Six Reasons To Kill Interview

„Architects of perfection“ – das neueste, vierte Album der Koblenzer (Death)Metal-Coreler Six Reasons To Kill – ist ein gewichtiges Pfund in Sachen zeitgenössische, extreme Musik. Brachial und moshpit-kompatibel wird das Jungvolk auf Trab gebracht. Daneben zeigen die Jungs aber auch differenzierte Seiten und packten mit „My poison“ ein etwas gemäßigteres Stück mit starkem Klargesang auf die Platte, „Wandering stars“ überrascht als behutsames Instrumental. Schlagzeuger Flo schilderte seine Sicht der Dinge auf diese und andere Stücke der neuen Platte, den Mann im Kohlekeller, einhändige Snare-Rekorde oder unterernährte Models.

Jungs, wichtigste Frage zuerst: Noch alles im Trockenen bei Euch? Oder seid Ihr durch das erhöhten Pegelstände an Mosel und Rhein in den letzten Wochen in Mitleidenschaft gezogen worden?

Keineswegs. Irgendwie kommen wir immer aus dem Dreck wieder raus. Kann aber auch sein, dass wir durch die Erlebnisse der Vergangenheit einfach ein dickes, wasserundurchlässiges Fell bekommen haben.

Euer neues Album heißt „Architects of perfection“: Wer ist damit genau gemeint und wie passt das zu der hässlichen Untoten auf dem Cover?

In jedem steckt ein „Architect“ der „Perfection“, indem wir bestimmten Normen nacheifern. Die Frage ist: Wer generiert solche Normen, die die Messlatte für Perfektion festlegen. Ein Beispiel, welches sich auf das Coverartwork bezieht, verdeutlicht das: Die Modebranche stellt superdünne Models auf die Laufstege. Abgesehen davon, dass derartig ausgehungerte Models ihren Körper sicherlich keinen gefallen tun, wird hier ja von der Industrie ein (Schönheits-)Ideal geprägt, dem viele junge Mädchen nacheifern. Diese Medallie hat also zwei Seiten, die es mal zu hinterfragen lohnt. Zugleich spiegelt sich in der Vermarktung und regelrechten Zucht jener “Perfektion” eine gewisse gesellschaftliche Dekadenz wider. Wir sind offenbar von einer ganzen Reihe von Idealen geprägt! Im Prinzip ist in diesem Teufelskreis jeder ein Architekt der Perfektion. Jeder ist ein Stück weit seines eigenen Glückes Schmied. Jeder sucht sich aus, was ihm perfekt erscheint – doch machen wir uns nichts vor: „Perfekt“ ist ein Superlativ. Nobel geht die Welt zu Grunde!

Ich finde die CD ist eine schlüssige, runde Sache, aber dennoch vielschichtig – Einflüsse verschiedener extremer Stilrichtungen sind auszumachen, auch wenn sicher Metalcore und Death Metal am prägnantesten sind. Ist diese Mischung ein Ergebnis aller Bandmitglieder oder steht ein bestimmter Stil/Einfluss für eine Person der Band?

Nö, dass ist schon so der Konsens-Metal in der Band. Alle Mitglieder, die am Entstehen dieser Platte mitgewirkt haben, blicken sowohl auf Einflüsse aus der Hardcore- als auch aus der Metal-Szene zurück. Der eine vielleicht etwas mehr, der andere weniger, aber der kleinste gemeinsame Nenner ist glaube ich im Stil der Band schon längst gefunden.

Kannst Du bitte aus Deiner Sicht zu folgenden, ausgewählten Stücken Kommentare aus Deiner Sicht abgeben:

– „Welcome to forever“ und „My bitterness“ sind aus meiner Sicht zum Beispiel typische 6R2K-Track.

Da gebe ich Dir völlig Recht. Die beiden Tracks haben typische Elemente, die sich auf allen Alben irgendwie wieder finden lassen. Die logische Fortsetzung des bisherigen.

– „False absolution“ ist speziell durch den Eingangspart für mich der brutalste Track auf der CD.

Ja, das war für mich als Schlagzeuger auch kein Zuckerschlecken. Aber ich habs natürlich ganz locker eingespielt und alle Rekorde gebrochen, die ein Schlagzeuger jemals auf einer Snare mit einer Hand erzielt hat. *lach*

– „My poison“ stimmt dagegen fast nachdenklich mit ausdrucksstarkem Klargesang. Welche Intention war hier Auslöser für den Kontrast?

Der Kontrast selbst? Ich weiss es selbst nicht. Irgendwann stand die Idee im Raum, einfach mal was ganz anderes zu machen. Das ist dabei herausgekommen. Ich find den Song echt schön. Und er stellt einen Kontrast zum Geprügel dar.

– „Wandering stars“ geht sogar noch einen Schritt weiter in Richtung ruhig und bedächtig.

Absolut. Es ist das erste richtige Instrumentalstück, was wir auf einem Album haben. Zwar gab es vorher schon solche kurzen instrumentalen Interludes, aber das ist ja schon ein richtiges, wenn auch kurzes, Stück. Wir sind stolz drauf – auch weil es eine ganz andere Seite von uns zum Ausdruck bringt.

Ihr habt zum zweiten Mal nach „Another horizon“ bei Kohle in seinem ‚Keller‘ aufgenommen. Was gab den Ausschlag zur Fortsetzung der Zusammenarbeit mit ihm?

Um genau zu sein, haben wir schon drei Platten mit ihm aufgenommen. Reborn, das 2005er-Album war das erste. Nach jeder Zusammenarbeit war das Ergebnis eine Steigerung zu vorher. Außerdem sind wir mittlerweile einfach gut aufeinander eingearbeitet. Es erleichtert die Arbeit schon erheblich, wenn man weiss, wie der Produktionsprozess ablaufen wird und man sich gezielt darauf vorbereiten kann. Das ermöglicht einem auch, sich mehr auf die gesetzten Ziele zu konzentrieren und sich nicht auf dem Weg dahin an Kleinigkeiten aufzuhängen. Außerdem ist der Kohle ein äußerst angenehmer und stressfreier Mensch, der eine sehr entspannte Arbeitsatmosphäre zu schaffen in der Lage ist.

Euer Sänger Lars hat sich erst kurz vor den Aufnahmen zu Euch gebrüllt. Wie muss man sich die Sängersuche unter Zeitdruck vorstellen: Habt Ihr regelreche Casting-Sessions im Proberaum abgehalten?

Ja, das war schon so. Wir waren ja auch ein bisschen im Zeitdruck, weil wir das Album gerne aufnehmen wollten. Glücklicherweise hat Kohle uns aber einen zweiten Termin etwa drei Monate nach den Instrumentalaufnahmen gegeben. Damit hatten wir Zeit, Lars einzuarbeiten und für die Aufnahmen fit zu machen.

Ist dieses neue Line-Up nach den Aufnahmen und den ersten Monaten bereits voll eingespielt oder seit Ihr noch in der ‚Gewöhnungsphase‘? Akustisch passt Lars m.E. absolut TOP zu Euch!

Das sehen wir genau so. Nach einem Jahr gemeinsamer Arbeit auf der Bühne und im Studio kann man aber eigentlich davon sprechen, dass die „Gewöhnungsphase“ vorbei ist. Gerade die Studioarbeit schweißt zusammen.

Gleichzeitig ist „Architects of perfection“ das erste Album für Massacre Records, eher weniger bekannt für die Art Musik, wie Ihr sie macht. Was waren die Gründe für Massacre? Was hat sich geändert im Vergleich zu vorherigen Releases?

Ich weiss nicht, welche Gründe Massacre hatten, uns zu veröffentlichen. Ich hoffe aber mal stark, dass ihnen die Musik gut gefällt, hehe.

Wir würdest Du im Rückblick kurz die Zusammenarbeit Band / Label bei Euren bisherigen Stationen charakterisieren?

Wir haben viele Erfahrungen gesammelt. Natürlich war es eine angenehme Situation bei Marco, unserem Gitarristen Alben zu veröffentlichen. Massacre bedeuten für uns jetzt aber noch mal einen großen Schritt nach vorne. Sie haben ein großes weltweites Vertriebsnetz und intensive Promokontakte, von denen wir profitieren. Außerdem sind das alles total nette und umgängliche Jungs, deshalb macht die Zusammenarbeit sehr viel Spaß.

Auf Eurer Homepage befinden sich immer noch fette Banner/verlinkungen zu Tribunal Records / Bastardized Recordings. Wie wichtig sind Euch diese Verbindungen noch?

Sehr wichtig! Bastardized bringen ja auch noch eine Vinyl-Version des Albums heraus. Und Matt von Tribunal hat die letzten beiden Alben in den Staaten veröffentlicht. Wir sind ihm zum Dank verpflichtet und waren sehr froh, diese Möglichkeit zu haben.

Ihr habt all die Jahre konstant gute Arbeit, sehr gute Arbeit abgeliefert – bekommt jetzt in meiner Wahrnehmung auch deutlich mehr (positive) Presse als in der Verangenheit. Dennoch seid Ihr im Vergleich zu anderen stilistisch ähnlichen Bands wie Neaera, Caliban oder Heaven Shall Burn doch eher ein Geheimtipp. Wie seht Ihr das?

Wir gönnen den anderen Bands ihren Ruhm. Der Unterschied ist eben, dass wir die Band nicht Vollzeit betreiben können, weil wir auch noch festen Jobs nachgehen. Sicherlich hängt dieser Underdog-Status damit zusammen. Ist aber auch nicht so problematisch für uns. Aus der Position heraus kann es ja nur nach oben gehen, hehe.

Ist nach einer so langer Bandgeschichte der Traum vom Lebensunterhalt von der Musik noch aktiv oder sind 6R2K einfach ein wichtiges Hobby?

Eher letzteres. Wir wollen in erster Linie Spaß haben, gute Alben aufnehmen und Konzerte spielen. Da jeder von uns einer geregelten Berufstätigkeit nachgeht, ist Geld für uns kein Thema. Das macht uns aber auch unabhängiger von kommerziellen Absichten und man kann von uns eine ehrliche Platte erwarten.

Was waren damals beim Erscheinen Eures Debüt-Albums Träume und Wünsche in Bezug auf die Band? Was davon habt ihr realisieren können, was fehlt noch?

Ich glaube, wir haben schon viel von dem erreicht, was man sich so erhofft, wenn man eine Band gründet. Wir haben Platten aufgenommen, haben große Shows gespielt und waren mit verschiedenen Bands auf Tour. Es gibt aber auch noch Träume. Was noch fehlt wäre Wacken. Oder vielleicht mal eine Tournee durch Asien oder Nordamerika.

Zum Track „My bitterness“ habt Ihr gerade frisch auch ein Video abgedreht: welche Geschichte erzählt ihr in der kurzen Story – wenn man mal gerade nicht Euch im Proberaum sieht?

Es geht um einen Kerl, der irgendwie ziemlich abgewrackt ist und viele schlechte Sachen erlebt. Entfliehen kann er den Dingen nicht. Er stellt sich den Dingen aber auch nicht wirklich aufrichtig. Die Geschichte löst sich nicht völlig auf – wie auch im wirklichen Leben. Denn oft bleibt ein Schicksal ja unbestimmt und eine Geschichte hat gar kein wirkliches Ende.

Noch abgefahrener ist allerdings das Schweinchen-Video zu „Bleeding stereo“ – hattet Ihr damals eine Wette verloren? Wart Ihr Versuchskaninchen für ein Filmstudenten-Projekt oder einfach zu viel Jackass oder Bloodhound Gang geguckt?

Ja, dass waren tatsächlich Filmstudenten, die den Clip gedreht haben. Die hatten halt verdammt viel Input – und den haben sie umgesetzt. Das war ne Menge Arbeit. Aber ich denke, die hat sich gelohnt. Die Jungs haben alles rausgeholt. Ein paar Szenen finde ich legendär. Etwa die Schauspielerin, die ein echtes Tränchen weint. Großes Kino eben, haha.

Wie seid Ihr in der heimischen Szene vernetzt? Gibt es da auch musikalisch übergreifende Kontakte zu etwa Desaster, Metal Inquisitor, Warcrown o.a. oder hängt ihr dann doch eher mit Leuten von Bands ab, die Euch musikalisch eher näher stehen?

Also ich komme aus Siegen und kenne die Koblenzer Szene nicht zur Gänze. Warcrown haben ihren Proberaum im gleichen Bunker, gleich schräg gegenüber von uns. Den Rest kenne ich nicht persönlich. In Siegen sieht es schon anders aus. Von dort kommen zum Beispiel die Thrashmetal-Recken von Accu§er. Außerdem kommen die Jungs von Milking The Goatmachine und Lay Down Rotten hier aus der Gegend, die wir persönlich auch sehr gut kennen.

Was inspirierte seiner Zeit zur Namensgebung Six Reasons To Kill? Wie viele Gründe würden Euch heute einfallen, wenn Ihr noch mal neu an den Start gehen würdet?

Vorweg sei gleich gesagt, dass wir keiner Fliege was zuleide tun und keinen Grund zum Töten haben. Der Name hat eigentlich keinen tieferen Sinn. Er hat viele Vokale und klingt einfach gut. Außerdem kann man sich den Namen gut merken. Mehr steckt da eigentlich nicht hinter.

Last words?

Danke für dein Interesse und die Möglichkeit, hier zu Wort zu kommen. Checkt das Album und werdet Freund mit uns:

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