Withering Surface Interview

Bei Withering Surface, einer melodischen Death Metal-Truppe aus Kopenhagen, war die Diskrepanz zwi-schen euphorischen Reaktionen einerseits (in der Presse) und Ignoranz (bei den Fans) immer besonders kraß. In ihrem Heimatland eine bekannte und angesehene Heavy Band, konnten die Dänen im restlichen Europa nie so richtig Fuß fassen. Nun, neues Album, dritter Versuch. „Walking on Phantom Ice“ ist schlichtweg ein mitreißendes, an Höhepunkten nicht armes, melodisches Death Metal-Album geworden, dass den bekannteren Acts des Genres locker das Wasser reichen kann und allen Schweden-Fans zeigt, was sie da bisher verpaßt haben. Aber wie heißt es so schön: es ist nie zu spät. Außerdem ein guter Grund, Michael Andersen, Sänger und Kopf der Truppe, nebenbei noch Mitglied der Black Metal Band Thorium und Boss von Mighty Music, eines schönen Samstagmorgens aus dem Bett zu klingeln…

Michael, wir hatten ein Interview mit dir und Allan in unserer 6. Ausgabe, kurz nach dem Debüt im Dezember 1997. Eigentlich wolltet ihr ja gleich wieder ins Studio Fredman, um das nächste Album aufzunehmen, das dann im Frühjahr 1998 rauskommen sollte. Allerdings war es dann doch Januar 99 als „The Nude Ballet“ endlich in den Regalen stand. Was ist passiert…?
Wir gingen ungefähr 3 Monate später ins Studio. Nachdem wir das Album dann fertig aufgenommen hatten, haben wir das dümmste getan, was eine Band in der Situation tun konnte. Nämlich nichts. Ich meine, wir hatten die Songs aufgenommen, das Album produziert und abgemischt, und dann standen wir da und fragten uns, wie das Konzept unserer Platte überhaupt aussehen sollte. Wir hatten uns über das ganze Drumherum wie Cover-Artwork, Gestaltung der CD…etc. noch überhaupt keine Gedanken gemacht, was ziemlich dumm von uns war. Eine Band sollte, abgesehen von der Musik, schon konkrete Vorstellungen und Ideen über das Gesamtkonzept haben, bevor sie ins Studio geht. Die übrigen Bandmitglieder haben wohl auch gedacht, dass ich mich um all diese Dinge kümmern würde. Leider war ich aber zu der Zeit in einer Phase, wo es mir nicht so gut ging, ich habe viel getrunken und solche Sachen. So verging die Zeit, ohne das was passierte. Letztendlich haben wir das Album im Dezember 97 in Dänemark rausgebracht, Anfang 98 dann im Rest Europas. Man muß sagen, dass wir völlige Kontrolle hatten über das, was wir taten und, abgesehen von der Musik, leider nicht in der Lage waren, damit umzugehen. Als unser Plattenlabel dann gemerkt hat, das wir das nicht in die Reihe bekommen, haben sie versucht, uns zu unterstützen und unter Druck zu setzen. Wir haben das alles einfach zu easy genommen.

Wie lief denn die Zusammenarbeit mit eurem Label, Euphonious Records? Gab‘s da Probleme? Nach dem 2. Album habt ihr ja dann zu Copro gewechselt…
Nein, mit Euphonious gab es keine Probleme. Die Verzögerungen bei „The Nude Ballet“ waren, wie gesagt, allein unsere Schuld. Wenn ich heute jetzt so zurückblicke, dann weiß ich wirklich zu schätzen, was Euphonious damals für uns getan haben. Zu der Zeit, als wir unser erstes Album aufnahmen, waren wir völlig unbekannt, nur eine Handvoll Leute in unserer Gegend kannte uns. Wir haben all unser Ersparnisse in dieses erste Album gesteckt, das waren für jeden von uns etwa 1500,- DM. Diese Vorgehensweise, das Album selbst zu finanzieren, war für eine Newcomer-Band wie wir durchaus üblich. Man kann von einer kleinen Plattenfirma wie Euphonious nicht erwarten, das sie einer unbekannten Gruppe das Debüt vorfinanziert. Für uns allerdings wurde mit dem ersten Album ein Traum war. Nachdem es sich dann auch ganz ordentlich verkauft hat, haben Euphonious für das 2. Album die kompletten Studiokosten übernommen und alles bezahlt. Ich denke, wenn man mit Musikern über ihre Labels spricht, wird man keinen finden, der hundertprozentig zufrieden ist, irgendwas gibt’s immer zu bemäkeln. Euphonious haben für uns getan, was sie tun konnten, und dafür bin ich ihnen dankbar. Nach dem 2. Album war allerdings klar, dass wir sie verlassen würden, da sich ihre Möglichkeiten erschöpft hatten und wir einen Schritt weiterkommen wollten. Mit Peter von Euphonious bin ich auch nach wie vor befreundet. Er hat, genau wie ich, ‘ne Band und ein Label, allerdings geht das bei ihm mehr in Richtung Techno, Ambient, während Mighty Music ein Death Metal Label ist. Um ehrlich zu sein, kann er mit Death Metal auch nicht viel anfangen, was mit ein Grund war, dass wir Euphonious verlassen haben.

Nach „The Nude Ballet“ haben Jacob Grundel (dr) und Morten Ryberg (g) die Band verlassen…
Jacob Grundel war der erste Drummer, mit dem ich in meinem Leben zusammen gespielt habe. Ich glaube, er war erst 10-11 Jahre alt, als wir uns trafen, und er war wirklich ein großes Talent. Ca. zwei Monate nach den Aufnah-men von „The Nude Ballet“ war es klar, dass die gesamte Band nach Kopenhagen ziehen würde. Für Jacob, der damals gerade 17 geworden war, bedeutete das ein ständiges Hin- und Herfahren zwischen seinem Heimatort und Kopenhagen, und das war nicht das, was er wollte. Es war eine Frage von Zeit und Geld. So beschloß er, die Band zu verlassen. Er war wirklich ein sehr, sehr guter Musiker und spielt jetzt in einer Jazz-Band.
Mit Morten Ryberg war das anders: er hatte ein sehr großes Ego. Wenn wir geprobt haben, hat er immer das große Wort geführt und allen anderen vorschreiben wollen, was zu tun sei. Irgendwann war das einfach nicht mehr auszuhalten. Er hatte auch etwas von diesem „I’m a Rock Star“-Gehabe, während der Rest der Band eher ruhige Typen sind. Wir haben uns dann alle zusammengesetzt und Morten klargemacht, dass es so nicht weitergehen konnte. Bei Gigs wollten wir auch wirklich spielen, Morten war da eher der Typ, der Gras rauchen und nach Groupies Ausschau halten wollte, hahaha…

Kann es vielleicht auch sein, dass Allan einer dieser abgehobenen „Richie Blackmore/Ingwie Malmsteen“ Gitarristen ist? Es ist ja offensichtlich immer der 2. Gitarrist, der es nie lange bei euch aushält…
Nein, überhaupt nicht. Allan, Kaspar und ich, wir sind das Herz von Withering Surface. Wir sind die Gründungs-mitglieder und wir verstehen uns, nicht nur beim Musik machen, sondern auch mental. Aber um nochmal auf Mor-ten zurückzukommen, ich mag Morten wirklich sehr gerne, und wir spielen auch in Thorium, meiner anderen Band zusammen. Thorium ist wahrscheinlich auch das geeignetere Forum für Leute mit großem Ego, Leute wie Morten eben, haha…

Wenn du sagst, dass du, Kaspar und Allan das Herz von Withering Surface seit, heißt das, die restlichen Musiker sind nur Session-Musiker und austauschbar?
Ja und nein. Wir haben im Moment das stärkste Line-up in der Geschichte von Withering Surface zusammen, und ich möchte nicht, dass es auseinanderbricht. Ich weiß sicher, dass wir drei, Kaspar, Allan und ich, die Band nicht verlassen werden. Was unseren Drummer Nicolay betrifft, der jetzt ja auch schon eine ziemlich lange Zeit dabei ist, da kann ich sagen, er lebt für die Musik. Auch er wird die Band nicht verlassen. Ob unser Keyboarder bleiben wird, das weiß ich nicht. Ob unser zweiter Gitarrist bleiben wird, das weiß ich auch nicht. Dies alles ist schwer vorherzusehen, ich kann nur für mich sprechen, und ich werde versuchen, die Band zusammenzuhalten, so wie sie heute ist. Sollten die anderen beiden, also Kaspar und Allan aber je beschließen, die Band zu verlassen, dann werden wir wahrscheinlich aufhören. Ich kann mir nicht vorstellen, sie durch anderen Musiker zu ersetzen.

Für „The Nude Ballet“ wurdet ihr für einen (dänischen) Grammy vorgeschlagen, eure Songs wurden im Radio gespielt, in Roskilde habt ihr einen Gig auf dem größten Open-Air Rockfestival in Europa gespielt. Ihr hattet großartige Kritiken in vielen Magazinen. Das schaut für mich nach ordentlicher Promotionsarbeit aus, man hatte das Gefühl, ihr standet kurz vor dem Durchbruch. Nun, der Durchbruch kam nicht, was lief falsch?
Es ist ziemlich einfach, in deiner Biographie zusammenzufassen, was richtig gelaufen ist. Zumindest, wenn man Kriterien zugrunde legt wie: wieviele Leute kaufen dein Album, wieviele werden auf die Band aufmerksam. Für den Grammy nominiert zu werden, war für uns eine große Erfahrung. Heute abend gehe ich übrigens auf die diesjährige Grammy-Party, kostenloses Saufen angesagt, haha. Roskilde war ebenfalls eine großartige Sache. Hier in Dänemark haben wir alles richtig gemacht, alles lief sehr gut. Wir sind hier als Hardrockband etabliert und bekannt. Wo’s nie geklappt hat, das war außerhalb Dänemarks. Im nachhinein denke ich, die Ursachen lagen im schlechten Vertrieb und vor allem an fehlendem Touring. Ich denke, Withering Surface sind eine bessere Band auf der Bühne als im Studio. Es war immer unser größtes Ziel, in Europa zu touren, wir haben zwar einige kleinere Sachen gehabt, aber eine richtige lange Tour haben wir nie gespielt. Ja, was hauptsächlich falsch lief, war die Tatsache, dass wir, nachdem „The Nude Ballet“ draußen war, keine Tour zustande bekommen haben, wir unseren Namen nicht in Europa verbreiten und die Band bekannt machen konnten. Euphonious waren dazu auch nicht in der Lage uns außerhalb Dänemarks stark zu promoten. Nachdem sie das Album in Europa veröffentlicht hatten, haben sie nicht mehr viel getan. Es schien, als hätten sie irgendwie den Glauben in die Musik verloren.

Kannst du bei der Gelegenheit mal ein paar Worte über das dänische Radio verlieren. In deutschen Ohren klingt das ja unglaublich, dass man im Radio Heavy Metal/Death Metal hören kann. Ist es in Dänemark ge-nauso wie in Finnland, wo Truppen wie Nightwish oder Children of Bodom sogar in den Charts vertreten sind?
Nein, die Zeiten sind vorbei. Vor 4 Jahren gab es eine Sendung im staatlichen dänischen Radio, wo man Metal, Punk, Hardcore Musik spielte, aber die Sendung ist mittlerweile eingestellt. Es ist heutzutage unmöglich, Airplay im staatlichen dänischen Radio zu bekommen, wenn man Metal spielt, es sei denn, es steckt eine wirklich tolle Ge-schichte dahinter. Natürlich können einige Leute jetzt einwenden, dass die Musik, die hier im Radio gespielt wird immer noch sehr hart ist, weil sie ’ne Menge Nu Metal spielen, wie Stained, Nickelback, Linkin´ Park (Um ehrlich zu sein, mag ich die Musik auch, haha. Es ist immer gut, wenn „ rauchende“ Gitarren im Vordergrund stehen an-stelle von lebloser, EBM-Musik). Extremer Metal wird hier nicht im Radio gespielt und kommt erst recht nicht in die Charts. Die einzige dänische Heavy Metal Band, die es in die Charts packt, sind die Pretty Maids. Da bleiben sie zwei Wochen, dann sind sie wieder draußen. Wie in Finnland ist es hier leider überhaupt nicht…

Im November letzen Jahres kam dann das aktuelle Album „Walking on Phantom Ice“ raus. Habt ihr 1999 / 2000 ‘ne kleine Pause eingelegt?
Nein, haben wir nicht. Die Band gibt es jetzt etwa siebeneinhalb Jahre, und ich wüßte nicht, was ich mit meiner Zeit anfangen sollte, wenn ich nicht mindestens einmal die Woche proben könnte. Das gleiche gilt auch für die anderen Jungs. Mir mögen es einfach zusammen zu sein, zu proben, Musik zu machen, das gibt uns den gewissen Kick, und so verging auch die Zeit, bevor „Walking on Phanton Ice“ anfing Gestalt anzunehmen.

„Walking on Phantoms Ice“ ist meiner Meinung nach dann auch ein großartiges Stück melodischen Todes-metalls geworden, wie ihn alle Schweden-Freaks lieben. Ich finde allerdings, dass ihr den melodischen Anteil stärker betont, ja eigentlich fast schon Elemente des traditionellen HM in eure Musik mit einfließen. Kannst du dem zustimmen? Und seht ihr euch überhaupt noch als „Death Metal“-Band?
Wenn mich Leute fragen, welche Art Musik wir spielen, antworte ich meist: wir spielen extremen Metal mit einem melodischen Touch. Muß man konkreter werden, würde ich schon sagen, wir spielen melodischen Death Metal. Der Begriff paßt ganz gut, und obwohl es schwierig ist diese Musik näher zu charakterisieren, denke ich doch, dass noch sehr viel Death Metal darin enthalten ist. Nehmen wir einen Song wie „Separation“, das ist ein schneller, aggressiver Song. Das ist Death / Trash. Wir haben aber auch schon ein Review aus Schweden bekommen, die schreiben, wir spielen Death-Punk…

Was unterscheidet das Album von dem vorhergehenden, musikalisch gesehen?
Als wir das „Unique“-Demo aufgenommen haben, als ich die Leute für „Withering Surface“ endlich gefunden hat-te, wollte ich keine Band haben, die diesen brutalen Knüppel-Death Metal mit Splatter/Gore-Texten à la Cannibal Corpse spielt, das wollte zu der Zeit ja jeder spielen. Mein Ziel war melodischer Death Metal mit einem schwedi-schen Touch. „Unique“ wurde dann aber irgendwie ein Konglomerat aller Ideen der einzelnen Bandmitglieder, was bedeutet, die Musik war Death Metal, die Musik war thrashig, die Musik war Doom, die Musik war Black Metal, eine Kombination vieler Dinge. Ich würde nicht sagen, das war ein Problem, aber wir mochten damals viele unterschiedliche Musik, und es war schwierig für uns zu sagen, wir spielen jetzt diesen Stil, wir kombinieren diese unterschiedlichen Stile in unseren Songs. Das mußte sich alles erst mal finden.
Gegenüber dem Vorgänger gab’s aber auch leichte Änderungen…
Als wir ins Studio gingen, um „The Nude Ballet“ aufzunehmen, hatten wir eine klare Vorstellung von dem, was wir wollten, und was wir wollten war, ein Album aufzunehmen, auf dem wir zeigen konnten, wie gut wir technisch geworden sind. Wir wollten eine klare Produktion, und die haben wir auch bekommen. Im Endeffekt glaube ich, dass die Produktion zu klar, geradezu klinisch geworden ist. Aber wir haben den Leuten gezeigt, dass wir es technisch drauf haben, haha. Auf dem neuen Album ist es eher so, dass wir den Leuten zeigen wollten,“ that we have balls“, dass wir gleichzeitig aber auch mehr „groovy“ sein konnten. Unsere Produktion war deshalb auch viel heavier. Und schlußendlich wollten wir die melodischen Elemente in unserer Musik mit hartem Death Metal kombinieren. Ich halte unser letztes Album nach wie vor für ein gutes Album, aber wenn ich es mir heute anhöre, wird mir auch klar, dass ich das heute nicht mehr so machen wollte. Alles zu klinisch sauber, ich mag’s heute mehr dreckiger, wenn du weißt, was ich meine…

Die größte Überraschung gab’s hingegen bei den Texten. Das lyrische Konzept der ersten beiden Alben beinhaltete, eher ungewöhnlich für eine Death Metal Band, fast ausschließlich erotisch-sinnlische Themen. Auf „Walking on Phanton Ice“ ist davon nichts mehr übrig. Enttäuscht von der Liebe, Michael…?
Ja, weißt du, ich hatte einen Autounfall, da hab ich meinen Penis verloren. Nix mehr mit Erektion, haha. Also, als ich die Texte für die ersten beiden Alben schrieb, mochte ich die Thematik sehr. Ich denke, die stärksten Gefühle, die ein Mensch haben kann, sind entweder Lieber oder Haß. Kombiniert man beides, entsteht ein sehr explosiver Cocktail. Aber um ehrlich zu sein, ähem, mir sind einfach die Ideen ausgegangen. Ich konnte diese Sorte Texte einfach nicht mehr schreiben. Etwa 30-40 Lieder hatte ich über das Thema geschrieben, es aus allen möglichen Blickwinkeln ausgeleuchtet, am Ende lief das Songwriting automatisch in eine andere Richtung. Auf dem neuen Album gibt es aber auch noch Texte darüber, „Night of Shame“ zum Beispiel, aber größtenteils behandeln die Songs andere Themen. Man ist ja auch älter geworden, keine „Twisted Sister“-Lyrics mehr, haha. Ich denke bereits über das nächste Album nach. Es wird textlich mehr bodenständige Themen enthalten, über einen selbst und seine innere Gedankenwelt, wie man sein Leben gestalten möchte und solche Dinge.

Was steckt hinter dem Titel „Walking on Phantom Ice“, und wovon handelt der Titeltrack?
Als ich vor ein paar Jahren mit meiner Freundin Urlaub in Ungarn machte, standen wir an einer Bushaltestelle und der Gedanke schoß mir plötzlich durch den Kopf: „Walking on Phantom Ice“. Ich dachte nur: „Oh, großartiger Titel“. Es ist oft so, dass ich nicht zu hause in meiner gewohnter Umgebung bin, wenn ich die mir Titel ausdenke und Texte schreibe, sondern einen gewissen Abstand vom täglichen Einerlei brauche, um Einfälle/Inspirationen zu bekommen. Der Titel selbst soll folgendes verdeutlichen: du glaubst, du hast dein Leben unter Kontrolle, du glaubst du hast genug Geld auf der Bank, ‘ne Freundin und einen Job. Aber das Leben ist alles andere als sicher, morgen schon kann sich alles ändern, niemand ist in der Lage, vorherzusehen, was sein wird. Der Titel symbolisiert das dünne Eis auf dem wir uns bewegen, jederzeit kann es brechen, und es sind gerade die kleinen Dinge, die dein Leben ruinieren können.

Was ist denn für dich eine „freudlose Reise“, übrigens einer der besten Songs auf der Scheibe? Für mich wäre das eine Reise ohne Wiederkehr…
Ja genau. Als ich diesen Song geschrieben habe, hatte ich den Film „Orient Express“ im Kopf (Agatha Christie-Krimi. Der Zug fuhr von 1887 bis 1977 von Paris nach Istanbul, über Straßburg, Stuttgart, München, Salzburg, Wien, Budapest und Bukarest. –Verf.). Denk dir nur, du sitzt in einem Zug, das Ziel ist dir bekannt, und jede Sekunde, die vergeht, jeder Schritt vorwärts, ist ein Schritt näher an dein Verderben. Du willst da nicht hin, aber du belügst dich selbst, dass du da hin mußt…

Einige Songs behandeln sogar sozialkritische / politische Texte. Ich denke da z.B. an „Breed what you kill“, Thema Überbevölkerung…
Ich war eigentlich immer der Meinung, dass Politik und Musik nicht miteinander verknüpft werden sollten, aber auch hier muß ich feststellen: ich werde älter und schaue mit anderen Augen auf die Gesellschaft als noch vor ein paar Jahren. „Breed what you kill“ klingt auf den ersten Blick wie ein Nazi-Thema, hat damit aber nichts zu tun. Es geht in den Texten einfach darum, das ich denke, nicht jedermann sollte erlaubt sein, sich fortzupflanzen, Kinder zu haben. Auch nicht jedem Tier sollte man dies erlauben. Das ist alles, worum es in dem Song geht.

Die Texte sind also nicht mehr reine Unterhaltung, sondern transportieren mittlerweile auch Denkanstöße und persönliche Meinungen…
In Withering Surface verwende ich sehr viel Zeit darauf, mir die Texte auszudenken und sie auszuarbeiten. Insofern habe ich natürlich auch den Drang, mich mitzuteilen. Es wird aber auch nachgefragt, von den Fans, in Interviews wie diesem, und dann freut es mich, über meine Texte zu sprechen und zu diskutieren. Jedenfalls geht’s bei uns nicht um Groupies und Satan. Das spare ich mir für Thorium auf, haha. Ich denke, ich kann sagen, dass Withering Surface mittlerweile eine Art Plattform ist, auf der ich den Leuten Dinge präsentiere, die ich in meinem Kopf ausgebrütet habe und die ich für interessant halte. Und da mir die Band nun mal die Möglichkeit gibt, dies zu tun, warum denn nicht?

Anderes Thema. Wie war es denn im Studio bei Berno Paulsson? Zufrieden? Und wie seit ihr eigentlich an ihn geraten?
Wir waren vorher zweimal im Studio Fredman, ebenfalls in Schweden, und eigentlich ganz zufrieden. Aber dann, kurze Zeit später, habe ich das letzte Album von „The Haunted“ gehört und dachte nur noch: „Was für einen Tritt in den Arsch!“. Das Berno Studio habe ich immer für ein ganz annehmbares Studio gehalten. Die Alben, die man hier aufgenommen hat, von Vomitory und anderen Bands, habe ich gemocht. Nicht, dass es jetzt großartig gewesen wäre, es war okay. Als ich dann aber dieses „The Haunted“-Album gehört habe, dachte ich nur noch: “Wow, den Typ mußt du anrufen!” Außerdem ist Malmö sehr nahe bei Kopenhagen, was die Sache für uns sehr angenehm gemacht hat und auch mit ein Argument war, hier aufzunehmen. Am Ende war’s sogar so, dass ich den Gesang abends nach der Arbeit aufgenommen habe und anschließend wieder nach Hause zurückgefahren bin. Das war in der Tat sehr angenehm.

Das liegt ja vor allem an der neuen Öresundbrücke. Wie macht sie sich denn so? Darf man da auch mit dem Fahrrad rüberfahren?
Klar doch. Über die Brücke kommt man mit Auto und Fahrrad, außerdem fahren Züge. Die Baukosten der Brücke waren allerdings enorm, weshalb beide Länder noch hoch verschuldet sind. Aus heutiger Perspektive mag es so aussehen, als habe sich der Bau der Brücke nicht rentiert, da sie nicht in dem Maße benutzt wird wie erwartet. Man dachte vor allem, dass mehr Dänen rüber nach Schweden fahren, was aber nicht der Fall ist. Im Gegenteil, die Brücke ist mehr eine Einbahnstraße für die Schweden, die nach Dänemark, insbesondere nach Kopenhagen, wollen, um dort billiger einzukaufen, vor allem Bier. Das kriegt man in Schweden bekanntlich ja nur im staatlichen Systembolaget. Ein anderer Faktor ist sicherlich auch, dass die Brückenmaut sehr hoch ist, was viele davon abhält, mal eben auf die andere Seite zu fahren. So wird es wohl ein paar Jahre länger dauern, bis das Geld für die Baukosten zurückgezahlt ist. Ich persönlich, halte die Brücke aber für großartig, ich mag Schweden und die Menschen dort sehr gerne.

Ihr habt letztes Jahr das „Joyless Journey“-Promo aufgenommen, um euch damit bei diversen Plattenfirmen zu bewerben. An wen habt ihr das Promo denn alles geschickt? Und wie seit ihr dann am Ende bei Copro Records hängengeblieben? Die sind in Metalkreisen ja relativ unbekannt. War sonst niemand interessiert?
Wir haben das Promo im Berno Studio in Malmö aufgenommen, um einfach mal herauszufinden, wie cool das Stu-dio wirklich ist. Anschließend haben wir es einer Reihen von Plattenfirmen zugeschickt, so ungefähr 30 Stück. Eini-ge Offerten haben wir dann auch von Labels bekommen, die man mehr mit (melodischem) Death Metal in Zusam-menhang bringt. Wir haben dann mit denjenigen, die an uns interessiert waren, gesprochen und versucht, im Dialog Dinge wie „Was sind sie bereit, für uns zu tun?“ und ähnliches zu klären. Es kristallisierte sich für mich aber bald immer mehr heraus, dass ich einfach nicht wollte, dass „Withering Surface“ von einem Label veröffentlicht wird, dass zwei oder mehr Releases zur gleichen Zeit auf den Markt bringt, um dann drei Monate später vergessen zu werden. Copro sind in der Tat nicht sonderlich bekannt in der Metallwelt, sie sind mehr ein Hardcore-Label, aber sie haben einen großartigen Job für „Earthtone 9“ gemacht. Als wir mit ihnen gesprochen haben, versprachen sie uns, dass wir mehr oder weniger ihre einzige Veröffentlichung im nächsten halben Jahr sein werden. Das haben wir natürlich gerne gehört. Und da ich mich in der Metal Szene ja ganz gut auskenne, habe ich erstmal gecheckt, welche Möglichkeiten sie haben, welche Vertriebskanäle ihnen zur Verfügung stehen und dergleichen (Hier spricht der Boss von Mighty Music. –Verf.). Wie es ausschaut, arbeiten sie sehr eng mit Plastic Head und Candlelight zusammen. Bevor wir bei ihnen unterschrieben haben, sind wir nach England gefahren, um sie zu persönlich kennenzulernen, ihr Büro anzugucken und ihr Bier zu trinken, haha. Und ja, nette Leute mit einer großartigen Einstellung.

Und wie läuft’s so bisher? Alles bestens?
Wie ich schon sagte, ist kein Künstler zu 100% mit irgendwas zufrieden, und deshalb sind wir natürlich auch nicht mit Copro zufrieden, sonst wären wir ja keine Künstler, haha… (??? –Verf.) Es gibt natürlich immer ein paar Dinge, die besser sein könnten. Aber ist es nicht so im Leben, dass man immer ein bißchen mehr haben möchte, als man gerade hat?

Was für Musik hörst du privat, Michael? Man kann sich das wahrscheinlich einfach machen und sagen, das was du auf Mighty Music veröffentlichst…
Hm, ja und nein. Natürlich hat sich Mighty Music zu einem extremen Metal-Label entwickelt, weil das die Musik ist, auf die ich stehe. Aber auch wenn das jetzt ein bißchen scheinheilig klingt, ich mag ebenfalls ‘ne Menge populä-ren Metal. Diese Sparte versuche ich auf unserem Sublabel „Drugs“ zu etablieren, mit Bands wie Jerkstore oder, unserem neuesten Signing, Raunchy. Tatsache ist aber, dass eine Band wie z.B. Anasarca aus Deutschland eine ganze Menge mehr verkauft als Jerkstore, obwohl Jerkstore eigentlich eine populärere und weiteren Kreisen zu-gänglichere Art Metal spielen. Das liegt zum einen daran, dass mir die Vertriebskanäle für diese Musik fehlen, zum anderen, dass ich keine Million habe, um solche Bands mit Anzeigen zu promoten. Letztendlich haben wir unser Level gefunden, und dieses Level ist extremer Death Metal, sowie melodischer Death Metal.
Privat muß ich mir eine Menge schlechter Demotapes von noch schlechteren Bands anhören, haha. Nein, im Ernst, im Moment bin ich in einer Phase, wo ich mir wieder ganz gerne die frühen 80er reinziehe, Dio, Rainbow, Whites-nake. Die Stimmen von Dio und Coverdale finde ich einfach großartig.

Und was für Musik machst du in Thorium?
Ähem, brutaler Death Metal, sehr „old school“ mit einem Hauch von Melodie. Thorium ist die Band, wo du all die Dinge tun kannst, die du in Withering Surface nicht tun willst. Wir toben uns da aus, schreiben Texte über Satan und Leichen…

Sag mal, wieso befindet sich auf allen Veröffentlichungen von Mighty Music das von Schinkel geschaffene, deutsche „Eiserne Kreuz“? Hast du eine nähere Beziehung zu Deutschland (Verwandte, Freundin…)?
Nein, habe ich nicht. Für mich ist das Teil nur ein Symbol für Metal. Schau dir mal Lemmy von Motörhead an, ü-berall kannst du das Zeichen sehen, es gibt viele Verbindungen im Metal, es wird oft benutzt. Songs wurden über das eiserne Kreuz geschrieben. Deshalb denke ich, ist es nur ein Symbol für Metal und für Stärke. Es hat keinen Link zu Deutschland (Einen Link zu Deutschland wird es immer haben, ist immerhin ein deutsches Design und Teil der deutschen Geschichte, im Guten wie im Schlechten! –Verf.). Wir haben auch eine Band aus Malta im Pro-gramm, Beheaded, und in dem Zusammenhang haben wir festgestellt, dass diese Sorte von Kreuzen wiederum in Malta eine ganz besondere Bedeutung haben. Ärger gab’s schon auch, besonders bei der Veröffentlichung des letz-ten Panzerchrist Albums, das mit den deutschen Texten.

Das Album von Panzerchrist hat hierzulande aber auch eingeschlagen wie die sprichwörtliche Bombe…
Ja, „Soul Collector“ war ein großartiges Album, und es hat eine Menge Staub aufgewirbelt. Es wird wahrscheinlich gegen Ende des Jahres ein neues Album von Panzerchrist geben. Panzerchrist ist eine unserer bestverkaufendsten Bands, aber die Jungs sind völlig durchgeknallt. Das heißt, eigentlich ist es nur einer, der die Band kontrolliert und dazu noch extrem gewalttätig ist. Er schert sich einen Dreck um irgendwas und hat gerade die gesamte Mannschaft rausgeschmissen und ausgetauscht. Die Sache ist am Ende eskaliert, nachdem er einen seiner Bandkollegen zusammengeschlagen hatte. Der Schlagzeuger hat dann auch noch den Gitarristen so dermaßen verprügelt, dass er ins Krankenhaus mußte. Es ist eine sehr spezielle Band. Den Schlagzeuger habe ich gestern abend noch in einer Kneipe getroffen. Er wollte das ihm zustehende Geld für die Royalties, die ich dem anderen gezahlt habe. Er erzählte mir, dass er versucht hatte, ihn zu kontaktieren und am Telefon zu Antwort bekam: „Wenn du mich noch mal anrufst, dann bringe ich dich um!“ (Namen hat er keine genannt, ich denke aber, gemeint ist der ehemalige Illdisposed-Gitarrist Michael Enevoldsen. –Verf.)

Mit Artillery und Mercyful Fate/King Diamond hat Kopenhagen ja tiefe Spuren auf der metallischen Land-karte hinterlassen. Wie ist denn zur Zeit so die Lage im Staate Dänemark und seiner Hauptstadt?
Aus Kopenhagen kommen nach wie vor die meisten dänischen Bands, ein zweites Zentrum ist die Gegend um Aar-hus in Jütland. Ich denke, die dänische Szene schaut heute viel besser aus als noch vor 5 Jahren. Eine Menge guter Bands kommen derzeit raus. Größtes Manko ist wohl, dass das Publikum nicht groß genug ist. Als wir letzten Frei-tag mit Withering Surface in Kopenhagen gespielt haben, waren wir ganz happy, 110 zahlende Gäste zu haben. Vor 110 Leuten zu spielen, wird von uns als Erfolg verbucht. Vor 10 Jahren war das noch anders. Damals waren eine Menge mehr Fans bei Metal-Konzerten, aber die Zeiten haben sich geändert, und man kauft auch nicht mehr so viel Metal hier.

Was sind denn zur Zeit deine drei dänischen Lieblingsband (Withering Surface, Thorium und King Diamond sind von der Verlosung ausgenommen, haha)?
Die Pretty Maids, D:A.D und Iniquity. Ich halte D:A:D und die Pretty Maids für großartige Heavy/Rock Bands. D:A:D haben übrigens vor zwei Wochen ein neues Album rausgebracht (also im Februar. –Verf.). Es ist diesmal etwas softer geworden, eigentlich ist es mehr ein gutes Rockalbum. Aber eine großartige Band mit großartiger Einstellung.

Was halten du und deine Landsleute vom Euro? Warum haben die skandinavischen Länder (Dänemark, Schweden und vor allem Norwegen) so große Probleme damit und mit Europa generell?
Also ich habe überhaupt kein Problem damit und bei der Abstimmung auch dafür gestimmt! Ich sehe das ganz als Geschäftsmann, und ich weiß, dass es für Dänemark um einiges leichter wäre, wenn sie den Euro angenommen hätten. Das Problem besteht darin, dass viele Leute hier eine enge Beziehung zur Königin, zur königlichen Familie und zur Krone haben. Deshalb lehnen sie das alles ab. Ich halte das für ziemlich lächerlich.

Ist das auch der Grund, weshalb Finnland damit überhaupt keine Probleme hat?
Genau. Ich arbeite auch MNW, einem schwedischen Vertrieb, der in allen skandinavischen Ländern Niederlassun-gen unterhält, und da war ich vor einigen Monaten auf einer Tagung hier und habe mit einem finnischen Kollegen über das Thema gesprochen. Es ist mehr oder weniger so, dass Finnland völlig andere Wurzeln und eine andere Geschichte hat als die drei anderen skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Norwegen (die nach der Kalmarer Union 1397 für kurze Zeit auch tatsächlich ein nordisches Großreich bildeten. Die enge Verwandtschaft wird besonders an der Sprache deutlich, spricht man eine, z.B. schwedisch, dann kann man sich auch in Dänemark und Norwegen problemlos verständigen. –Verf.). Königliche Traditionen kennen sie in Finnland überhaupt nicht. Dafür standen sie in ihrer Geschichte lange unter russischem Druck, was sicher auch mit ein Grund ist, sich enger an Europa anzuschließen.

Ist euer altes Zeugs, einschließlich des Demos, noch erhältlich?
Unsere ersten beiden Alben müßten noch erhältlich sein. Wenn ihr sie aber nirgendwo findet, könnt ihr sie auch über unser Homepage bestellen (www.WitheringSurface.dk – Verf.). Und wenn ihr euch wirklich unser „Unique“ Demotape antun wollt, könnt ihr mir eine leere Kassette zusammen mit einem Scheck schicken (5,- Euro einschließ-lich P/V müßte langen. –Verf.).

Plant ihr eine Europa-Tour mit eurem neuen Album?
Wenn’s nach uns ginge, dann nichts wie raus und auf Tour. Wir sind richtig heiß drauf, endlich zu spielen. Ich stehe beim Label auch täglich auf der Matte deswegen…
Gibt’s denn schon konkrete Pläne?
Es laufen gerade Gespräche über das Thema, und es sieht gut aus. Konkret ist noch nichts, und ich möchte darüber auch nichts weiter sagen. Uns wurden in der Vergangenheit so viele Dinge versprochen, und so wenig ist tatsächlich passiert. Wenn definitiv feststeht, was Sache ist, werden wir das den Leuten mitteilen. Bis dahin möchte ich mich nicht zu sehr auf Dinge freuen, die möglicherweise nie eintreten werden…

Okay, Michael, mir fallen keine Fragen mehr ein. Vielleicht beenden wir das Interview, als gute Europäer, auf dänisch…
Okay. Katja fra Eternity Magazin er en køn pige og det er hyggeligt, at køne piger holder av ekstrem metal og Sa-tan.
Hm, wird wohl so sein…

Diskographie:
1995 Demo: „Unique“
1997 CD: „Scarlet Silhouettes“ (Euphonious)
1999 CD: „ The Nude Ballet“ (Euphonious)
2001 CD: „ Walking on Phantom Ice“ (Copro)

Interview aus Eternity #21

www.witheringsurface.dk

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