Filmkritik: Lords Of Chaos

Lords Of Chaos

Regie: Jonas Åkerlund
Darsteller
Rory Culkin
Emory Cohen
Jack Kilmer
Anthony De La Torre
Jack Kilmer
Wilson Gonzalez Ochsenknecht

Kinostart: 20. Februar 2019

Nach dem Buch, welches 1998 erstmals in englisch und ab 2003 auch in verschiedenen deutschen Ausgaben erschien und eine ausführliche, penibel zusammengetragene, fast kriminalistische Dokumentation über die Hintergründe und Zusammenhänge der (vor allem norwegischen) Black-Metal-Szene Anfang der Neunziger darstellt, hat Jonas Åkerlund bereits vor einigen Jahren angekündigt eine gleichnamige Verfilmung auf die Leinwand zu bringen. Nach seiner Fertigstellung war der Film bereits im Januar 2018 erstmalig auf diversen Filmfestivals zu sehen.  Ein „offizieller“ Release ließ jedoch lange auf sich warten, was dem Umstand geschuldet ist, dass Åkerlund unbedingt einen Kino Release angestrebt und auf entsprechende Vertriebsmöglichkeiten gewartet hat.

Seit 20. Februar 2019 ist „Lords Of Chaos“ nun endlich offiziell in den deutschen Kinos, wobei sich der Release oft nur auf einige wenige „Event“ Vorstellungen (meist nur Freitags/Samstags einmalig gegen 23 Uhr) in großen Kinoketten beschränkt.

Vorab sei gesagt: Es handelt sich nicht um eine „Verfilmung des Buches“ im eigentlichen Sinne, auch wenn sich der Filmtitel explizit auf das Buch bezieht. Eine ganzheitliche Verfilmung des Buches wäre mit dem Medium „Spielfilm“ kaum möglich und könnte wohl nur im Rahmen einer umfangreichen Dokumentation umgesetzt werden, für welche im Jahr 2019 aber sicher kein übertriebener Bedarf mehr besteht.

Åkerlund hat sich aus dem komplexen Inhalt des Buches lediglich die Geschichte zwischen Øystein Aarseth und Varg Vikernes herausgegriffen und zeichnet dabei vor allem ein Biopic Aarseths, welches auch einfach hätte „Euronymous“ heißen können. Etwaige tiefgreifende Einblicke und Zusammenhänge in die damalige musikalische Szene bietet der Film darüberhinaus eher nicht. Der „neutrale“ Zuschauer (sofern ein solcher überhaupt zum anvisierten Publikum des Films zählt) wird neben den beiden Hauptprotagonisten, flankiert von den Charakteren Dead und Faust, namentlich nur mit den Bandnamen von Mayhem und Burzum konfrontiert, ohne einen Einblick auf deren tatsächlichen szeneweiten Stellenwert zu geben. Auch Querverweise zu anderen Musikern oder Bands der damaligen Szene sind quasi nicht vorhanden. Selbst im Falle von Faust, der neben Dead eine recht prominente Nebenrolle zur Handlung des Films beisteuert, fehlt der Bezug zu dessen musikalischem Background.
Auch die eigentliche Bedeutung von Mayhem und der Person Euronymous ist nur durch die subjektiver Sicht einzelner handelnden Personen zu erahnen. Für Nicht-Szene-affine-Zuschauer könnte es sich hierbei auch um eine regionale oder lokale Proberaum Kombo handeln, die nur das Fundament zur Geschichte der beiden Hauptakteure bildet.

© Studio Hamburg | Szene aus „Lords of Chaos“

Auf Bezugnahme zu politischen Inhalten und Anschauungen der Beteiligten hat Åkerlund nach eigenen Angaben sogar bewusst verzichtet, um keinen Spielraum für nachträgliche Glorifizierung zu bieten. Im Film selbst werden daher politische Motive und Beweggründe nur sehr rudimenär angedeutet.

Dennoch ist Lords of Chaos ein überraschend guter Film, welcher sich auch ohne tiefer gehende musikalische Einblicke zu einer beklemmenden, düsteren und im weiteren Verlauf zunehmend brutaleren Filmbiographie entwickelt. Wer durch den Trailer Grund zur Befürchtung hatte, dass der Film durch überspitzt dargestellte Klischees eine eher komödiantische Schlagseite bekommen könnte, dem sei gesagt das dies keineswegs der Fall ist. Auch wenn die ein oder andere Szene (zumindest zu Beginn des Films) durchaus Grund zum Schmunzeln gibt und für den ein oder anderen Lacher gut ist,  spätestens ab dem Suizid von Dead nimmt der Film Fahrt auf und entwickelt sich zu einem biographischen Drama, welches nicht mit Blut und Gewalt geizt.
Anhand der fehlenden Hintergründe könnte man nun eine oberflächliche Charakterdarstellung vermuten, allerdings ist auch diese Befürchtung weitestgehend unbegründet. Åkerlund schafft es, zumindest im Falle Aarseth, eine Persönlichkeit zu zeichnen, die weit über befürchtete Black-Metal-Klischees hinaus geht, was der abschließenden Tragödie seiner Ermordung zusätzlich einen dramatischen „Impact“ verleiht. Lediglich die Rolle von Varg fällt bisweilen etwas stereotyp aus, was den Eindruck eines „Euronymous-Films“ verstärkt.

Fazit (Kai Wilhelm):

Lords Of Chaos ist weder ein Mayhem-, noch ein Black-Metal-Musikfilm, sondern eher eine dramatische Biographie mit eingebetteten Horror/Splatter Elementen, die sich vor allem in den Visionen rund um Dead, sowie in den ausführlich und blutig detailliert dargestellten Gewalttaten finden. Die musikalische Hintergrundgeschichte bildet dabei das Grundgerüst, welches den Charakterdarstellungen einen Handlungsrahmen bietet. Trotz diverser filmischen Vereinfachungen des komplexen Stoffes bleibt die erzählte Geschichte aber nah an der (zumindest bekannten) Wahrheit und gibt bisweilen sehr penibel verschiedene Details und Umstände rund um die Geschehnisse und der handelnden Personen wieder. Alles in allem ist Lords Of Chaos ein packender Film, der sich dem Buch soweit nähert, wie es filmisch nötig und möglich ist, ohne sich eindeutig zu positionieren. (4/6)

Fazit 2 (Carolin Teubert):

Zu Beginn des Filmes denkt man noch, dass es tatsächlich was werden könnte. Die Szenen der frühen Mayhemzeiten wirken zumindest ein wenig authentisch und auch die Schauspielerwahl scheint erst mal (ich rede hier von den ersten 30 Minuten) verkraftbar. Dieser positive Eindruck schwindet jedoch mit dem Verlauf, denn der Film hat ein Problem. Um einen Rundumblick über die Black-Metal-Szene der damaligen Zeit zu bekommen, reicht es garantiert nicht aus nur ein Buch gelesen zu haben, da ist man sich sicher einig und selbst der Regisseur sagte, es sei nur eine Inspirationsquelle von vielen gewesen. Dennoch müsste bei den ganzen Recherchen (z.T. mit engsten Angehörigen) ein ganzer Brocken an Infos zusammengekommen sein, sodass es schier unmöglich ist, nicht den Eindruck zu bekommen, dass da etwas fehlt.

Klar: 2 Stunden sind zu knapp, um alles unterzubringen, aber unnötige Lovestories hätten doch vielleicht ein zwei mehr Aspekten weichen können. Die Kirchenbrände kommen nicht zu knapp drin vor, sonst beschränkt man sich auf einige wenige Gewaltszenen. Was zum Beispiel völlig ausgelassen wird, sind Drohungen gegen andere Bands. Musikalisch hätte ich mir auch mehr Einspieler gewünscht. Denn bis auf kurze Livekonzerte, einen Studiobesuch und ein Demotape wird kaum Black Metal dar geboten. Witzige Randbemerkung: Wenn Radio im Hintergrund des Filmes läuft, wird gerne mal „La det swinge“ von Bobbysocks, Gewinner des ESCs 1985 angespielt, mehrmals im Film, warum auch immer ^^

Auch Querverweise zu anderen Bands, wie Emperor, findet man nur in Form von Shirts, sonst sieht es damit eher mau aus. Hatte man also einen Black-Metal-Film erwartet, und ich gebe zu, teilweise habe ich das bei dem Filmtitel, so wurde man enttäuscht. Man sollte an dieser Stelle aber auch erwähnen, dass es laut Aussage des Regisseurs nie wirklich um Black Metal gehen sollte, sondern eher um die beiden Protagonisten Varg und Euronymous, Black Metal ist da nur das Beiwerk. Okay, unter dem Gesichtspunkt kann man über zu wenig Musik hinweg sehen.

Trotzdem, wer weiß schon, was wirklich damals genau alles vorgefallen ist, außer die Leute, die dabei waren? Man kann es drehen, wie man will und auch sicher diskutieren, am Ende bleibt dann der Eindruck, dass einfach immer was fehlt, da dieses Thema nicht in seiner Gänze zu greifen ist. Losgelöst von der Thematik wäre das vielleicht noch als „krasser Streifen“ über ein paar durchgeknallte Teenies durchgegangen. Mit dem Versuch auf das Leben einiger Künstler der damaligen Szene einzugehen, fragt man sich aber, ob dieser Film wirklich Not tut? Vor allem, war es nötig den Ochsenknecht damit rein zu nehmen?

Selbst nach dem Film kann ich nicht sagen, ob ich ihn mir nochmal anschauen würde, vermutlich nicht bewusst, eher wenn er mal nebenbei läuft. Und wenn man diesen Eindruck nach einem Kinobesuch hat, dann ist das Resultat eben durchwachsen.

Na ja, Schwamm drüber, der Film hätte noch schlechter sein können. Schön ist doch, dass das Neseblod zumindest ein bisschen Schleichwerbung bekommen hat und in den sozialen Medien sich jeder mal drüber aufregen konnte. ;) (2,5/6)

 

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