Galerie: theARTer in Berlin Interview

Berlin ist um eine Galerie reicher geworden. Zum Glück, denn: „Die Galerie theARTer ist übrigens die wahrscheinlich erste Galerie der Welt, die von einem Metal-Head geführt wird.“ Dies sollte jedoch nicht der einzige Grund sein weswegen ich mich mit Carsten, Eigentümer der Galerie, in Verbindung setzte. Lest im Folgenden wie nah Metal und Kunst sich sein können und warum die Galerie theARTer uns noch des öfteren begegnen wird.

Hallo Carsten und danke dass du dir die Zeit nimmst ein paar Fragen zu beantworten.
Ich glaube es ist am besten, wenn du dich und deine Galerie, Konzept/ Philosophie dahinter, vorerst unseren Lesern vorstellst.

Mmmhh, meine Person halte ich nicht für so wichtig und eigentlich auch für ziemlich uninteressant, gehen wir also gleich zur Galerie über. Die Galerie theARTer wurde im Oktober 2007 mit der grundsätzlichen Idee eröffnet, nicht nur den arivierten Künstlern oder denen, die mit einem Kunststudium aufwarten können, eine Plattform zu bieten, sondern auch den sogenannten Autodidakten. Das schließt studierte Künstler natürlich nicht aus, aber eben unstudierte unbedingt mit ein! Ich bin der festen Überzeugung, hier ruht ein unheimliches und allzu oft vernachlässigtes Potential.

Was genau hast du denn studiert? Kunstgeschichte? (Wenn ja: Wo hast du studiert und was hat dich während deines Studium besonders genervt und was interessiert?)
(schmunzelt) Für diese Frage bin ich Dir eigentlich sehr dankbar, zumal eine ähnliche Frage auch immer die erste ist, die einem Künstler gestellt wird, sobald er eine Galerie betritt um sich und sein Werk vorzustellen. Dies muss zwangsläufig die Vermutung zulassen, dass viele Galeristen offenbar keinen Mut zum eigenen Urteil haben und sich deshalb um so mehr auf die Vita eines Künstlers stützen. Dabei ist es immer sehr erheiternd, wenn ein Künstler auf die Frage ob er denn studiert hat mit „Nein“ antwortet und der Galerist daraufhin erwidert „Das sieht man.“ Na klar sieht man es zuweilen, aber vielleicht auch nur aus sich dem daraus ergebenden Umkehrschluss! Wenn jemand Konfetti auf einem Tisch zerstreut, liegt es sehr nah, dass er Kunst studiert hat. Ein Autodidakt hält dies in der Regel für zu banal und würde wohl eher etwas anderes anstreben. (grinst)
Stanislav Jerzy Lec hat einmal gesagt: „Ich hätte viel begriffen, wenn man es mir nicht beigebracht hätte.“ Und genau das trifft es zuweilen!

Wann und wie kam es schließlich zu dem Entschluss eine Galerie zu eröffnen?
Unter anderem aus der zuvor gestellten Frage (schmunzelt) und aus den Gesprächen mit verschiedenen Künstlern resultierend, welche immer wieder Schwierigkeiten bezüglich der Zusammenarbeit mit so mancher Galerie formulierten. Da ergab sich zwangsläufig die Frage nach anderen Wegen. Den theoretischen Ansatz – so unausgegoren er manchmal auch sein mag – war natürlich schnell da, dies jetzt in die Praxis umzusetzen, dieser Herausforderung stelle ich mich nun.

Metal und Kunst. Wie lässt sich das deiner Meinung nach miteinander in Verbindung bringen, vereinen oder auch kombinieren?
Ausser Gothic und Metal, fällt mir keine Musikrichtung ein, die visuell so stark durch ihre Cover-Artworks geprägt wurde und noch wird. Hier werden zuweilen echte Themenwelten umgesetzt, während man es bei anderen Musikstilen oftmals nur mit einer gewissen Beliebigkeit zu tun hat.
Die Umsetzung eines Cover-Artworks habe ich schon immer als eine hohe Kunst angesehen! Sicher gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Musiker, Label und Grafiker sehr unterschiedlich und heutzutage greift man wahrscheinlich auch häufig auf bereits fertige Artworks zurück. Jedoch der klassische Weg, bei dem der Cover-Künstler die Musik oder ein Thema visuell umzusetzen hat, stellt eine große Herausforderung dar. Die wechselseitige Beziehung, Abhängigkeit – oder wie auch immer man es formulieren möchte – weist, meiner Ansicht nach, einige Parallelen zu anderen Kunstepochen auf. Mir ist klar, dass viele „Gelehrte“ solche Artworks als plumpe Illustration abtun, aber was hat denn Albrecht Dürer zu seiner Zeit gemacht? Und wer weiß, vielleicht würde Hieronymus Bosch heutzutage Metal-Cover erschaffen.

Oder werden deine Besucher beim Betrachten der jeweiligen Kunstwerke gar mit zarten Metal-Klängen á la Mortician beschallt?
Ja, ich habe Musik und Malerei, aber auch andere Ausdrucksformen wie zum Beispiel Text, schon immer als Einheit gesehen. Darum spielt dies natürlich auch in der Galerie theARTer eine sehr wichtige Rolle. Eigentlich läuft bei uns immer Musik. Die Musik-Auswahl erfolgt dabei in der Regel zusammen mit den ausstellenden Künstlern. Wichtig ist, dass die Atmosphäre der Ausstellung transportiert wird. Das muss nicht immer purer Metal sein und je nach Ausstellung schließt sich das eben gelegentlich auch aus. Aber ich hätte auch kein Problem z.B. Mortician, Cannibal Corpse oder The Berzerker in der Galerie laufen zu lassen. Wobei dies einige Galerie-Besucher durchaus überfordern dürfte. (lacht).
Derzeit läuft bei uns zum Beispiel häufig Musik von Dominique Fraissinet. Ein echter Geheimtipp, da derzeit noch unveröffentlicht,! Das hat weniger mit Metal zu tun, sondern eher mit klassischem Piano. Aber durch die getragene und düster-melancholische Grundstimmung sind die Klänge mit Sicherheit sehr interessant für viele Gothic-Fans und bestimmt auch für einige aufgeschlossene Metaller. Ich freue mich schon wahnsinnig auf ihren Auftritt in unserer Galerie. Sowieso kann ich eigentlich nur alle Bands dazu auffordern, mir reichlich Demos zu zu senden. Wer weiß, vielleicht wird ja eine davon zu unserer Hausmusik (schmunzelt). Auf alle Fälle sind wir bestrebt Musik und andere Ausdrucksformen stärker in den Galerie-Alltag zu integrieren.

Welchen Metalstil favorisierst du eigentlich?
Ich höre persönlich vornehmlich sehr melodische Musik, mit klassischen und folkloristischen Einflüssen und möglichst viel Bombast und Pathos oder eher getragenes, melancholisches über alle Metal-Richtungen hinweg und zum Teil weit darüber hinaus. Angefangen hat alles mit Accept, Twisted Sister, Manowar, Blind Guardian und so weiter. Diesen Bands bin ich bis heute treu geblieben und es gesellten sich natürlich auch noch andere Bands wie Rhapsody und Consorten hinzu. Wobei die Spannweite bis hin zu Cradle of Filth, Dimmu Borgir, Summoning, Limbonic Art, Arkona, Korplikani usw. geht. Aber auch solchen Spaßcombos wie z.B. Boni Nem, um die sich ja Metalglory.de sehr verdient gemacht hat oder richtiges Grind-Geprügel wie The Berzerker stehe ich offen gegenüber. In den letzten Jahren habe ich mich aber auch anderen Stilen sehr geöffnet und höre auch gern so etwas wie Corvus Corax, Sopor Aeternus, Weltenbrand usw.

Und warum sollte der gemeine Metalhead unbedingt eben diese Galerie besuchen?
Na wegen der guten Musik und des zu erwartenden Freibiers! (lacht). Nee-nee, jetzt mal ernst: weil die Galerie, so hoffe ich doch, etwas anders ist! Wir werden wahrscheinlich immer mal Ausstellungen und Events präsentieren, die im näheren oder auch weiteren Sinne etwas mit Metal oder Gothic zu tun haben. Ausserdem kann man seine offenbar oftmals natürlich vorhandene Ehrfurcht vor einer Galerie getrost außen vor lassen. Das betrifft selbstverständlich nicht nur Metalheads! Wir sind kein elitärer und realitätsferner Zirkel! Etwas überspitzt ausgedrückt, sind wir nichts anderes als eine Location bei der Galerie drüber steht! Diese Tatsache allein, ist noch nichts besonderes! Sowieso sehe ich keine unbedingte Zwangsläufigkeit darin, sich in einer Galerie immer nur über Kunst unterhalten zu müssen! Mit einer solchen Herangehensweise wird man wohl nie ein neues Publikum an die Kunst heranführen können. Zwar bin ich kein Kulturbeauftragter, aber ich hatte von Anfang an die Vorstellung auch Leute in die Galerie zu holen, welche sonst nicht zu den klassischen Ausstellungsbesuchern zählen. Zwar sollte dies eher die Aufgabe der öffentlich geförderten Institutionen sein, aber die würden wohl solche Ausstellungen – wie wir sie planen – prinzipiell ausschließen.
Es gibt wohl einige Metaller die meinen, sich eigentlich nicht für Kunst zu interessieren, aber letztlich doch sehr stark auf eine Cover-Gestaltung o.ä. achten. Auch diesen Leuten möchten wir mit der Galerie eine emotionale und geistige Brücke zur Kunst sein.
Der Besucher soll die Werke in Ruhe auf sich wirken lassen können, ohne das jemand daneben steht und ihm ein Gespräch aufdrängt. Kunst braucht Freiraum, aber diesen muss man auch den Betrachtern zugestehen!
Mittel- und langfristig wollen wir im normalen Tagesprogramm noch mehr bieten. Wir haben bereits jetzt ein paar Underground-Film-, Doku- und Video-Produktionen im Programm, die wir kostenfrei zeigen dürfen. So etwas würde ich natürlich auch gern noch mehr in Richtung Metal usw. ausbauen. Sowieso möchte ich gern Special-Veranstaltungen, auch in Richtung Metal und Gothic, durchführen. Das können Vorträge, -Lesungen, Release-Partys, -Börsen bis hin zu Akkustik-Sessions sein. So hatten wir zum Beispiel letztens eine Lesung von und mit Till Burgwächter vom Metal Hammer in der Galerie theARTer. Ich glaube, die die da waren, fanden es richtig heavy und das nächste mal werden wir wohl Pampers an die Zuschauer verteilen müssen, im Falle die pinkeln sich wirklich vor lachen in die Hose.
Darüberhinaus befindet sich die Galerie theARTer garnicht so weit vom „Berliner Metal-Kneipen-Viertel“ entfernt und unsere Öffnungszeiten (derzeit teilweise bis 23:00 Uhr) würde wohl einem Abstecher vor einem Konzert oder ähnlichem sehr entgegen kommen.

Wie wäre es denn mal mit einer Ausstellung eines der größten Metal-Cover-Künstler überhaupt: Kris Vervimp? Würde dass in dein Konzept passen?
Da wären sicher noch einige Namen mehr zu nennen! Auf alle Fälle würde ich so etwas gern machen wollen!

Wie findest du tatsächlich „passende“ Künstler?
Das ist sehr verschieden! Natürlich halte ich die Augen offen, aber mittlerweile stellen sich die Künstler auch immer häufiger in der Galerie vor. Was mir natürlich sehr lieb ist, da ich der festen Überzeugung bin, dass es eine Reihe sehr guter Künstler gibt, die vornämlich für ihr Atelier bzw. für sich selbst arbeiten und bisher kaum in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten sind.

Auf der Internetseite der Galerie HYPERLINK „http://www.thearter.de“ www.thearter.de kann man den folgenden Satz lesen: „Denn zieht man gerade die Kriterien Qualität und Wert zur Bemessung von Kunst heran, muss man zu dem Schluss kommen, dass die Kunstgeschichte voll von Fehlbewertungen ist.“ Worauf genau spielt diese Aussage an? Ist eine Überbewertung vieler (berühmter?) Kunstwerke gemeint oder doch eher eine Geringschätzung?
Sowohl als auch! Bei so manchen „hochkarätigen“ und berühmten Künstlern möchte man meinen, dass sie nichts anderes als Trickbetrüger oder Marketingexperten sind bzw. waren. Bei anderen fragt man sich, warum deren Arbeit so dermaßen, gerade in wirtschaftlicher Hinsicht, unterschätzt wird.
Das ist ähnlich wie in der Musik! Ich glaube, jeder Metal-Fan kennt eine Band, bei der er meint, dass diese komplett unter- oder überbewertet wird. Man muss sich allerdings auch immer im klaren darüber sein, dass ein individuelles Urteil über ein kreatives Werk immer auch ein wenig ungerecht ist.

Um langsam zu einem Ende zu gelangen: Was kann der kunstinteressierte Metaller als nächstes bei dir bewundern?
Nach der hervorragenden Gemeinschaftsausstellung von Ingo Schleutermann und Ilse Korzitzki, stellen wir derzeit Werke von C.eS. aus. Diese sind durchaus mystisch und blutig, mit einigen blasphemischen Anspielungen und mit durchaus schwarzem Humor und kleinen Sauereien versehen. Einige seiner Werke könnten durchaus als Metal- oder Gothic-Cover herhalten. Danach folgt eine Ausstellung von Senrek. Das hat weniger vordergründig mit Metal zu tun, aber seine Bilder werden zunehmend etwas rockiger. Im September werden wir dann Werke von Torsten Gebhardt und Vitali Geyer zeigen, worauf ich mich auch schon sehr freue. Torsten Gebhardt verarbeitet die großen Themen des Lebens und hat bereits für Bands wie Fear Factory und Concept of God (ein Side-Projekt von Solitude Aeternus) gearbeitet und Vitali Geyer arbeitete in der Vergangenheit bereits für Bands wie Sodom, Fatal Embrace und hat die Animationsgrafik für Wacken, Lacrimosa (Lichtjahre), Volbeat usw. gemacht. Wem das dann nicht gefallen sollte, der kann immer noch aufs Klo gehen, dort hängt ein Spiegel! (lacht)

Und last but not least, mit der Bitte um kurze Antwort. Was fällt dir zu Folgendem ein:

1. Black Metal:
Angemalte Jammerlappen?! (lacht) Mag ich außerordentlich, aber sieht da heute wirklich noch jemand durch was Black, Pagan oder sonstwie ist? Darüber lässt sich immer vortrefflich diskutieren, aber eigentlich ist der Präfix egal! Hauptsache Metal!

2. William Blake:
Von ihm stammt das Bild, welches ich als kleiner Junge das erste mal bewusst wahrgenommen habe.

3. Mittelalter oder Neuzeit:
Ich bin froh, dass ich in der Neuzeit lebe! Mit meiner Weltanschauung wäre ich im Mittelalter höchstens bis zum Schafott gekommen. Außerdem hätten mir die sanitären Bedingungen dort nicht gefallen. (lacht)

4. Rodin oder Modigliani:
Warum muss es „oder“ heißen? Beide haben ihre Daseinsberechtigung. Komischwerweise mag ich mittlerweile sogar Modigliani, was noch vor etwa 10 Jahren unvorstellbar gewesen wäre.

5. Kunst oder Musik:
Musik ist Kunst!

http://www.thearter.de/

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