample die Inspiration für den sehr geilen Text zu „Krieg Der Pazifisten“? Erzähl gerne mal was über den Entstehungsprozess dieser Split.

Wie unsere Kunst entsteht, habe ich schon viel zu oft erklärt. Das sagtest du ja selber gerade. Ich mache es aber gerne trotzdem mal wieder. Also: Nachdem die Stücke wie üblich aus achtlos hinimprovisierten Fragmenten entstanden sind, kristallisierten sich zwei davon heraus, aus denen man richtige Songs machen konnte. Aus einem der beiden wurde „Krieg Der Pazifisten“. Hierbei war zuerst der Titel da. Ein Oxymoron, welches jetzt nicht gerade vom Hocker haut, und welches ich, nachdem mir die Idee der kriegerischen Pazifisten gekommen war, wie zu erwarten bei Google als ein schon vorhandenes fand. Egal. Der Titel inspirierte mich dann zu den zu Bruch gehenden John-Lennon-Brillen und dem komplett in Blut schwimmenden Wendland, was schon lustigere und unikatere Bilder sind. Erst als der Text fertig war und der Gesang schon aufgenommen, kamen die Samples dazu. Und die suchte ich nur, weil dem Stück noch etwas vorausgehen musste, da es ansonsten zu plötzlich angefangen hätte. Ich stolperte dabei über einen Beitrag über den Hambacher Forst. Diejenigen, die da „Wir sind friedlich, was seid ihr?“ skandieren, sind also Baumretter und nicht, wie in der Rezension auf moshpitpassion.de vermutet, Corona-Leugner. In einer anderen Rezension wurde dem Stück unterstellt, dass es davon handeln würde, dass Hippies und Freaks Seite an Seite mit Neofaschisten durch die Straßen marschieren. Tatsächlich handelt es sich bei dem Stück aber um ein reines Fun-Stück, welches sich – wenn man denn unbedingt eine Message da reininterpretieren möchte – lustig macht über eine zu dualistische Weltsicht.

Das Sample kam also zuletzt?

Ja.

Und erst dann habt ihr OPTIMIST für eine gemeinsame Split angefragt? Also erst nach der Fertigstellung über den Nutzen dieser Aufnahmen entschieden, wie du sagtest?

Ja. Das ist immer so bei JAKA. Die letzten beiden Alben waren auch nicht als Alben konzipiert gewesen. Das heißt, am Anfang hatte nicht der Wunsch gestanden, ein weiteres Album zu machen. „Verk Ferever“ zum Beispiel ist aus verloren geglaubt gewesenen und dann doch noch zufällig geretteten Schlagzeugsessions entstanden. Da die Spielzeit nach dem Basteln für ein Album ausreichte, haben wir eben ein Album draus gemacht.

Letzte Frage: Wann kommt die schon länger angekündigte Split mit KINSKI? Und was wird darauf zu hören sein?

Krach, über den vor allem Mille und die anderen KREATOR-Jungs sich freuen werden. Die 7inch sollte eigentlich schon längst gepresst sein. Sobald wir sie haben, sagen wir bescheid.

https://www.japanischekampfhoerspiele.de/

Danke an unsere Gastautorin Rebekka Taylor-Lindenschmidt!