Buchrezension: Sarah Chaker – Schwarzmetall und Todesblei

schwarzmetall-und-todesbleiKlaus Miehling, ein engagierter Autor und besorgter Bürger, hat schlechte Nachrichten: „Rockmusiker und ihre Musik sind böse, sie propagieren Gewalt und Kriminalität, sie geben ein schlechtes Vorbild ab.“ Ja, richtig gelesen. Auch im Jahr 2006 werden immer noch Bücher veröffentlicht, die das Bild vom gewaltbereiten und stets betrunkenen Sittenstrolch vor die Augen der Öffentlichkeit rufen, wenn von Metal die Rede ist.

Die gute Nachricht: Sarah Chaker, promovierte Musikwissenschaftlerin aus Oldenburg, räumt in ihrer überarbeiteten Dissertation „Schwarzmetall und Todesblei“ mit unzeitgemäßen und vor allem unwissenschaftlichen Stereotypen auf. Selbst eine erfahrene DJ im Bereich des Extreme Metal, liefert sie eine soziologische Analyse der Death- und Black-Metal-Szenen in Deutschland, die interessante Einblicke in die Lebensgewohnheiten der Szenegänger bietet.

Wohlgemerkt: Es handelt sich bei dem 500 Seiten starken Wälzer um eine wissenschaftliche Arbeit, so dass der Buchtitel das einzige Fünkchen Belletristik darstellt, das man hier finden kann. Dementsprechend zäh lesen sich weite Passagen der Arbeit, die von „qualitativem Methodendesign“ oder „quantifizierenden Strukturdaten“ handeln. Hier kann man entweder standhaft bleiben oder einfach ganze Kapitel überspringen; spätestens bei den Ergebnissen von Chakers empirischen Erhebungen wird es interessant. Neben demographischen Daten zu Alter, Bildungsstand, Beruf oder Wohnpräferenz gibt es Aufschluss über parteipolitische Orientierung, Hobbys, Alkoholkonsum und Szeneaktivitäten des durchschnittlichen Black- bzw. Death-Metal-Fans.

Es zeigt sich hier – wer hätte das gedacht? – dass Rockmusik zwar böse aussehen kann, sich ihre Anhänger aber dennoch in der Regel einer schönen Kindheit erfreut haben und ihrer Zukunft eher optimistisch entgegen blicken (Black-Metal-Fans natürlich im Vergleich etwas weniger). Es ist Chakers großer Verdienst, die extreme Metal-Szene aufgrund verlässlicher Daten als produktives und popkulturell relevantes Gefüge auszuweisen, in dem sich junge Menschen kreativ und aufopferungsvoll engagieren. Und das muss, wie das eingangs genannte Zitat deutlich macht, auch im Jahr 2014 noch immer gesagt werden.

 

Chaker, Sarah: Schwarzmetall und Todesblei. Über den Umgang mit Musik in den Black- und Death-Metal-Szenen in Deutschland. Archiv der Jugendkulturen Verlag, Berlin 2014. 500 Seiten. 28,- Euro. Buch ist unter diesem Link erhältlich.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*