Prophecy Productions
Bewertung: Ohne Wertung
Beim zweiten, genaueren Hinsehen entpuppt sich diese fette Doppel-CD sogleich als Mogelpackung. Suggeriert der Titel und die brennende Kirche auf dem Cover noch eine musikalische Ergänzung zum gleichnamigen Buch, sprich norwegisch / skandinavischer Black Metal der 90er Jahre, so wird man schon beim Untertitel, ‚Die Geschichte der okkulten Musik‘, stutzig. Das ist fürwahr ein weites Feld. Um es gleich vorwegzunehmen: das hier ist NICHT die CD zum Buch. Auf der 1. CD findet man nur eine einzige skandinavische Metalband, nämlich die Dänen MERCYFUL FATE mit ihrem bekannten Gassenhauer ‚Come to the Sabbath‘. Der Rest ist größtenteils Kirmesmusik, minutenlanges Rückkopplungsgejaule, Ambient/Injdustrial sowie schlichte, monotone Blues-Musik. Aus schwermetallischer Perspektive völlig für’n Arsch. Hörenswerter (wenn auch nicht unbedingt spannender, da man sich nur auf die großen Bands mit ihren bekanntesten Liedern konzentriert hat) sind da schon die spärlich vertretenen Metalbands: die Image-Kasper BLACK SABBATH und VENOM, sowie HELLHAMMER und SODOM. Und gerade am Beispiel einer Thrash-Band wie SODOM wird deutlich, wie oberflächlich die Macher dieses Samplers doch Musik mit Okkultismus & Satanismus in Verbindung bringen. Das Gehabe, das Image und die Texte von SODOM sind deckungsgleich mit ca. 99,9% aller Thrashbands zu jener Zeit. Und wenn mir jetzt einer erzählen will, dass sich Tom Angelripper je für schwarze Messen, okkulte Bücher und Satanismus interessiert hat, dann zeigt mir das nur, dass hier das Phänomen ‚Heavy Metal in den 80ern‘ nicht verstanden wurde. Wohl auch nicht erlebt. Derartige Legendenbildungen und offensichtliche Fehlinterpretationen (siehe Booklet) sind wenig hilfreich, eine Zeit und eine Szene zu verstehen, die mehr mit Spaß, Lebensfreude und kindlicher Provokation zu tun hatte. Patronengurt und Kutte als ‚Beweis‘ für eine schwarze Gesinnung, das schlägt ja fast schon die Amerikaner mit ihren ‚Beweisen‘ vor dem Sicherheitsrat… Ein weiteres ätzendes Kapitel dieses Samplers sind die immer wieder auftauchenden, gesprochenen Passagen der selbsternannten (und längst verblichenen) Obersatanisten Crowley und LaVey. Der eine ein degenerierter Engländer mit zu großem Schloß, zu viel Kohle, daraus resultierender Langeweile und nichts als Ficken im Kopf. Der andere ein aalglatter amerikanischer ‚businessman‘, der seine Bücher verkaufen will. Beide lallen was von Pentagrammen und schwarzen Messen, die sich dann witzigerweise als äußerst nahe an der katholischen Liturgie entpuppen, so als hätte man lediglich das Wort ‚Gott‘ durch ‚Satan‘ ersetzt. Was für ein Scheiß. Die 2. CD macht dann erstmal da weiter, wo die erste aufgehört hat. Immerhin geht’s aber jetzt ins Nordland. Nach DEATH SS muss, quasi als Ouvertüre, BATHORY ran. Warum man aber mit ‚Twilight of the gods‘ ein Lied aus der wesentlich schwächeren Spätphase des alten Schweden genommen hat, als dieser den Black Metal schon längst hinter sich gelassen hatte, wird wohl auf ewig das Geheimnis Prophecys bleiben. Es offenbart sich aber auch das nächste eklatante Verständnisproblem der Herausgeber, die schlichtweg heidnischen Viking- und Pagan Metal unter ihre alles nivellierende Definition von ‚okkulter‘ Musik subsumieren. Ob das die Protagonisten wohl genauso sehen? Immerhin sind wir jetzt, Mitte der zweiten CD, da, wo auch die brennende Kirche auf dem Cover hingehört. Die nächsten Stationen heißen UNLEASHED, MAYHEM, DARKTHRONE, EMPEROR, ULVER, THORNS und ABRUPTUM. Der interessanteste Teil dieser Kompilation, der auch Unbedarften einen klitzekleinen Hauch von dem vermittelt, was im Buch so ausführlich beschrieben ist. Über die letzten vier Tracks breiten wir dann besser wieder den Mantel des Schweigens. Belanglos und überflüssig. Fazit: dem Anspruch, das ‚Lords of Chaos‘-Buch musikalisch zu ergänzen, ist man nicht gerecht geworden. Wollte man wohl auch nicht, allerdings muss man sich so den Vorwurf gefallen lassen, mit dem Titel und dem gewählten Cover-Motiv, die auf genau das hindeuten, die Leute ganz bewußt in die Irre zu führen, um nicht zu sagen, zu verarschen. Auf der anderen Seite haben sie bei dem Versuch, eine umfassendere Geschichte der okkulten Musik zu schreiben, ein bißchen an der Oberfläche gekratzt, wenn überhaupt. Aus metallischer Sicht (und der Sichtweise fühle ich mich nun mal verpflichtet. Oder liest hier sonst noch jemand das Eternity?) ist über 50% dieses Samplers für den Papierkorb. Insbesondere die erste CD ist ein Totalausfall, die metallkompatiblen Sachen darauf (Perlen zweifellos) hat wohl jeder halbwegs an HM Interessierte sowieso im Schrank stehen. Was bleibt, ist ein fader Nachgeschmack. Mehr Schein als Sein, und die 20,- Euro, die ich dafür bezahlt habe, ist das Teil definitiv nicht wert.
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