Zero Hour Interview

Wenngleich mein persönlicher Progressiv-Altar sich durchaus ein wenig von dem meines werten Kollegen Schult unterscheidet, stimme ich zweifelsfrei mit ihm überein, dass man Zero Hour’s ‘The Towers of Avarice’ bedenkenlos dazulegen kann, um die Liturgie für die nächste Anbetungsstunde ein wenig zu verändern. Klar, ein Interview musste her, insbesondere, da das lyrische Kostüm der Jungs zeigt, dass sie einem anscheinend auch etwas zu sagen haben. Dort geht es um eine Gruppe von Menschen, die von einem gedankenlosen industriellen Ideal versklavt werden. Als Symbol dafür stehen oben genannte Türme, die die Energie der Menschen, die sie verzehren, zum steten Wachstum bringt. Irgendwo draußen jedoch lebt ein ‘Subterranean’, der die Leute schließlich befreit – mit furchtbaren Konsequenzen, denn die undankbaren Säcke danken ihm ihre Freiheit nicht so recht…

Da findet man natürlich reichlich literarische Anklänge, doch wollte ich das erst mal zurückstecken und erkundigte mich bei Gitarrist Jasun und Sänger Erik ein wenig nach den Anfängen von Zero Hour.

Jasun: Mikey, Troy und ich gründeten die Band 1993, und Erik ist seit 1996 dabei. Wir fabrizierten ein Demo namens Discovery und erlangten ein wenig Aufmerksamkeit einiger Labels. Wir machten weiter und veröffentlichten 1998 unsere S/T-EP und verkaufen 2000 Einheiten durchs Internet. Wir unterzeichneten einen Vertrag mit Sensory und ‘The Towers Of Avarice‘ kam 2001 heraus.

Was, glaubst Du eigentlich, führt dazu, dass andere Euch als Prog-Band bezeichnen?
Jasun: Die Prog-Zuweisung lässt sich vermutlich auf die ungeraden Takte, die Tempo-Wechsel und die langen Stücke zurückführen. Fast alle Prog-Bands sind für diese Dinge in ihrer Musik bekannt.

Was mir, wenn ich eurer Musik lausche, immer wieder auffällt, ist, dass Ihr dazu neigt, Teile Eurer Musik bis zu vier Malen hintereinander zu wiederholen. Ein bewusst eingesetzter Effekt?
Jasun: Das ist halt eine Art, die wir mögen, und es schien einfach richtig zu sein für unser S/T-Demo und ‘The Towers Of Avarice’. Die nächste CD wird diese Qualitäten ebenso beinhalten.

Viele Prog-Bands verfallen ja in ein schier endloses Rumgefrickel seitens des Gitarristen. Das scheint bei Euch nicht so sehr der Fall zu sein… Wollt Ihr das nicht?
Jasun: Das ist eine verdammt gute Frage, und es mag in der Tat schon stimmen, dass Gitarristen eher nicht die zweiten im Rampenlicht seien wollen. Wir versuchen eben das zu tun, was für die Songs am besten ist und feilschen nicht darum, wer am tollsten herauskommt. Jedes Mitglied unserer Band spielt eine wichtige Rolle, und merke Dir: So sollte es auch sein.

Gut, gut. Im großen und ganzen ist Eure Musik ja recht düster. Habt Ihr das getan, um die Geschichte gut rüberzubringen?
Jasun: Wir mögen dunkle Musik, deshalb half das, die Geschichte zusammenzuschnüren. Wir schrieben alle Musik vor den Texten. Dies erzeugte die Stimmung für Erik (der alle Texte schreibt).

Jasun, Du und Troy, ihr seid Zwillingsbrüder. Habt Ihr viel miteinander zu tun oder macht eher jeder sein eigenes Ding?
Jasun: Troy und ich stehen einander sehr nahe. Wir spielen in der selben Band zusammen, arbeiten zusammen und leben zusammen. Wir haben beide die selben Vorstellungen in unserer Musik, und das bringt einen einander ohnehin näher.

Glaubst Du, dass es die Gesellschaft bzw. die Erziehung ist, die die Menschen prägt oder sind sie alle von Natur aus verschieden?
Erik: Ja, alle Menschen sind nicht gleich geschaffen. Es gibt einige furchtbare Individuen, die aus der Gesellschaft ausgeschlossen oder wegen all der Leiden, die sie verursacht haben, in Schlaf versetzt werden sollten. Einige Leute wirst Du wegen Geisteskrankheit oder fortwährendem gewaltsamem Verhalten nie ändern können. Aber dann gibt es da Gandhi oder Malcolm X. Diese Leute veränderten. Ghandi war ein typischer Rechtsanwalt und Malcolm X begann als Krimineller.

Eure Texte wirken wie ein Mix der altbekannten Geschichte über den Turm von Babel und den Film Metropolis. Liege ich da richtig?
Erik: Unterbewusst. Ich kenne diese Geschichten seit Jahren, aber ich bin nicht losgezogen, um sie zu stehlen. Es war erst, nachdem die CD fertig war, dass ich bemerkte, woher meine Einflüsse kamen. Mein Haupteinfluss kam daher, dass ich jeden Tag zur Arbeit gehen musste – zu einem Job, von dem ich fühlte: Er hat keine andere Bedeutung, als mir Geld einzubringen. Hier im Silicon Valley sieht’s aus, als gebe es eine Menge Jobs, die nur Arbeit produzieren, um für andere Firmen Arbeit zu produzieren. Wer, zum Beispiel, braucht eine sprechende Geschirrspülmaschine?

War das World Trade Center ein ‘Tower of Avarice’(ever rise, ever ice)?
Jasun: Nicht wirklich.

Und war es in Ordnung, dass die USA in Afghanistan einmarschierten?
Jasun: Um sich auf Bin Laden und sein Terror-Netzwerk zu beziehen: ja. Das Bombardement des World Trade Center‘s ist nicht bloß ein Problem für Amerika, es ist ein Problem für die ganze Welt.

‘Der Mensch ist schwächer und niedriger geschaffen, als Du es von ihm geglaubt hast.[…] Da du ihn so hoch einschätztest, handeltest Du, als hättest Du kein Mitleid mit ihm (Dostojewski, Die Brüder Karamasoff, Fünftes Buch, Kap. V).’Stimmst Du dem zu?
Erik: ‘The Subterranean Does.’Die Idee kam in der Tat davon, Straßen-Predigern dabei zuzusehen, wie sie Leuten zuriefen: ‘Ihr seid alle böse und werdet in die Hölle fahren’usw. Wir waren alle böse zu ihnen, aber ich denke wahrhaftig, sie sind die vom Teufel besessenen. ‘To live is to sin’[so this must be done for whatever you do is still evil to someone – but it’s killing me…/aus dem Song Reflections] bezieht sich auf die Tatsache, dass wir alle zu irgendeiner Zeit irgendwem Schmerz zugefügt haben. An diesem Punkt der Geschichte weiß der Subterranean, seine Aktionen werden furchtbare Konsequenzen haben, aber er weiß, dass sie sich im Laufe der Zeit auch als segensreich erweisen werden. Genau wie jene Generäle, die die Entscheidung zu treffen haben, ihre Leute für einen Sieg zu opfern.

Wie lange braucht es denn, um einen Song wie ‘Demise and Vestige’(15 min+) zu schreiben, und wie geht das vonstatten?
Jasun: Dieser Song benötigte drei Monate, um fertig zu werden. An all unsere Songs wird sich während des Schreibeprozesses auf andere Art und Weise angenähert. Ich glaube, ich kam mit einem Eröffnungsriff an und wir jammten den Rest heraus.

Was ist es, dass Dich dazu bringt, einen Song wieder und wieder hören zu wollen?
Jasun: Ich denke, weil es da so vieles in einem Lied gibt, dass Du es mehrmals hören musst, um alles aufzunehmen. Du findest bei jedem Durchgang etwas Neues, und das hält das Interesse.

Wie ist denn das Arbeiten mit eurem Produzenten so?
Jasun: Dino ist großartig und unser fünftes Bandmitglied. Er ist ein sehr guter Freund von uns und klasse, was sein Handwerk anbelangt. Tone baby, TONE!!!!

Woher nehmt ihr das Geld, um zu musizieren?
Jasun: Ich gebe Gitarrenunterricht, Troy gibt Bassunterricht und arbeitet in einem Comic-Laden. Erik ist im Technik-Zulieferbereich und Mikey ist ein Stahlarbeiter.

Werdet ihr uns dieses Jahr in Deutschland beehren?
Jasun: Wir haben 2001 auf dem Westfalen Festival gespielt und hatten eine tolle Zeit. 2002 ist nicht sicher, aber wir nehmen 2003 in Angriff.

Any last words?
Jasun: Danke an all unsere Fans, die so gut zu uns waren und danach trachten, uns bald zu Gesicht zu bekommen. Die nächste Scheibe klingt großartig und kann es nicht erwarten, von euch gehört zu werden!

Interview aus Eternity #21

www.zerohourweb.com

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*