Luciano De Crescenzo „Zio Cardellino – Der Onkel mit dem Vogel“

Doktor Perella, Abteilungsleiter bei der IBM Italia und Protagonist dieses Romans, ist ein vollkommen normaler Büromensch…mit einer klitzekleinen Ausnahme: Er zwitschert unkontrolliert, inmitten von ach so wichtigen Vorstandssitzungen oder einfach so auf dem Gang. Ansonsten macht er seine Arbeit wie jeder andere, und dennoch bringt diese Kleinigkeit die vor den Kulissen so heile Arbeitswelt komplett durcheinander.

Denn in einer so streng hierarchischen Umwelt, in der sogar die Anzahl der Büropflanzen und der Sprudelflaschen genauestens über den Status des Einzelnen Auskunft gibt, scheint kein Platz zu sein für jemanden, der sich entgegen dieser Normen verhält, indem er auf den übersteigerten Ehrgeiz seiner Kollegen ‘pfeift’. Immer weiter ziehen sich die Kreise aus Intrigen, gegenseitigen Schuldzuweisungen und Verantwortungsgeschachere, so daß man sich bald fragt, wer größere Verhaltensstörungen hat: ein harmloser, gelegentlich zwitschernder Angestellter oder übersteigert und von Angst zerfressen reagierende Chefs und Obermotze?

De Crescenzo zeichnet ein Bild von der Unvereinbarkeit von Individualität und Bürokratie sowie der Inhumanität moderner Konzerne, in denen Menschen wie Maschinen funktionieren müssen, und das überraschenderweise in einem lockeren, scherzhaften Ton. Hinzu kommt das wundervolle, weil völlig zweideutige Ende, über das ich nichts verraten will. Eine lustige Lektüre über ein finsteres Thema, den Verlust der Individualität im Geschäftsleben.
ISBN 3-257-21914-8, Diogenes, 12,80 DM

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