XIII. Rock For Roots 2015

Flyer-RfR-2015-Druck-ohne-Beschnitt-RandDas Rock for Roots ist eines dieser Festivals, die klein angefangen und bis heute auch klein geblieben sind. Diese Vorgehensweise bedeutet einerseits natürlich, nicht oder nur in begrenztem Maße mit international bekannten Namen aufwarten zu können. Andererseits aber bewahrt sich so ein Festival auf diese Weise einen angenehm-familiären Charakter, der es den Besuchern zu jeder Zeit ermöglicht, die Bands und ihre Musik ohne lästiges Gedrängel, Geschubse und endlose Schlangen zu erleben.

Beim Rock for Roots stehen in musikalischer Hinsicht Pagan, -Folk- und Black-Metal-Bands im Vordergrund. Den Austragungsort stellt die Freilichtbühne in Nauen (Brandenburg) dar, vor der im Halbkreis und an einem leichten Abhang versehende Holzbänke gleich einem Amphitheater fest installiert sind. So hat der Zuschauer auch die Möglichkeit, schon mal für das Rentenalter zu üben oder zwischendurch einfach mal ein Sitzpäuschen einzulegen.

Am Freitag eröffnen SCHALLTOT aus Berlin um 17 Uhr das Geschehen. Nach eigener Aussage wird „ganz gewöhnlicher Wohnzimmer-Metal“ gespielt. In Wahrheit lässt sich nicht genau sagen, was das denn nun eigentlich sein soll. So steht auf Facebook „Deutsch Heavy, Progesssive, Alternative Metal; sodass man sich hier offenbar noch einigen muss. Auffällig ist, dass Sänger Arthur dringend an seinen Screams feilen muss. Beim Song „Vertigo“ ist das Publikum noch recht verhalten, aber immerhin vereinzelt anwesend. Rhythmisch ist das Ganze ja auch recht schön, aber insgesamt noch viel zu unausgereift, um wirklich mitreißen zu können.

BLOODY INVASION sind als nächste dran. Hier hat das Publikum dann auch bereits an Quantität zugelegt. Mit meinem Tipp (Blackened Death Metal) lag ich gar nicht mal so falsch. Die Aufmachung der Band setzt sich aus Muskelshirts, Tool-Westen und dunklen Sonnenbrillen, Armeehosen und Bannern, auf denen Zombies mit Rio-Jesus irgendeine postapokalyptische Party feiern, zusammen. In Erinnerung bleibt der Song „Zombie Society“, bei denen Sänger Max auch fleißig bemüht ist, das Publikum zum Abgehen zu animieren. Trotz Death Metal sind die Jungs um Wechselhaftigkeit sowohl auf instrumentaler als auch gesanglicher Ebene bemüht.

WOLVES DEN schrauben den musikalischen Anspruch mit ihrem Melodic Black Metal dann schon ein ordentliches Stück höher. Die Band versteht es außerordentlich gut, eine düstere Atmosphäre zu transportieren und die ihr eigenen Klopperskills auch nicht unter den Scheffel zu stellen. Es ist zwar noch viel zu hell für derlei Musik, aber trotzdem gefällt sie ausgezeichnet. Daran ändert auch die Tatsache, dass die Intros der Songs aus der Dose kommen, nichts. Das Mikro des Sängers ist mitunter zu niedrig eingestellt, aber ansonsten ist alles sauber. Insbesondere „Deus Vult“ kommt beim Publikum gut an.

HANGATYR beweisen, dass Körpergröße relativ ist…oder zumindest nichts mit dem Stimmvolumen zu tun hat. Darüber Hangantyrhinaus hat sich hier in personeller Hinsicht eine gute Mischung aus haarig und unhaarig zusammengefunden. Musikalisch: Nun, wenn Balin, Herr von Moria, in seiner Freizeit eine Pagan-Metal-Band dirigiert hätte, wäre dies vermutlich Hangatyr gewesen. Jedoch, trotz redlichen Bemühens der Band stimmt da irgendwas nicht. Beschissen abgemischt? Halsprobleme des Sängers? Wirklich schwer zu sagen! Dies macht sich leider auch beim Publikum bemerkbar, denn obgleich anwesend, hält es sich sehr zurück. Immerhin die instrumentalen Parts überzeugen über weite Strecken.

MaatMit MAAT wird es dann ägyptisch-deathig. Die Berliner haben in diesem Jahr schon einige Festivals abgefackelt, sollten also überdurchschnittlich eingespielt sein. Und in der Tat fangen sie mit einem Soundcheck an, der doch etwas überkandidelt wirkt, da er ewig dauert. Was die Sache noch verschlimmert: Meine Mitstreiter nutzen die musikalische Verschnaufpause, um sich in tibetanischem Kehlkopfgesang zu üben. Die Zuhörerschaft rottet sich derweil zahlreich vor der Bühne zusammen. Als es dann endlich losgeht, lässt das Intro auch die unbedarften Hörer direkt an „Die Mumie“ denken. Ab dem ersten Riff offenbaren Maat dann aber, dass hier eindeutig Profis am Werk sind. Die synchrone Performance überzeugt zumindest mich in der live dargereichter Form wesentlich mehr als die über YouTube angehörte Songs, und es mag Schicksal sein, dass es mir mit Nile vor langer Zeit schon genau so ging. In jedem Fall kommt hier keine Langeweile auf, und es darf mit Fug und Recht behauptet werden, dass Maat auch einen späteren Slot verdient hätten.

Warum zum Beispiel EDEN WEINT IM GRAB danach spielen dürfen, will mir nicht einleuchten. Diese Spielart des Dark Eden Weint im GrabMetal mag ja ihre Anhänger haben, und Geschmackssache ist es ohnehin – aber hier an dieser Stelle nimmt die doch eher getragene Musik das Tempo ungünstig aus der Veranstaltung. Trotzdem steht das Auditorium geballt und in bislang unerreichter Zahl vor der Bühne; die heftigen Rufe nach Zugaben werden auch brav befolgt.

An NARGAROTH scheiden sich seit jeher die Geister – und ich will auch gar nicht viele Worte darüber verlieren. Die doch recht große Zahl an Jüngern lässt durchblicken, dass sie nicht zuletzt wegen dieser Band auf dem Festival ist, doch anstatt gehörig auszurasten, hören sie eher brav zu. Bezeichnend ist, dass auf einmal alle „Ich wollte dir nur mal eben sagen“ zu klassischen Nargaroth-Riffs singen. Na ja…

Als letzte Band des Abends spielen F41.0. Der Slot nach dem Headliner mag zwar besser sein als einer ganz am Anfang des Tages, dennoch ist er immer ein bisschen undankbar. Und in diesem Falle sogar reichlich unfair. Denn F41.0 stellen ohne Zweifel den Höhepunkt des Abends und, wie sich später herausstellt, des gesamten Festivals dar! Die in schwarze Strumpfmasken ohne Sehschlitze gehüllten Gestalten präsentieren genialen atmosphärischen Black Metal, der es geradezu unverzeihlich macht, dass sich die meisten Zuschauer nach Nargaroth verpisst haben. Über diese Band ist im Netz nicht viel herauszufinden. Um so mitreißender kommt der Live-Auftritt rüber, bei dem die Musiker zu einer rabenschwarzen Einheit zu verschmelzen scheinen, in der nur noch die aggressiven Riffs, gepaart mit den harmonisch-düsteren Instrumentalparts und dem verzweifelten Kreischen der durchtrainierten Stimme existieren. Trotz vorgerückter Stunde: Dieses großartige Set hätte gern doppelt und dreifach so lange dauern dürfen!

MyttnorrDen Samstag eröffnen MYTNORR aus Stralsund. Das Quartett hat eine eigene kleine Fanbase mitgebracht und geht sehr puristisch an ihren Pagan Metal heran. Der Preis dafür ist leider wenig Action und Bewegung auf der Bühne. Die Musik ist ziemlich solide, allerdings fehlt ihr die individuelle Note, wodurch das Gesamtkonstrukt etwas gesichtslos wird. Einer meiner Mitstreiter beschrieb die Darbietung lapidar als „schön“.

Als nächste Band wäre eigentlich LIVING DISASTER dran gewesen; diese tauchen jedoch nicht auf. Spätere Recherchen haben ergeben, dass ihr Basser in München am Flughafen festhing. Musikalisch wären sie zwar ohnehin etwas aus dem Rahmen gefallen, aber dennoch ist so etwas natürlich ärgerlich, nicht zuletzt für die Band selbst.

So geht es dann eben direkt mit GOAT OF MENDES weiter. Irgendwie will der Mikrofonständer aus Holz mit SchafsschädelGoat of Mendes optisch nicht so recht zum Personal passen. Hier und da macht man ein bisschen Klimbim aus; auf Kostüme wird jedoch verzichtet. Der „Wiccan Metal“ dieser Band ist definitiv Geschmackssache. Irgendwie wird die Chose zwar durchgezogen, aber neben funktionierenden Clean Vocals fehlt es der Musik auch sonst an mitreißenden Elementen und deswegen vielleicht auch an Publikum. Hier wird wieder einmal deutlich, dass große Bühnen für kleine Bands zu groß sein können.

Die polnische Band NETHERFELL wartet mit einem interessanten Konzept auf: Folk Metalcore hört man nun wahrlich nicht alle Tage. Dabei sorgt vor allem die Violine von Adrianna für die folkloristischen Elemente, partiell unterstützt von einer Balaika während Sänger Piotr optisch und stimmlich für die Core-Elemente verantwortlich zeichnet. Der Regen prasselt derweil ziemlich hart auf das Publikum hernieder, was die Band dadurch auszugleichen sucht, dass sie sich wirklich sehr ins Zeug legt. Ich muss allerdings gestehen, mir das Ganze im Vorfeld des Festivals auf Tonträger angehört und dort für besser befunden zu haben. Dennoch: Mal was Anderes und durchaus ausbaufähig!

WelicorussEs folgen WELICORUSS aus Tschechien. Ein sich ewig hinziehender Soundcheck trägt seinen Teil dazu bei, dass die Zuschauer die nächste heftige Himmelsdusche erdulden müssen, wodurch sich die Band leider in gewisser Weise selbst einen Teil ihres Publikums stiehlt, denn dieses sucht dann doch lieber die wenigen verfügbaren Unterschlüpfe auf. Musikalisch wird hier das Rad auch nicht unbedingt neu erfunden, aber Welicoruss liefert soliden Folk Metal, der auch ohne seltsamen Panda-Paint ausgekommen wäre. Der Wolf, den Sänger Alexey um die Schultern gewickelt spazieren trägt, heimelt auch ein bisschen überzogen an. Man kennt das zwar von Masha (Arkona), aber hier baumeln auch noch sämtliche Extremitäten des Ex-Tiers mit.

GRAI haben eine lange Anreise hinter sich, denn die russische Provinz Tatarstan liegt immerhin knappe 3000 Kilometer Graivon Nauen entfernt. Fans von Arkona und Konsorten haben hier direkt ihre helle Freude. Sängerin Irina spricht sogar ziemlich gutes Deutsch und animiert das Publikum zwischen den enthusiastisch vorgetragenen Songs. Die musikalische Darbietung bietet, abgesehen von zu tiefen und undifferenzierten Growls, absolut keinen Grund zu Beanstandungen. Die Zuschauer fangen von allein zu moshen und tanzen an, was bisher auf diesem Festival nicht zu beobachten war.

VargrimmIm Anschluss wird es wieder düsterer, als VARGRIMM die Bühne betreten. Schade insofern, als dass sich das Publikum direkt wieder merklich ausdünnt, denn Partystimmung kommt bei der etwas stark nach Onkelz klingenden Black/Pagan-Mischung nicht so richtig auf. Am besten gefällt mir die Musik, zum Beispiel in dem Stück „Des Wolfes Zorn“, wenn niemand singt. Die Refrains klingen insgesamt schon sehr nach Marschiermusik. Nicht so meins.

Und dann wird es exotisch: YMYRGAR kommen aus Tunesien und bieten feinsten Pagan Metal,Ymygar der sich gar nicht nach Wüstensand anhört, sondern eher die klassischen nordischen Gefilde repräsentiert. So unbekannt die Band hier auch sein dürfte: Vor der Bühne ist es gut gefüllt, was ich einfach mal der Qualität der Musik zuschreiben möchte. Der Sänger beherrscht zur Abwechslung seine Clean Vocals perfekt, und auch sonst ist deutlich spürbar, dass hier Herzblut nicht nur in der Musik selbst, sondern auch in der Performance steckt!

Percival SchuttenbachMit PERCIVAL SCHUTTENBACH übernimmt hernach eine weitere polnische Band das Geschehen und dominiert dieses schnell durch sehr viel Energie und deutlichem Spaß an der Sache! Female-Fronted-Progressive-Folk-Metal in feinster Ausführung! Hier ist spürbar, dass die Band auch viel Zeit in Proben und Vorbereitung investiert hat, um nicht bloß auftreten, sondern auch eine richtige Show bieten zu können. Die rotzig-agressiven Vocals, die auch gerne mal in beeindruckende Growls der in schwarz gehüllten Sängerin münden, um dann wieder in einen beschwörenden Chor aller drei Mädels überzugehen, passen sich wunderbar in die Soundcollage aus Cello, Flöten und Gitarren ein. Die Band weiß, wie man das Publikum mitreißt. Die abgenötigte Zugabe muss dann aus Zeitgründen leider ausfallen.

DALRIADA feiern ein ungarisches Volksfest der etwas härteren Gangart auf der Bühne, bei dem sich epische Passagen mit paganistischen Hey-Hey-Hey-Parts abwechseln. Der Drummer fungiert als Übersetzer für die Ansagen der Sängerin. Ein bisschen mehr Metal und ein bisschen weniger Folklore dürfte es schon sein, denn mitunter nähert sich Dalriada doch sehr an Schlagergefilde an. Aber sie wissen auf jeden Fall, was sie tun – und dem Auditorium gefällt es.

HEIDEVOLK sind eben Heidevolk. Dem Charme der Niederländer kann sich das Publikum gerade mal ein Lied lang Heidevolkverschließen. Dann fällt der Groschen und alle feiern auf und vor der Bühne so, wie es auf einem Heidevolk-Konzert nun mal sein muss. Nun ja, alle ist vielleicht etwas hochgegriffen, denn die Kälte scheint viele Zuschauer vom progressiven Partizipieren abzuhalten. An dem Pagan Folk der Band gibt es nichts zu meckern. Hier sind halt Routiniers am Werk. Einziger Kritikpunkt: Die Show wirkt alles in allem etwas durchgehechelt. Da es inhaltlich aber partiell auch (Zitat Joost den Vellenknotscher) „ums Saufen und ums Vögeln“ geht, lassen sich manche Skeptiker doch noch mitreißen. Und auch die Hits „Saksenland“ und „Vulgaris Magistralis“ mobilisieren die Massen. Wie gesagt: Heidevolk sind eine aus der Paganwelt nicht mehr wegzudenkende Institution, allerdings sollten sie aufpassen, dass sie sich nicht eines Tages beim Eurovision Song Contest wiederfinden.

WAYLANDER aus Irland ziehen auch noch ein paar Leute an, aber trotz der True-Flöte will keine echte Stimmung mehr aufkommen. Der permanente musikalische Wechsel zwischen Pagan und Black ,wobei es für Black Metal zu viel Geflöte und für Pagan zu viel Black Metal ist, macht es schwer, sich richtig auf die Musik einzulassen, obgleich Waylander sehr versiert in dem sind, was sie tun. Das Front-Tier ist zwar schon beeindruckend, reißt es allein aber auch nicht raus.

Den Abschluss des Festivals feiert die Bathory-Coverband BLOOD FIRE DEATH. Ich persönlich kann keine musikalischen Schwächen entdecken. Da ich aber kein Bathory-Hörer bin, möchte ich mir kein abschließendes Qualitätsurteil erlauben. Dem Publikum, welches bis jetzt durchgehalten hat, scheint es zu gefallen.

Damit endete ein kleines, aber feines Festival, welches angesichts der geringen Teilnehmerzahl wirklich noch Luft nach oben hat – auch ohne sich dafür vergrößern zu müssen. Da hier eine schöne Mischung aus Szenegrößen und talentierten kleineren Bands vertreten war, die sonst gar nicht bis selten live in unseren Breitengraden zu sehen sind, wäre dieses Erlebnis wahrlich eine Bereicherung für so manchen Fan. In diesem Sinne: Schaut es euch nächstes Jahr selbst mal an!

http://rock4roots.de/

 

weitere Bilder gibt es hier: https://www.facebook.com/Xasthura-Fotografie-568781133248213/

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