Obwohl das Trio Birushanah aus Osaka kein neuer Stern am Experimental-Metal-Himmel ist und auch bereits mehr als einmal in Europa unterwegs war, ist es in Europa bisher unbekannt geblieben. Wir sprachen mit Sano, dem Mann am Percussion-Set, über kulturelle Unterschiede, Tour-Erfahrungen, Songwriting-Prozesse und noch so Einiges mehr.
Hi Sano! Obwohl Birushanah bereits seit dem Jahr 2001 aktiv ist und auch schon Einiges an Tour-Erfahrungen in unseren Breitengraden sammeln konnte, dürftet ihr den meisten Lesern bisher nicht bekannt sein. Kannst du uns die Band kurz vorstellen?
Die Band wurde 2001 oder 2002 ins Leben gerufen; zu der Zeit bestand sie aus zwei Sängern, einem Schlagzeuger und einem Bassisten. Und ich schätze mal, dass es zu der Zeit keine vergleichbar seltsame Hardcore-Band gegeben hat. Es wurden die traditionellen japanischen Tonleitern benutzt, die mit bundlosem Bass zu einem stark verzerrten Sound verunstaltet wurden. Dazu kam dann die typisch-japanische Grindkehle.
Die Shows zeichneten sich damals vor allem durch eine nervöse und gleichzeitig raue Grundstimmung aus. Das Line-Up änderte sich 2005, als Sänger Iso und ich zur Band stießen. Schlagzeuger Mokkun kam 2014 dazu. Der ursprüngliche Bassist hatte bereits 2011 das Handtuch geworfen, und nunmehr ist kein Gründungsmitglied übrig geblieben.
Da die Mehrheit eurer Hörer in Europa wahrscheinlich kein Japanisch spricht: kannst du uns etwas über euer lyrisches Konzept verraten? Wovon handeln die Songs – und was bedeutet der Name Birushanah eigentlich?
Textlich geht es um das Licht des Lebens, fälschlich geboren aus dem universellen Konzept von Liebe, Vorstellungskraft, Zerstörung und Blut. „Birushanah“ ist ein Name von Buddha. Es bedeutet so viel wie der Glaube daran, dass Licht und Leben die Quelle aller Energie ist. Dennoch sind wir keine Buddhisten – lediglich ein Abbild der Existenz.
Da euer Line-Up ja ziemlich speziell und euer Sound ziemlich einzigartig ist: wie läuft bei euch das Songwriting ab? Wie entstehen eure Ideen und werden letztendlich zu Musik?
In der Tat ist es uns sehr wichtig, ein einzigartiges Ensemble zu bilden. Die meisten Songs entstehen aus Jam-Sessions mit Percussion und Gitarre. Ich erinnere mich an Beats, die mir im alltäglichen Leben eingefallen sind – und dann rufe ich die Jungs ins Studio. Manchmal ändere ich auch Basslines, die ich gehört habe und die mir gefallen, spezifisch für Percussion um. Ich mag die Herausforderung, so etwas zu reproduzieren. Darüber hinaus halten wir nicht viel von einheitlichem Songwriting. Wir sind etwas eigen darin, jeden Song für jedes Instrument individuell zu entwickeln. Das ist für uns ein Ausdruck individuellen Lebensstils. Und damit sind wir bei der vorherigen Frage beziehungsweise Antwort: Unser Name bedeutet Leben, Licht, Energie – die von jedem von uns kommt. Als unser Bassist aufhörte, haben wir deswegen auch nicht nach Ersatz gesucht. Vielmehr war es uns wichtig, mit dem zu arbeiten, was von der Band übrigblieb. Das ist die natürliche Verdichtung des Lebens.
Ihr seid in der Vergangenheit schon mehrfach in Europa auf Tour gewesen. Kannst du uns etwas über die besten und vielleicht auch über die schlechtesten Erfahrungen auf diesen Reisen erzählen?
Oh ja, da gibt es so Einiges. Unser Van ist auf der Straße kollabiert. Einmal sind wir nach einem Konzert zu unserer nächsten Location gefahren und haben ein Bandmitglied vergessen. Wir sind einmal sogar mit dem Tourbus in einen Fluss gefahren, weil der Fahrer hinter dem Steuer eingeschlafen war. Oder das eine Mal, als ich in Eile war und meinen Flug erwischen musste, weil ich verpennt hatte. Einen Moment nicht aufgepasst, und natürlich knallt mir die große Flasche Shochu (japanischer Schnaps) im Zug auf den Boden und geht kaputt. Eigentlich war der Zug ziemlich voll, aber ich hatte einen 2-Meter-Radius um mich herum, in dem sich niemand mehr aufhielt, weil es so gestunken hat.
Es gibt schon viele lustige Geschichten. Verrückte Dinge passieren eben, vor allem wenn harte Getränke und Drogen im Spiel sind. Die guten Erlebnisse sind natürlich auch zahlreich: Viele Freunde, viel Bier, Romanzen …einfach alles!
Wie würdest du das Feedback beschreiben, dass ihr im Ausland bekommen habt? Hattet ihr dort schon Fans, bevor ihr dort live gespielt hat, oder hat sich das erst mit der Zeit entwickelt?
Wir haben jedes Mal eine Menge Feedback erhalten. Mal konkret und fühlbar, mal eher vage und unfassbar, aber immer verblüffend. Ich glaube, dass viele Zuschauer positiv beeindruckt nach Hause gehen und mehr erfahren möchten. Und für einige wird es sicher auch unmöglich sein, das Ganze richtig zu begreifen. Es ist ein bisschen wie ein Mysterium – jedenfalls fühlt es sich für mich so an. Natürlich kennen einige Leute uns auch schon und unterstützen uns. Das ist mein persönlicher Antrieb und die treibende Kraft hinter unserer Musik.
Habt ihr Unterschiede zwischen dem japanischen und europäischen Publikum festgestellt? Gibt es irgendwas, das euch in länderspezifischer Hinsicht aufgefallen ist?
Ich glaube, dass das europäische Publikum etwas aufgeschlossener ist als bei uns zu Hause. Das mag daran liegen, dass Musik im Allgemeinen und Rock oder Metal im Speziellen dort stärker in die Kultur und das tägliche Leben integriert sind. Japaner machen zwar nach außen hin immer den Eindruck, als würde es Ihnen gefallen – aber man weiß, dass das nicht der Fall ist. Da unsere Aufenthalte in den einzelnen Ländern immer nur kurz sind, fällt es mir schwer, konkrete Unterschiede zu benennen. Aber der Unterschied zwischen Paris und Bordeaux ist ziemlich offensichtlich, Haha! Das ist genauso wie der Unterschied zwischen Tokyo und Osaka.
Um wieder verstärkt auf Japan zurückzukommen – Erzähl‘ uns etwas über die dortige Metal-Szene. Wie einfach oder schwer ist es für neue Bands, sich zusammenzufinden, Proberäume zu finden und an Auftritte zu kommen, sobald sie so weit sind?
Nun ja, zumindest in meiner Heimatstadt Osaka verfügen wir über viele Proberäume und Live-Venues; insofern ist es nicht schwer, eine neue Band zu formen und loszulegen. Allerdings braucht man dafür schon eine Stange Geld. Meistens müssen die Bands die Kosten für einen Veranstaltungsort selbst tragen, gerade dann, wenn sie noch unbekannt sind und kein großes Publikum zu erwarten ist. Generelle Förderung oder dergleichen gibt es nicht.
Wie ist es um den allgemeinen Zusammenhalt in der Szene bestellt? Helfen die Leute sich gegenseitig oder ist es eher ein beständiger Einzelkampf?
Die Underground-Szene in Osaka ist sehr gut organisiert; man hilft und unterstützt sich gegenseitig. Wir persönlich möchten uns aber nicht darauf verlassen müssen. Das ist das Gute und Interessante an Osaka: alles ist weniger monolithisch. Am Beispiel unserer Musik wird das deutlich: es gibt einige Bands, die sich nicht in irgendeine Style-Schublade stecken lassen, und aus irgendeinem Grund verstehen wir uns alle gut miteinander. Ich persönlich interessiere mich nicht zu sehr für bestimme Szenen, auch wenn ich die Leute mag, die sich in ihnen bewegen. Insofern denke ich, dass die Szene in ihrer Gesamtheit etwas Gutes ist.
Ich schätze mal, dass es zu der Zeit keine vergleichbar seltsame Hardcore-Band gegeben hat.
Zurück zu Birushanah: Wie sehen eure Zukunftspläne aus? Habt ihr weitere Touren oder Veröffentlichung in der nächsten Zeit anstehen?
Ich schreibe weiterhin neue Songs. Darüber hinaus bin ich gerade dabei, Kontakte zu knüpfen, um eine insbesondere in visueller Hinsicht spezielle Show auf die Beine zu stellen. Und Touren sind natürlich immer ein Thema. Ich habe vor, noch viele verrückte Songs aufzunehmen, die niemand versteht.
Soweit ich weiß, verbindet Birushanah eine enge Freundschaft mit der französischen Doom-Band Monarch. Kannst du uns erzählen, wie diese Freundschaft zustande kam und was euch so stark aneinander bindet?
Wir haben uns 2011 während der ersten Japan-Tour von Monarch kennengelernt; insofern ja, wir sind mit ihnen schon lange sehr „verbrüdert“. Alle Bandmember haben starke Persönlichkeiten. Sie machen wunderbare Musik und wir teilen ihren Sinn für Humor und ihre Art, einen draufzumachen. Natürlich hatten wir auch Konflikte und schlechte Zeichen, aber wir sind immer noch eng miteinander verwurzelt. In Japan sagt man dazu „Verfaulte Beziehung“, Haha. Es ist schon erstaunlich.
Du sagtest vorhin, dass Bands für ihre Auftrittsoptionen in Japan häufig selbst bezahlen müssen. Ist das bei euch auch der Fall oder habt ihr einen Status erreicht, wo ihr gebucht und für eure Kunst auch bezahlt werdet?
Glücklicherweise haben wir erreicht, dass wir nicht mehr zahlen müssen und auch ein bisschen was rauskriegen. Viel Publikum bedeutet mehr Geld, wenig Publikum eben wenig bis sehr wenig. Ich denke mal, dass das so läuft wie in anderen Ländern auch: irgendeiner muss am Ende immer bezahlen.
Als du meintest, dass ihr nach dem Ausstieg eures Bassisten im Jahr 2011 keinen neuen Basser gesucht habt: bedeutet das, dass euer Kreis in der bestehenden Konstellation vollständig ist und Birushanah aufhören würde zu existieren, wenn noch jemand aussteigt, weil Ersatz einfach nicht in Frage kommt?
Ehrlich gesagt tun wir uns manchmal sehr schwer mit dem Songwriting, weil wir keinen Bassisten haben. Darum haben wir mit der ganzen experimentellen Schiene angefangen. Es ist essentiell, dass wir unsere Vorstellungskräfte bündeln und fokussieren, um neue Musik zu erschaffen. Wenn wir zu einheitlich vorgehen, wäre das Ergebnis sehr kompakt und ohne Kraft und Aufregung. Wenn nun noch jemand die Band verließe, wäre das nur sehr schwer aufrecht zu erhalten, und somit denke ich auch, dass der Austausch von Bandmitgliedern keine Option ist. Anderseits gibt es auch immer eine Zeit für etwas Neues. Insofern hoffe ich sogar, dass Birushanah von jemandem fortgeführt wird, wenn wir einmal tot sind. Birushanah bedeutet Herausforderung, Kampf und Leben. Menschen brauchen diese Dinge zu jeder Zeit. Aber an diesem Punkt ist ein neues Bandmitglied einfach keine Option. Das ist alles.
Die Band hat bisher vier Full-Length-Alben veröffentlicht. Wie stark werden Genres wie das eure von der Musikindustrie unterstützt? Gibt es Hilfe seitens der Plattenlabel – und verdient ihr etwas an Plattenverkäufen?
Ganz ohne Sarkasmus: unsere Musik lässt sich ohnehin nicht in ein spezifisches Genre pressen. Jedes unserer Alben hat seinen ganz eigenen Sound; insofern kommt der Support auch von den Anhängern unterschiedlicher Genres – wie zum Beispiel Doom, Death Metal, Psychedelic Rock, Hardcore Punk, Noise und Experimental Sounds. Ich kann nicht genau sagen, inwiefern das alles unseren Verdienst beeinflusst, aber dass wir überhaupt etwas einnehmen, ist dafür verantwortlich, dass wir immer noch existieren.
Wo wir gerade beim Thema Alben sind: euer aktuelles Werk Ha Ni Narumade wurde im August 2018 veröffentlicht. Wie würdest du die generelle Stimmung des Albums beschreiben, und inwiefern unterscheidet es sich von den vorangegangenen Alben?
Hmmm – wir haben versucht, den Sound dieses Mal klarer zu halten, damit der Hörer alle Details einfangen und wahrnehmen kann. Und natürlich die raue Grundstimmung. Um das zu erreichen, mussten wir uns der Musik auf eine mathematischere Art und Weise nähern als sonst. Als Resultat haben wir es aber geschafft, den Sound zu erzeugen, nach dem wir gesucht hatten.
Davon ausgehend, dass eure Musik die Zuhörer inspiriert und sie Lust haben, weitere Bands kennenzulernen, die – zumindest zu einem gewissen Grade – in eure Richtung gehen: gibt es Bands, die du weiterempfehlen kannst?
Na klar; hier sind ein paar Empfehlungen meinerseits!
Deepcount
Poesie und Rap auf Japanisch, gemischt mit RocknRoll, Funk, Jazz, Dubstep und Harcore Punk. Sehr emotional und spirituell –eine meiner Lieblingsbands.
Warhead
Der beste Hardcore Punk überhaupt!
Rapes
Brutal Metalcore; legendär hier bei uns.
Swarrrm
Chaotischer Emo-Grind aus Kobe. Wahnsinnig schnelle, grindige Blastbeats und melodiös-melancholische Gitarren. Weitgehend unbekannte und sehr extreme Musik.
Melt-Banana
Hyper-extremer Grind-Pop!
She luv it
Fusion aus Black Metal, Beat-down Hardcore und krachendem D-Beat. Aus meiner Heimatstadt Osaka.
Doom
Progressive Hardcore Thrash Metal. Das Original.
Gomnupers
Kranker Scheiß; eine Art hardcore-Sludge-Verbindung.
Vielen Dank für das Interview und maximale Erfolge weiterhin, Sano!
Vielen vielen Dank! Ihr seid die Besten. Arigato und Liebe! ;-)
Foto: Band