Hard Stuff: Schubladendenken

Als wahrhaft ‚alter‘ Metalfan geht mir seit einiger Zeit ein Phänomen derart auf den Sender, daß ich darüber einfach mal ein paar Worte verlieren möchte. Und zwar dieses krankhafte Schubladendenken, diese Abgrenzung der einzelnen Metalstile. Damals, zu Beginn der 80er Jahre, war einfach der Zusammenhalt der Heavy-Fraktion besser. Die Atmosphäre war irgendwie geiler. Wohl auch, weil diese Musik noch nicht so ‚akzeptiert‘ wurde wie heutzutage. Wenn man mit einem anderen Metaller zusammenkam, konnte man sich über die Musik unterhalten, selbst wenn man auf völlig unterschiedliche Bands stand. Da wurde man noch nicht blöde vollgelabert, wenn man mit ’nem Maiden-Shirt da ‚rumstand, wo eine Truppe Leute mit Metallica- Hemden präsent war. Da fand man an derselben Jacke Patches von Judas Priest und Slayer, von Motörhead und den Scorpions. Irgendwann kam mal einer auf die Idee, die verschiedenen Metalspielarten zu kategorisieren, es ward der Speed Metal und der Thrash Metal geboren, und dann ging es ziemlich bergab.  Das erste war der ‚Krieg‘ Thrasher versus Poser. Wobei einige der engstirnigsten Thrasher alles als Poser bezeichnete, was keine Doublebass-Drums hatte.  Während die ‚Poser‘- Fraktion den Thrash als kaputten Lärm bezeichneten.

Dann gab es ja noch die Leute, die zu keiner der beiden ‚Fronten‘ gehören wollten. Und um das auch verbal zu untermauern, wurden halt neue Schubladen fabriziert. Nahezu alle 5 Monate erfand jemand eine neue Kategorie, und natürlich schimpfte jeder auf die anderen und so weiter und sofort. Da gab es Doom-Metal, Death- Metal, Hardcore, Grindcore, Noisecore- und in die andere Richtung ging es mit Sleaze-Metal, Power Metal etc. Diese wurden dann noch fröhlich vermischt, um auch noch der eigenständigsten Band eine Schublade zu verschaffen- könnte ja sein, das wird zum Trend, und dann braucht dieser Stil doch einen Namen!  Death-Thrash, Doom-Death, Grind-Death, Noise-Grind  ,und so weiter und so weiter…. Das ging dann soweit, daß jede Band anfing, sich eine eigene Stilrichtung zu entwerfen, ohne eigentlich eine eigene Stilrichtung darzustellen. Dabei legten manche eine Phantasie an den Tag, welche man sich eher auf dem musikalischen Sektor gewünscht hätte. Da gab es plötzlich Industrial Cyberpunk Sado Metal , Epic War Metal und dergleichen. Im Black Metal entstanden Ableger wie Viking Metal, Pagan Metal, Unholy Black Metal, Unholy War Black Metal, Black War Metal, Trollish Black Metal, es wurden gigantische Wortkonstruktionen errichtet, wie Obscure And Deep Crushing Death Metal , True black and unholy christcrushing Metal bis hin zu Hedonistic Enochian Tabula Rasa Supreme Metal (!!!). Und noch endlos mehr davon. Und da die (in diesem Stadium eh schon fiktive) Unterteilung nicht reicht, wurden dann auch noch nationale Grenzen gezogen. True norwegian Black Metal, True Bavarian Black Metal, True Thuringian Black Metal. Leute, Leute, Musik soll angeblich Grenzen überwinden helfen, und nicht neue schaffen!

Diese, oft sogar von den Bands selbst erfundenen Kategorien lassen doch nur vermuten, daß es diesen Bands an Identität fehlt. Ich meine, wie war es denn früher? Da waren Bands wie Iron Maiden, Judas Priest (eternal Godzzzz!), Saxon oder Motörhead in ihrer Blütezeit. Hatten die es denn nötig, irgendwelche extra-Kategorisierungen zu erfinden? Es war einfach alles – Heavy Metal.

Kollegen, was heute teilweise abgeht ist doch gequirlte Scheiße. Okay, daß man gewisse Stile trennt, ist schon, angesichts der Vielfalt in der Metalmusik, in gewisser Weise nötig, gerade für Rezensionen oder Promotion, wo man schon in etwa die Richtung angeben sollte. Doch wenn die Sache weiter so übertrieben wird, glotzt bald jeder nur noch auf die in der Werbung angegebene Stilrichtung, und glaubt so dem Musikbusiness letztendlich jeden Scheiß.

Natürlich kann man nicht uneingeschränkt auf eine genauere Kategorisierung verzichten, da nun mal der eine eher härteres und schnelleres Material bevorzugt, ein anderer es eher ruhiger mag. Und vernünftigen Stileinteilungen bin ich auch nicht abgeneigt (als Fanzineschreiber muß man ja in den Reviews auch irgendwas schreiben, oder?), aber mittlerweile stehen auf Infozetteln Musikstile, unter denen sich kein Aas mehr was vorstellen kann. Wer beispielsweise hat schon eine Ahnung davon, wie Shadow Metal oder Power Deadly Metal klingt???

Maik Godau 35 Artikel

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