Bernhard Schlink/Walter Popp „Selbs Justiz“

Zuerst war ich ja wenig begeistert, als ich dieses Buch unterm weihnachtlichen Gabentisch vorfand, hatte mir meine Mutter doch vor zwei Jahren Schlinks Bestseller ‘Der Vorleser’ geschenkt, an dem ich überhaupt keinen Gefallen fand. Folglich machte ich natürlich erst einmal ein unglückliches Gesicht und meine Mutter dadurch traurig. Shit happens, und oft sogar unnötigerweise, denn das Buch hat mir dann doch gefallen.

Es geht um einen 68jährigen Privatdetektiv namens Selb, der Ende der achtziger Jahre von einem Chemiekonzern den Auftrag erhält, einen Hacker, der an ihrem Computersystem rummanipuliert, dingfest zu machen. Das bekommt er klarerweise locker hin, aber er wird dabei in für ihn höchst unnetter Weise mit seiner eigenen Vergangenheit als überzeugter NS-Staatsanwalt konfrontiert. Dabei ist es höchst beglückend zu sehen, daß sich Hr. Selb seitdem trotzdem zu einem halbwegs brauchbaren Menschen entwickelt hat, der vernünftige Lebensansichten hat (die man zuerst erfährt, was einem das Sympathisieren ziemlich er-leichtert). Gibt ja ein bißchen Hoffnung in bezug auf die vielen noch immer übrig gebliebenen Idioten…

Daneben wird von dem alten Herren noch in unterschwelliger Weise immer wieder Kritik an der heutigen Zeit geübt, die mich besonders aufgrund ihres Sprachwitzes immer wieder zum Schmunzeln zu bringen wußte. Wer also Bücher mag, die die Bewohner unseres geliebten Vaterlandes und ihr Verhalten immer wieder durch den Kakao zeihen, dabei eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus aus Sicht der Akteure selbst nicht scheut und der Menschen durchaus zutraut, daß sie sich ändern, kann ja mal reinschauen. Und alle Krimi-Freaks natürlich sowieso.
Diogenes, ISBN: 3-257-21543-6, DM 16,90 für 290 Seiten

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