Desert Fest 2018 – Tag 2

Tag 2 des Desertfests. Erstaunlich spät – genau genommen fünf Minuten vor dem ersten Konzert – gibt die Security das Gelände frei. Dementsprechend wundert es nicht, dass High Reeper ein wenig verwirrt aus der Wäsche gucken, als gerade einmal zehn Leute vor der Bühne stehen. Doch niemand kann zu Black-Sabbath-Sound in Reinform – sogar mit einem Bass-Solo – nein sagen und so füllt es sich doch ziemlich schnell. Bei ein, zwei Riffs hat man schon das Gefühl, dass sie direkt von Sabbath kommen, doch die Band schafft es durch ihre Show, sich vom bloßen Plagiat fernzuhalten.

Zwischen den Gigs wird das kleine Merchdorf neben der Hauptbühne gut frequentiert. Hier gibt es nicht nur einen Stand mit T-Shirts und Alben der auftretenden Bands, sondern auch von den Labels Southern Lord, Heavy Psych Sounds Records und Burning World Records. Das prominente Medium ist natürlich das gute, alte Vinyl. Dazu haben auch Grafik-Künstler ihre Stände aufgebaut und bieten mühevoll gestaltete Konzert- und Tour-Plakate einschlägiger Bands aus dem Stoner-Bereich an. Das Festival-Plakat der diesjährigen Desertfest-Ausgabe kann sogar „Live“ angefertigt erworben werden. Apropos anfertigen, wer schon immer ein Tattoo haben wollte, hat ebenfalls auf dem Festival die Möglichkeit, sich Tinte unter die Haut schießen zu lassen.

Auf der Sidestage geht es unterdessen mit The Necromancers weiter. Die Band gehört zur jungen Garde und wird als Geheimtipp gehandelt. Der Auftritt ist sehr solide. Auch hier gibt’s wieder Stoner, der den Leuten vor der Bühne gut gefällt. Abgesehen von dem kernigen Gesang, hat die Musik allerdings nicht so viele Alleinstellungsmerkmale.

Damit beginnt quasi der „Swedish Takeover“ des Desertfests. Heute kommen ganze sechs Bands aus dem skandinavischen Land. Dead Lord machen den Anfang. Die Band hat sich durch viele furiose Live-Shows bereits einen Namen gemacht und liefert auch in Berlin so ab, dass es eine Freude ist. Die Setliste ist voller schneller Songs zum Mitsingen. „Don’t Give A Damn“, „History Repeats Itself“ oder auch das letzte Lied „Hammer To The Heart“ sind der Inbegriff von Rock’n’Roll! Wirklich eine sympathische Band und ein Power-Konzert!

Wenig später bei den Landsfrauen von MaidaVale ist die Luft mit ordentlich Trockeneis geschwängert. Sängerin Matilda Roth tanzt sich in einen Rausch, der die Band und nicht zuletzt auch das Publikum geradewegs in eine Zeit, in der Hendrix und Joplin noch dabei waren einen Eindruck auf die Musiklandschaft zu hinterlassen, katapultieren. Schön bluesige Musik zum sich verlieren.

Den Auftritt von Horisont leitet ein fast schon Electro-mäßiges Intro ein. Doch dann beginnen die Gitarren und geben Platz für das Synthesizer-Riff von „Odyssey“. Schon ab da haben die Schweden das Publikum für sich eingenommen. Es gibt Retro-Rock vom feinsten mit eingängigen Stücken wie „Electrical“, „The Hive“ und „Writing On The Wall“, immer auch mit einem Hauch 70er Prog verwoben. Vor der Bühne wird die gesamten vierzig Minuten Party gemacht und im Endeffekt hätten Horisont auch noch länger spielen können.

Von kompakten Rocksongs, geht es danach wieder zu ausgedehnten, halb-instrumentalen Liedern. Wer mit Colour Haze und Causa Sui etwas anfangen kann, versammelt sich um King Buffalo zu sehen. Wobei, wenn man einen Blick ringsherum wirft, merkt man, dass das US-amerikanische Trio nicht nur Spartenprogramm zu machen scheint, denn es ist proppenvoll! Der erste Song muss gleich abgewürgt werden, der Gitarrist hat Probleme und kriegt keinen (lauten) Ton mehr aus seinem Instrument. Hektisch werkelt er zusammen mit dem Bassisten herum, der Drummer füllt die Stille mit einem Solo, bevor das Konzert dann umjubelt weiter gehen kann.

In eine ähnliche Kerbe (minus der Soundprobleme) schlagen Elder. Auch hier orientiert man sich an teils meditativen, teils wummernden Rock-Jams. Begleitet wird die Show von einer psychedelischen Projektion mit verschiedenen Formen und Farben die im Hintergrund an eine Leinwand geworfen werden. Für viele im Publikum ist das Konzert eine intensive Erfahrung und am Ende wird laut applaudiert.

Aus der Asche der deutschen Band The Oath entstanden, wundert es nicht, dass Lucifer eine ähnliche Schiene fahren. Occult Rock mit visuellen Reminiszenzen an alte Hammer-Horror-Filme und eine Frontfrau, die sowohl stimmlich, wie äußerlich an die Sängerin der legendären Coven erinnert. Der Sound ist schön satt, schließlich hat man ganze drei Gitarristen (ein Instrument übernimmt zudem der Basser von Dead Lord) auf der Bühne. Zusammen mit verhängnisvollen Doom-Riffs und mystischem Gesang ergibt das einen sehr stimmungsvolle Live-Atmosphäre.

Am Samstag headlinen Graveyard. Diese haben den Hauptspot auch wahrlich verdient. Die Songs changieren mit Leichtigkeit zwischen harten Riffs und gefühlvollen Blues-Einlagen. Gerade dieser Wechsel kommt Live noch viel mehr zum Tragen. Da sie im Begriff sind ein neues Album zu veröffentlichen, hört man natürlich auch einige neue Songs (u. a. „Walk On“, „The Fox“ und das zum Headbangen anregende „Please Don’t“). Auch hier fällt wieder sehr auf, wie schade es ist, dass keine Zugaben gegeben werden.

Gegen Ende des Konzertes merkt man immer mehr, dass das viele Stehen doch ziemlich auf die Beine geht. In der Halle selbst sind leider nicht genügend Sitzmöglichkeiten und häufig bleibt – zumindest als Fotograf und Journalist – gar nicht viel Zeit sich eine Verschnaufpause zu gönnen, denn wie bereits im letzten Bericht erwähnt, folgen die Bands gerade zum Ende des Tages sehr zackig aufeinander. Es ist natürlich toll, wenn alles so naht- und reibungslos abläuft, aber die Entspannung geht so ein bisschen über Bord.

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