Archontes Interview

Es gibt Alben, die haben einfach das gewisse Etwas und können einen nicht nur sofort sondern auch lang anhaltend fesseln. So ging es mir mit ‘The world where shadows come to life’, so daß ich gleich das erste Album kaufen und der Band ein paar Fragen schicken mußte.

Hallo Andrey, Archontes existiert ja schon einige Jahre und ihr scheint in Rußland auch einigermaßen bekannt zu sein. Wie groß ist euer Fankreis in eurem Heimatland?
Leider ist die Situation nicht so gut, wie sie vielleicht aus der Entfernung aussehen mag. Wir sind zwar bekannt, aber nur in einem bestimmten Kreis. Soetwas wie Undergound Show Business ist in Rußland nicht existent, daß heißt, es ist sehr hart, das normale Publikum zu erreichen. Und obwohl unsere Situation nicht die schlechteste ist, ist es immer noch ein Problem.

Gibt es denn keine russische Metal Szene? Immerhin sind uns im Laufe der Jahre einige wenige russische Bands untergekommen.
Wie ich schon angedeutet habe, ist der Begriff hier ziemlich abstrakt. Es gibt viele Bands, die Aufmerksamkeit verdient hätten, aber ihre Konzertaktivitäten sind auf die sehr geringe Anzahl der Konzertmöglichkeiten limitiert, die momentan existieren. Es gibt kein professionelles Management und die meisten Aktivitäten basieren auf reinem Enthusiasmus. Kürzlich haben sich ein paar Zeichen der Veränderung bemerkbar gemacht wie zum Beispiel die neue Heavy Musik Sendung bei MTV Russia. Das macht Mut für die Zukunft. Vielleicht wird man bald einen größeren Hörerkreis erreichen können. Aber hier gibt es viele interessante Bands.

Wann und warum habt ihr Archontes gegründet?
Die Band wurde 1993 am orthodoxen Weihnachtsfest (7. Januar) gegründet. Warum? Nun, ich weiß nicht. Ich wollte schon immer die Musik komponieren und spielen, die wir immer noch machen. Damals gab es bei uns kaum eine Band, die diese Art von Musik gespielt hat. Aber melodische Musik kommt in Rußland gut an; vielleicht besser als in anderen Teilen der Welt. Das könnte auch ein Grund sein, warum wir damit weiter gemacht haben.

Dann stell uns mal die Archontes Mitglieder vor.
Ich muß, bevor ich die Herren vorstelle, die jetzt mit mir an dem dritten Album arbeiten, kurz bemerken, daß wir schon einige Line-Up Wechsel hatten. Ich hoffe, daß dieses Line-Up lange stabil bleibt, aber man weiß ja nie. Neben mir besteht die Band aus Vyacheslav Molchanov (Gitarre),Vasily Marchenko (Baß) und Dmitry Krivenkov (Schlagzeug). Obwohl das Line-Up nicht immer konstant war, ist Archontes eine richtige Band, in der jedes einzelne Mitglied einen großen Anteil leistet. Ich hoffe, daß uns kein Unglück auseinander bringt, da das jetzt das professionellste und stärkste Line-Up ist, das wir je hatten. Außerdem sind wir alle gute Freunde. Ich liebe diese Jungs!

Spielt jemand von euch noch in anderen Bands? Habt ihr eine musikalische Ausbildung genossen?
Alle Bandmitglieder sind professionelle und ausgebildete Musiker. Für drei von uns (den Drummer, den Gitarristen und mich) ist Musik der Lebensunterhalt und das einzige von wirklicher Bedeutung. Wir arbeiten auch in verschiedenen Bands, die mit Metal nichts zu tun haben. Ich arbeite als Komponist bei Nival Interactive und mache Soundtracks für Computerspiele. Davor war ich Keyboarder in einigen Pop Bands (und auch für Back Vocals zuständig). 1 1/2 Jahre haben wir mit Alexander Losev zusammen gespielt, der original Sänger von Tsvety, der legendären russischen Pop/Rock Band (Vyacheslav und Dmitry arbeiten immer noch mit ihm). Vyacheslav ist ein bekannter und sehr gefragter Session Gitarrist und Dmitry gibt neben verschiedenen Session-Arbeiten auch Unterricht. Vasily ist der einzige von uns, der nicht als Session-Musiker arbeitet. Er hat einen Beruf, der nichts mit Musik zu tun hat. Aber er hilft oft bei Freunden aus. Er spielt zum Beispiel bei Four Of a Kind, der Band von unserem früheren Gitarristen Zakhar Karpikov (er war von 2000 bis kurz von den Aufnahmen zum dritten Album bei uns). Ich helfe ihnen auch.

Warum habt ihr euch eigentlich für den Namen Archontes entschieden?
Ich mag die Bücher von Roger Zelazny und die Schlüsselideen, die hinter dem Großteil seiner Arbeiten liegen. Weißt du, es geht zum Leute mit besonderen Kräften, die über das Verstehen der normalen Menschen hinaus gehen, aber einen großen Einfluß auf sie ausüben. Das ist sozusagen das Originalkonzept hinter dem Namen. Aber Archontes ist auch ein alter griechischer Begriff für Lord oder Gouverneur. Dieser Name hat so viele mythologische Wurzeln, daß jeder seine eigene Interpretation finden kann. Ich hoffe, daß das auch für unsere Musik gilt.

Wie bezeichnet ihr euren Stil?
Arghh! Um ehrlich zu sein, mag ich diese Stilbezeichnungen überhaupt nicht. Unser Job ist es, die Musik zu komponieren und zu spielen – aber nicht, sie zu beschreiben. Es ist besser, wenn die Leute sich die Musik anhören und sich ihre eigene Meinung darüber bilden.

Wovon laßt ihr euch beeinflussen?
Um diese Frage zu beantworten, müßte man eine wissenschaftliche Arbeit schreiben. Als Komponist nenne ich hier einfach mal meine Lieblingsbands: Queen, Rainbow, Uriah Heep und viele viele andere… Meine Lieblingskomponisten sind Ronan Hardiman, James Horner und ganz besonders Andrew Lloyd Webber (schon von meiner Kindheit an). Ich mag allgemein sehr viele verschiedene Stile von Klassik, Folk, manchmal Pop (von besserer Qualität), Art Rock. Momentan höre ich nicht allzu viel Musik, da ich den ganzen Tag bei der Arbeit und bei der Band die Ohren voll Musik habe und es auch mal genieße, keine Musik zu hören.

Wie entsteht bei euch ein neuer Song?
Dafür gibt es kein striktes Konzept oder Programm. Manchmal habe ich schon eine fertige Melodielinie oder einen fertigen Songentwurf im Kopf und manchmal sind es nur Teilstücke, die dann auf ihren Einsatz warten müssen. Manchmal sind es auch erst nur wage Ideen oder zunächst nur eine besondere Stimmung. Bevor ich die Songs komplett fertig mache, müssen sie von der kompletten Band gespielt und arrangiert werden. Die Melodien sind zwar immer meine Arbeit, aber die Arrangements werden dann vereint ausgefeilt.

Euer aktuelles Album heißt ‚The world where shadows come to life’. Wo finden wir diese Welt? Soll es eine bessere Welt sein – eine Welt, in der die Träume wahr werden?
The world where shadows come to life ist die Welt unserer Träume. Die Welt, die in guten Büchern oder in unseren Tagträumen lebt. Die Welt, die dich morgens, wenn du aufwachst und feststellst, daß alles nur ein Traum war, zu weinen bringt. Nur ein Traum. Aber vielleicht….

Was kannst du mir über eure Texte im allgemeinen sagen? Denkst du, daß die Texte genauso wichtig sind wie die Musik?
Sicherlich sind die Texte wichtig, aber die Musik ist wichtiger für mich. Das wichtigste ist meiner Meinung nach, daß die Texte und die Musik zusammen passen und ein Ganzes ergeben. Durch dieses Zusammenspiel kommt die Atmosphäre erst richtig rüber. Ich kann Texte über das alltägliche Leben nicht leiden, weil ich denke, daß die Künste den Menschen seinen normalen Tagesablauf vergessen lassen sollten. Allerdings bin ich beim zweiten Album auch davon abgewichen. Aber auf Archontes bezogen ist das eher die Ausnahme als die Regel.

Bitte erzähl uns alles wichtige über jeden Song auf ‚The world where shadows come to life’.
Das Intro gilt als Einführung in den ersten Song und ist als eine Art Zauberspruch zu sehen. Den Inhalt des Titeltracks habe ich ja bereits erklärt.
‚Runaway from dark’ handelt von einem Mann, der zur falschen Zeit geboren wurde und verrückt wird, weil sein Innerstes inkompatibel mit seiner Umgebung ist. Es ist ein schneller und dynamischer Song; einer der schnellsten und härtesten auf dem Album.
‚Whisper of time’ erzählt davon, daß das Leben zu schnell vorbei geht und eine besondere Bedeutung oder Aufgabe haben sollte, damit man, wenn man alt ist und auf sein Leben zurück sieht, nicht feststellen muß, daß man ein großes Geschenk vergeudet hat. Ein sehr langsamer, harter, wütender und düsterer Song.
‚Fear is the conscience of villains’ – der Titel sagt alles. Die Angst erweckt das Gewissen. Ein schneller und melodischer Track. Meiner Meinung nach ist es einer der besten Songs, den Eugene (Gene Hans) komponiert hat. Ich habe ihn etwas verändert und den Text geschrieben, aber die musikalischen Änderungen waren unerheblich.
‚Mother Russia’ ist ein sehr trauriger Song. Ein Song für ein Land, die Leute und eine große Kultur, die dabei ist zu erlöschen. Die Hauptaussage ist, daß es zu einfach ist, nur zu sagen, daß Rußland die frühere Größe zurückgewinnen muß – und dann nicht zu tun, um diese Worte zu unterstreichen. Die Größe liegt nicht in Worten oder Gebäuden sondern in den Menschen. Und solange die Menschen nicht verstehen, daß sie ein Teil von Rußland sind, ja, daß sie Rußland sind, wird sich nichts ändern. Und jeder muß bei sich selbst beginnen.

‚The rules of real life’ handelt von den Regeln und Vorschriften, die jeder seit seiner Kindheit kennt. Sicher weiß ich, daß es in einer zivilisierten Gesellschaft einige Regeln geben muß, aber die Massenverdummung von den Massenmedien mit ihren zweifelhaften Werten kann keinen denkenden Menschen kalt lassen. Was die Musik betrifft, muß ich sagen, daß es einer der komplexesten Songs auf dem Album ist, aber ich denke immer noch daß die Arrangements noch nicht perfekt sind. (Die Version auf der Eternity CD ist stark gekürzt – Anm. v. Katja) Naja, man lernt eben sein ganzes Leben lang.
‚Victory or death’ ist am prunkvollsten und hat den Text mit dem wenigsten Inhalt. Aber der Text paßt gut zu der Musik, ebenfalls sehr pompös und nicht allzu innovativ. Ich denke es ist ein Song, der nicht allzu schlecht ist.
Für die Exportveröffentlichung gibt es noch einen Bonustrack, eine Coverversion von ‚Living on my own’ von Freddie Mercury. Was soll ich sagen… Es ist Mist, aber ich mag die Version trotzdem…

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Ja, sicher. Aber ich versuche, nicht zurück zu schauen. Es ist immerhin schon zwei Jahre her und es hätte schlechter sein können. Also eigentlich bin ich zufrieden mit dem Album, wenn man bedenkt, daß es eben schon zwei Jahre her ist, daß wir es aufgenommen haben.

Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, russische Texte zu schreiben?
Ich denke nicht, daß das eine gute Idee wäre. Archontes sollte eine Band sein, die man überall auf der Welt hören kann; wie blöd das auch klingen mag, wenn ich das sage. Man soll unsere Musik und damit auch unsere Texte verstehen können. Daß das der Fall ist, beweist dieses Interview. Wenn ich in meiner Muttersprache singen würde, würde ich automatisch den Namen ‚Archontes’ ablegen müssen. Nein, das würde nicht passen und ich kann mir nicht vorstellen, wie das klingen würde. Die Sprache hat einen großen Einfluß auf den Gesang und auf die Musik allgemein. Falls jemand meinen sollte, daß diese Einstellung nicht zu meiner Erklärung in ‚Mother Russia’ paßt, muß ich sagen, daß ich schon viel erreicht habe, wenn jemand unsere Musik hört und denkt, ‚Mensch, diese Russen sind gut!’.

‚The world where shadows…’ ist euer zweites Album. Was kannst du uns über euer erstes Album ‚Saga of Eternity’ sagen?
Um es kurz zu machen, ‚The world’ ist der Versuch, die Fehler, die wir bei ‚Saga of Eternity’ gemacht haben, in Ordnung zu bringen. Meiner Meinung nach sind wir bei ‚The world…’ textlich und musikalisch mehr am Boden geblieben – mal abgesehen davon, daß ich ‚Saga…’ immer noch mag. Es hat etwas gekünstelt geklungen, was aber auch an der Produktion lag, die aufgrund des sehr geringen Budgets nicht so gut war. Das ist nun schon eine ganze Weile her und ich hoffe, daß ich als Komponist und Sänger besser geworden bin. Ich hoffe, daß das dritte Album das beste von den voran gegangenen vereinen wird. Aber ich mag ‚Saga’ schon deshalb sehr, weil es mein erstes Album war.

Habt ihr vor den Alben Demotapes herausgebracht?
Ja, neben mehreren Compilationsongs haben wir zwei Demos – namentlich ‚Concerto for a little darkness and orchestra’ und ‚Holy battle has begun’ – veröffentlicht. Meiner Meinung nach ist die Musik auf diesen Tapes weniger melodisch und definitiv härter. Wir hatten zwar immer mal geplant, die beiden Tapes als Wiederveröffentlichung rauszubringen, aber ich bin sehr skeptisch, was das angeht, weil die Musik sich doch sehr von dem, was wir jetzt machen, unterscheidet.

Ihr seid bei Valiant Music unter Vertrag. Seid ihr mit eurem Label zufrieden?
Ich möchte hier nicht ins Detail gehen, schließlich sind wir doch erwachsen, oder? Sicher gibt es Dinge, die nicht perfekt sind, aber grundsätzlich sind wir zufrieden. Der Gründer von Valiant Musik, Oleg Seliverstov ist ein guter Freund und ich hoffe, daß die Freundschaft und die Zusammenarbeit noch lange halten wird.

Habt ihr euch für euer drittes Album auch bei anderen Labels beworben?
Ja, sicher! Und wir haben viele Angebote bekommen. Ich werde hier ein Geheimnis verraten: wir wissen noch nicht, wer das dritte Album rausbringen wird. Nicht weil wir keine Angebote haben sondern weil wir zu viele haben. Wir machen jetzt zuerst die Aufnahmen, damit wir durch keine Zeitvorgaben unter Druck sind und entscheiden dann.

Ihr habt die neuen Songs also schon fertig?!
Ja, alles ist fertig und wir sind im Studio. Ich hoffe, daß wir bis Ende des Jahres mit den Aufnahmen fertig werden.

Wenn du uns darüber noch nichts verraten willst, erzähl uns doch etwas von eurem besten und schlechtesten Konzert.
Also das beste wird hoffentlich irgendwann stattfinden. Nun ja, der schlechteste Gig… ich erinnere mich da an einen Club (den Namen möchte ich nicht nennen), in dem ich nach etlichen schlaflosen Nächten ankam, weil ich mit einer anderen Band auf Tour war. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, aber das war nicht alles. Die Bühne war so verrottet, daß ich an einer Stelle eingebrochen bin. Der Boden konnte dem nicht standhalten und ist zusammen gekracht. Über solche Sachen wie betrunkene Tontechniker, abfackelndes Equipment oder andere Überraschungen wollen wir gar nicht reden.

Mit welcher Band würdet ihr gerne mal touren, wenn ihr es euch aussuchen könntet?
Wir arbeiten bereits mit den Bands zusammen, mit denen wir es uns leisten können. Ansonsten würde ich gerne mit Deep Purple, Manowar oder Gamma Ray touren. Aber aus irgendeinem Grund rufen sie uns nicht an.

Wie lauten deine zehn Lieblingsalben?
Queen ‚A Kind Of Magic, Innuendo, A Night In The Opera, A Day At The Races’, Rainbow: ‚Finyl Vinyl’, ‚Stranger In Us All’, Andrew Lloyd Webber ‚Jesus Christ Superstar’, Ronan Hardiman ‚Lord Of The Dance’, Dream Theater ‚Images And Words’, Deep Purple ‚Slaves And Masters’, Pink Floyd ‚The Wall’, Yngwie Malmsteen ‚Odyssey’… Das sind jetzt schon mehr als zehn und ich könnte noch lange so weiter machen. Wenn ich die anderen Jungs noch frage, ist der Platz für den Artikel voll.

Dann belassen wir es dabei. Kannst du dich noch an die erste Metal Band, die du gehört hast, erinnern?
Nein, aber ich erinnere mich an den ersten Gig, den ich besucht habe. Das war Nazareth… und es war überwältigend. Am eindrucksvollsten war Darrell Sweet (R.I.P.). Damals war ich 12.

Dann werden wir das Interview hier beenden. Die abschließenden Worte gehören dir.
Obwohl es sehr standardmäßig klingt, danke ich Dir für das Interesse. Es war mir eine Freude die Fragen zu beantworten. Sie waren sehr interessant und ich hoffe, daß meine Antworten auch interessant waren. Zum Schluß möchte ich alle, die mehr über uns erfahren möchten, auf unsere Homepage unter http://archontes.com.ru/ einladen. Danke an unseren Web-master Timofey Vorobyov, der sich hier die Finger gebrochen hat, um meinen Unsinn zu tippen. – Andrey Archont.

Interview aus Eternity #20

 

https://youtu.be/YTzaHJ0OS_w

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