Bereits in der Berliner S-Bahn kann man ausmachen wer auf dem Weg zum Spreeufer ist, um dem heiligen Riff zu huldigen und drei sonnendurchflutete Festivaltage zu genießen. Zu den „normalen“ Metalheads gesellen sich nämlich auch eine Menge Leute in Schlaghosen, geblümten Hemden und Kleidern, Schnauzern und sogar Backenbärten. Ach ja die 70er waren schon die beste Dekade, oder? Naja, zumindest die Mucke dieser Zeit strotzte vor Energie und Freiheit. Genau deshalb gibt es so viele Bands die diesen Sound neu interpretieren und aufleben lassen; und um die zu hören, strömt man nun zum Desertfest 2018!
Die Pforten des Festivals sind noch nicht geöffnet, also erst einmal das Bändchen holen und das größere Areal der Arena begutachten: Die Halle, welche wohl mal einer Fabrik Platz geboten hat, wirkt schon von außen riesig. Auf der Rückseite liegt das „Glashaus“, in dem die Aftershow-Partys stattfinden und eine Strandbar, die nicht zum Festivalgelände gehört und die man anscheinend als Desertfest-Besucher nicht betreten darf (von der Security kommt nur ein ruppiges: „Geh weg, du hast hier nichts verloren“…)
Das Festival-Gelände selber liegt direkt an der Spree. Der Platz vor dem Eingang der Arena ist mit aus Holzpaletten gezimmerten Sitzgelegenheiten bestückt und drumherum stehen einige Foodtrucks und Essensstände. Mit einem Blick zum Himmel verlässt man ein wenig wehmütig das sonnig-warme Wetter und geht in die Halle. Drinnen müssen sich die Augen erst einmal an die Dunkelheit gewöhnen. Dann merkt man doch sehr schnell wie riesig die Halle wirklich ist, und das, obwohl ein gutes Drittel für Bühne, Technik und Künstlerbereich abgesperrt und mit großen Stoffwänden verhangen ist, die von Beamern mit psychedelischen Mustern bestrahlt werden.
Vonavibe aus Griechenland haben letztes Jahr den „Road To Desertfest“-Contest gewonnen und so den Openingslot auf der kleinen Bühne ergattern können. Das Quartett hat sich Heavy Metal mit viel Rockappeal auf die musikalischen Fahnen geschrieben und bemüht sich, Stimmung in die Bude zu bringen, so unter anderem auch mit dem aufgepeppten Stones-Cover „Paint It Black“. Die gut hundert Zuschauer quittieren die Musik mit wohlwollendem Applaus, aber man merkt, dass das Publikum nicht ganz warm wird.
Dafür lässt dann aber der erste kleine Höhepunkt des Festivals nicht lange auf sich warten: Der hypnotische Psychedelic Rock von Pretty Lightning! Die Band fabriziert kurze, aber in den Nacken fahrende Songs, bei denen die Gedanken in andere Welten abschweifen. Die beiden Herren sind sowieso ein Bild für sich: Der Drummer mit fast monotonem, aber sehr treibendem Spiel und der Gitarrist sich mal im Takt wiegend, mal über’s Mikrofon gebeugt verzerrten Gesang über den basslastigen Sound wabern lassend. Das mittlerweile stark angewachsene Publikum geht nach dem Konzert gut gelaunt zur Hauptbühne.
Schon jetzt, aber auch im weiteren Verlauf des Festivals, merkt man wie eng getaktet die Konzerte sind. Keine Band gibt Zugaben oder hält sich noch sonderlich lange nach dem Konzert auf der Bühne auf. Sobald das letzte Lied verklungen ist, ertönt schon der nächste Soundcheck. So auch im Falle von Church Of Misery. Die japanischen Doom-Helden liefern definitiv eine intensive Show ab. Eine dicke Wall-Of-Sound mit fettem Bass-Spiel, morbide Texte über Serienmörder und ein Sänger mit einer einnehmenden Präsenz – inklusive Ozzy-Osbourne-Posen – verbinden sich zu einer fuzzigen Mixtur, in die das Publikum im Song „Born To Raise Hell“auch mit einstimmt. Vielleicht liegt es auch an der sich aufheizenden Halle, aber man kommt richtig ins Schwitzen!
Zurück geht’s zur Side-Stage. Ein wissendes Lächeln geht durch die Runde, als das Show-Intro von Death Alley aus den Boxen kommt. Die Niederländer haben sich nämlich dafür Black Widows Klassiker „Come To The Sabbath“ ausgewählt. Der Sänger hat zu beginn noch etwas Probleme mit dem Sound und über die ersten ein, zwei Songs ist er fast gar nicht zu hören. Was an Lautstärke noch nicht da ist, macht der Sänger durch eine energetische Show wett und füllt agil die ganze Bühne aus. Für viele im Publikum ein weiterer Höhepunkt.
Zu den „besonderen“ Konzerten gehört das der Stoner-Rocker Nebula. Diese feiern in Berlin eine Reunion. Dementsprechend haben einige in der Menge darauf gewartet. Wer die Musik nicht kennt, wird sich aber vielleicht an die Tony-Hawk-Reihe erinnern, zu der die Band mehrere Songs beigesteuert hat. Die Show startet noch als langsamer Jam, doch dann wird schnell klar, dass hinter der Musik ordentlich Kraft steckt. Die Setlist konzentriert sich erstaunlicherweise mehr auf die EP, denn auf die Studio-Alben, wobei natürlich auch Songs wie „To The Center“ und „All The Way“ vertreten sind.
Als nächstes wird es lauter! Und das um ein gutes Stück, obwohl man meinen sollte, dass es kaum mehr möglich ist. Die Menge ist schon beim Soundcheck angefixt und der folgende extrem zähe Stoner-Metal von Monolord zerstört! Bassist und Gitarrist reißen ihre Instrumente herum und hämmern einen ohrenbetäubenden Sound aus ihnen raus. Die über die Verstärker gehängt Banner vibrieren richtig durch den Klang. Nach dem Konzert kann man getrost dem Hype um diese Band zustimmen!
Die Zeit vergeht doch sehr schnell und wenn man den Anspruch hat alle, oder zumindest so viele Bands wie möglich zu sehen hat man kaum Zeit draußen etwas zu essen oder Sonne und Bier zu tanken. Vor der Mainstage stimmt gerade das wartende Publikum lautstark in das abgespielte „War Pigs“ ein. Dann ist es auch schon Zeit für Monster Magnet, den Headliner. 1989 gegründet, sind sie auf jeden Fall Veteranen und wissen, wie man die Meute anheizt. Sie spielen zwei Sets, das erste mit neun saftigen Rocksongs zum mitsingen („Space Lord Motherfucker“) und nach einer kurzen applaudierenden Pause gibt es noch einmal „Spine Of God“, das mit langen siebzehn Minuten eher die psychedelische Seite von Monster Magnet abdeckt. Im Endeffekt dauert das Konzert aber eine Viertelstunde weniger als erwartet.
Zwischen Headliner und letztem Act versammeln sich die Besucher um eine kleine Bühne, die etwas abseits steht und schon während des Tages immer wieder Fotografen angezogen hat. Darauf performt die „One Love Machine Band“, ein Projekt des Berliner Künstlers Kolja Kugler, der Roboter aus Metalschrott baut. Diese spielen ein kurzes, programmiertes Set. Eine nette Idee, der doch einige Menschen zuschauen!
So, und wer glaubt, die Lautstärke von Monolord ließe sich nicht toppen, hat nicht mit Weedeater gerechnet. Auch die Amerikaner bieten Stoner-Doom, aber legen im Vergleich noch eine abgefuckte Aggressivität und Dreckigkeit oben drauf, die man selten bei Auftritten sieht. Besonders der Basser ist ganz vorne mit dabei, grimassiert und keift das Publikum mit vom jahrelangen Zigaretten- und Alkoholkonsum gebeutelter Stimme an, ohne das man groß ein Wort verstehen könnte. Im Grunde klingt die Musik so, wie man sich einen Horror-Trip vorstellen würde. Die Band muss man einmal erlebt haben!
Auch wenn man schon am Ende des ersten Tages unterschwellig merkt, dass einige Bands doch irgendwie sehr ähnlich klingen, waren doch einige positive Überraschungen dabei. Morgen bitte weiter so!
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