25. Wave Gotik-Treffen 13.-16.05.2016

wgtbanner2Bereits zum 25. Mal fand zu Pfingsten das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig statt, welches längst zu einer Institution für alle Vertreter und Liebhaber der so genannten schwarzen Szene geworden ist. Das durchwachsene Wetter hielt auch in diesem Jahr Gruftis, Metaller, Steampunks und andere „Exoten“ nicht davon ab, ihre alljährliche Mega-Party an diversen Veranstaltungsorten in der Messestadt zu feiern.

Freitag, 13.05.2016

An diesem Eröffnungstag war hinsichtlich Metal nur „Fehlanzeige“ zu vermelden, und so blieb auch die Kamera zuhause. Da aber das WGT eben von so viel mehr als nur von Metal geprägt ist, soll hier ein Abriss der am Freitag gesehenen und gehörten Bands nicht fehlen. Abney Park aus den USA bezeichnen ihre Musik selbst als Steampunk. Wer diesen Begriff nur in Zusammenhang mit einem bestimmten Kleidungsstil kennt, kann sich darunter zunächst wenig vorstellen. Allerdings ist die Agra-Halle sehr gut gefüllt, was auf eine starke Fan-Base schließen lässt. Und so wird auch schnell deutlich, was es mit „Steampunk“ auf sich hat: Gemäßigte Rock-Musik mit folkloristischen Einschlägen, durchzogen von orientalisch bis klassisch oder gar russischanheimelnden Parts, bei welchen der Sänger die Umhängebongo bedient und die Violine für einen Großteil der Melodien verantwortlich ist, ergeben insgesamt eine ganz interessante Mischung. Interessanterweise weckt jedes Lied Erinnerungen an etwas, dass man schon einmal gehört hat, auch wenn es sich nicht konkret benennen lässt.

Im Anschluss ging es auf einen Abstecher ins Heidnische Dorf, wo gerade die Mittelalter-Rockkapelle Cultus Ferox mit zehn Leuten auf der Bühne ein Stelldichein geben. Die Verstärkung ihrer Musik durch E-Gitarre und Bass geht leider etwas zu Lasten des typisch „mittelalterlichen“ Sounds, obwohl der Song „Wiederkehr“ dennoch Assoziationen an alte, glorreiche tage zu wecken vermag. Der Schauplatz ist für die frühe Stunde auch gut gefüllt.

Zurück in der Agra spielen nun Faun, die für gewöhnlich auch eher im Heidnischen Dorf anzutreffen sind. Angesichts der Menschenmassen, die sich vor der Bühne drängen, wird der Grund für die räumliche Umverteilung aber ersichtlich. Indes hat sich die Luft in der Halle in einen dicken, schweißig-chinanudelig riechenden Brodem verwandelt. Der Stimmung tut dies allerdings auch keinen Abbruch: die hochqualitative, keltisch-paganistische Folklore von Faun animiert nicht zuletzt viele der im Pulk stehenden Ladies zu Ausdruckstanz mit wehenden Kleidchen.

Nouvelle Vague aus Frankreich bekommen eine Extra-Ankündigung seitens des WGT-Personals, da ihr Erscheinen hier als eher unüblich angesehen wird. Allerdings wird schnell deutlich, dass sie mit ihren Coverversionen von Grufti-Klassikern und 80er-Songs genau am richtigen Ort sind. Die Swing-Rhythmen, welche die Band dabei an den Tag legt, lassen die Musik auch für Nicht-Fans zu einem durchaus hörbaren Ereignis werden, und auch von den Dezibel-Zahlen hält es sich ausnahmsweise mal im Rahmen. Bekannte Hits wie „I Just Can’t Get Enough“, „Dancing With Myself“ oder auch „Too Drunk Too Fuck“ kommen ziemlich gut an.

Samstag, 14.05.2016

Bis es metallisch wird, muss auch an diesem Tag ein bisschen Zeit totgeschlagen werden, und obwohl die Temperaturen Àrnica 1spürbar niedriger sind als am Vortag, ist eine weitere Exkursion ins Heidnische Dorf nie verkehrt. Dort spielen zur Stunde Àrnica aus Spanien. Die Iberer feiern auf der Bühne sehr ausdrucksstark paganistische Rituale, die sich in ausgedehnten Trommelorgien und der Anrufung von alten Gottheiten und/oder Mutter Natur äußern. Hier und da sind auch Flöten, Hörner und Akustik-Gitarre zu vernehmen. Der Gesang schwankt zwischen bloßen Rufen und chantig-anmutenden Passagen. Insgesamt ist dies perfekte Lagerfeuermusik, zu der man nur zu gern reichlich Met trinken und vielleicht auch die eine oder andere Ziege opfern möchte. Für Fans von Wardruna, Forndom und Co. definitiv eine Empfehlung!

Irdorath 1Irodorath, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Black-Metal-Band aus Österreich, geben mit ihrem Fantasy-Folk ein wesentlich schnelleres Tempo vor. Die sechsköpfige Band aus Belarus betritt die Bühne schwungvoll, kostümiert und ausgestattet mit Dudelsäcken, Drehleier, Gitarre und Violine. Unterstützt von sowohl männlichem als auch weiblichem Gesang spielen sie Volksweisen aus ihrer Heimat und anderen Ländern im rockig-paganistischen Gewand. Viel Ausdruckstanz und spürbarer Spaß bei der Sache passt perfekt ins Heidnische Dorf, und so lässt sich auch das Publikum nicht lange bitten.

Ein wenig später im Kolhrabizirkus sind dann Swallow the Sun an der Reihe. Der Death-Doomswallow the sun 2 knallt lautstark aus den Boxen und ist zwar nicht zum Moshen geeignet, bringt das Publikum aber zum gemütlichen Headbangen und Schunkeln. Nicht zuletzt aufgrund des dünnen Metal-Angebots auf dem diesjährigen WGT ist es ziemlich voll in der Halle, sondern auch speziell wegen dieser Band. Obwohl es sich um extrem stimmungsgeladene und somit –abhängige Musik handelt, machen die vorgetragenen Songs wie „Hope“ richtig Spaß.

Crematory 1In musikalischer Hinsicht nach den Finnen etwas deplatziert erscheinen Crematory. Denn wenngleich es sich bei ihrer Musik um Gothic Metal handelt, hätten sie auf der Agra sicher besser hingepasst. Die WGT-Stammgäste agieren sehr melodisch und meistens eher ruhig, was das Tempo anbelangt; das Keyboard agiert hier als tragendes Element. Eine große Fanbase ist aber extra wegen ihnen in den Kohlrabizirkus geströmt und erfreut sich an dem Auftritt.

Die norwegischen Metal-Veteranen von Enslaved bilden zweifelsohne das Highlight des heutigen Enslaved 1Abends. Die Intro-Musik des Kubrickschen Meisterwerkes „Clockwork Orange“ ertönt, und die Herren betreten, von reichlich Applaus begleitet, die Bühne, um direkt loszubrettern. Anlässlich ihres 25jährigen Jubiläums steht heute ein halbes Vintage-Set auf dem Programm, und es ist schlichtweg schade zu nennen, dass sich das Publikum nach Crematory wieder merklich ausgedünnt hat. Denn hier passt einfach alles, seien es die brutal-brachialen Parts oder die gemäßigten Instrumentalpassagen. Solche Bands wünscht man sich als Metaller definitiv häufiger auf dem WGT, wenngleich, und das ist ein altes Lied, nicht in dieser unsäglichen Location. Denn die Bands können noch so gut sein: Der grottige Sound des Kohlrabizirkus bedeutet in akustischer Hinsicht immer Abstriche. Sänger Grutle überspielt diesen Umstand in einer musi8kalischen Pause jedoch gekonnt mit der geäußerten Erkenntnis, dass Beck’s ein beschissenes Bier ist.

Sonntag, 15.05.2016

Gernotshagen 2Auch für den heutigen Tag war das Heidnische Dorf das Ziel, denn heute sollte hier tatsächlich Metal gespielt werden. Leicht gemacht wurde es an diesem Tag vor allem dem Publikum nicht, denn beständig gingen mehr oder weniger heftige Regenschauer auf die Stadt nieder und ließen viele Teilnehmer nicht nur wegen aufwendig geschminkten Gesichtern oder teurer Klamotten Schutz suchen. So gab es direkt vor dem Auftritt der Thüringer von Gernotshagen eine kräftige Dusche für das Publikum; dennoch waren zahlreiche Anwesende vor Ort, um sich deren Pagan Metal zu geben. Nach nicht übermäßig schnellem, aber angenehmem Beginn packt der Song „Einsam“ das Publikum direkt im Genick und lässt so manche Mähne fliegen. Innovative Musik gibt es hier zwar nicht zu hören, aber solide ist sie allemal.

Die altbekannten Holländer von Heidevolk spielen für ihre Verhältnisse ziemlich früh am Abend, werden aber dennochHeidevolk 1 von herbeigeströmten Scharen mit offenen Armen empfangen. Auch wenn die Zahl derer, die sie noch nicht live gesehen hat, die derjenigen, die sie schon zum x-ten Mal sehen, mittlerweile unterschreiten dürfte, tut dies der Stimmung keinen Abbruch; Heidevolk geht eben immer. Ihr Folk Metal kommt quasi vollständig ohne Growls aus, und es ist immer wieder schön zu sehen bzw. zu hören, wie beide Sänger ihren Gesang perfekt synchronisieren. Auch der Spielspaß der band scheint nach so vielen Jahren und unzähligen Auftritten ungebrochen. Ob „Het Bier Zal Weer Vlooeien“, „Saksenland“ oder „Vulgaris Magistralis“: Hier singen fast alle mit.

Trollfest wird auf ihrer Facebook-Seite später vom Auftritt beim „nationalen Regenschirm-Treffen“ berichten, und in der Tat ist die Ansammlung derselben während der ersten paar Songs mehr als gerechtfertigt. Als sich der Regen dann endlich wieder verzieht, wird auch vor der Bühne mehr auf die absurd-krachige Party eingegangen, welche die Norweger,. Angetan in Arztkitteln und partiell lustig angemalt, mit ihrem „True Norwegian Balkan Metal“ auf die Bretter hauen. Bei so viel schneller Hin- und Her-Bewegung einzelner Musiker auf der Bühne ist es direkt erstaunlich zu nennen, dass sie nicht permanent ineinader rennen. Aber auch vor der Bühne geht es mittlerweile zu „Toxic“ (Original von Britney Spears), „Kaptein Kaos“ mit Polonaise und Co. ordentlich zur Sache. Gekrönt wird das ganze schließlich bei „Helvetes Hunden GARM“ mit einer Crwodsurfing-Einlage eines Gitarristen, der es schafft, sein Instrument währenddessen unbeirrt weiter zu malträtieren.

Kauan 3Die Ausnahme-Band Kauan, die sich selbst keinem Genre zuordnen wollen, können erst mit einiger Verspätung mit dem Soundcheck beginnen, der sich dann auch noch eine ganze Weile hinzieht. Als es dann aber mit „Aidin Laulu“ losgeht, schlagen sie auch all diejenigen, die sie noch nicht kannten, schnell in ihren Bann. Viele Besucher sind hin-und hergerissen zwischen Kopfnicken, langsamen Headbanging oder einfach nur Wiegebewegeungen zu der atmosphärisch-doomigen Musik, die, untermalt von Keyboard und Violine, nichts an Virtuosität und Abwechslungsreichtum vermissen lässt. So wird auch die mittlerweile herrschende Kälte für die durchgeweichten Besucher erträglich. Bedauerlich ist, dass Sänger Anton Belov sich nicht einmal zu einer Ansage oder einem Grußwort hinreißen lässt. Aber auch ohne Worte wird dieses Konzert insbesondere den Kauan-Neulingen sicher lange in Erinnerung bleiben.

Montag, 16.05.2016

Zum Auftakt des letzten WGT-Tages ging es in den Felsenkeller, wo die Österreicher von Bifröst den Abend eröffnen durften.Bifröst 1 Vor zahlenmäßig nicht zu verachtendem, aber verhalten agierendem Publikum hielten sie sich denn auch nicht viel mit Ansagen auf und ließen ihre Musik für sich sprechen. Bewusster Live-Verzicht auf Keyboards, aufwändige Bühnenoutfits oder sonstige typischen Viking-bzw. Pagan-Elemente lassen das ganze angenehm minimalistisch erscheinen, auch wenn der ausgereifte Sound, den das Quintett präsentiert, einmal mehr das gewisse Etwas vermissen lässt.

Banane Metalik 1Da Heidevolk und Trollfest am heutigen Tag ebenfalls, und somit ein zweites Mal bei diesem Festival, im Felsenkeller auftreten, begeben wir uns lieber ins Täubchenthal, um einem der selten zu sehenden Auftritte des französischen Gore `N Roll Konglomerats Banane Metalik beizuwohnen. Dazu muss gesagt werden, dass auch und gerade Metalheads hier auf ihre Kosten kommen. Die Musik, obgleich dem Horrorpunk-Genre zuzurechnen, ist in Ihrer Gesamtheit schwer zu beschreiben. Es fehlt in jedem Falle nicht an groovigen Rhythmen einerseits und bellendem Gesang andererseits. Die aufwändigen Kostüme und die Outfits der Zombie-Mafiosi (passend zum aktuellen Album „The Gorefather“) tun ihr übriges, während sich der Sänger mehr im Publikum als auf der Bühne befindet, ein Zombie-Animateur auf der Bühne mit einer Skelettbraut tanzt und haufenweise Kaffeebecher, Papiertüten und alles andere, was irgendwie greifbar ist, in die Zuschauerreihen fliegt.

Balzac haben den weiten Weg aus Japan auf sich genommen, um beim WGT dabei zu seien. Und man mag es als EuropäerBalzac 3 mit so viel Ignoranz betrachten, wie man will, aber Punk konnten die Japaner schon immer gut. So auch die skelettiert-bekleideten Jungs von Balzac, die von Beginn an ordentlich drauflosrocken und das Publikum zum Tanzen animieren, Nach jedem Song erfolgt eine artige Verbeugung von Sänger Hirosuke. Auch wenn sie nur schwer zu verstehen sind („Ist das nun Englisch oder Japanisch?“) tut dies der Party keinen Abbruch. Spürbar ist aber auch die, man mag sie fernöstlich nennen, Distanz zum Publikum, die im Gegensatz zu Banane Metalik gewahrt bleibt, Auch auf Ansprache zwischendurch wird verzichtet. Macht aber nichts, denn augenscheinlich kommen Songs wie „Blackenend“ und „Bloodsucker“ nicht nur bei Misfits-Liebhabern unheimlich gut an.

Der Trend der Bandauswahl ging 2016 allerdings gefühlt eher vom Metal weg, und das ist für unsereins natürlich schade. Vielleicht lag es auch daran, dass der Variantenreichtum des letzten Jahres dem diesjährigen überlegen war; aber andererseits spricht es für sich, dass gewisse Bands zweimal während des Festivals auftreten und so Slots besetzen, die auch mit anderen Künstlern hätten gefüllt werden können. Klar: Der Fokus des Wave Gotik Treffens liegt nicht auf metallischen Klängen, aber dennoch wäre ein bisschen mehr in diesem Fall einfach mehr. Darüber hinaus bleibt mein Wunsch jedes Jahr derselbe: endlich die Trennung vom Kohlrabizirkus als Veranstaltungsort einzuleiten. Aufgrund seiner Lage und der Größe wird dieser Wunsch vermutlich nicht in Erfüllung gehen. Aber es ist einfach traurig zu sehen, dass Orte wie die Parkbühne, das Werk II oder, auch wenn das schon lange her ist, das Haus Auensee wegfallen und stattdessen an dieser Dröhnkuppel festgehalten wird, die den Bands den Sound schlichtweg versaut. Dass die Location für Konzerte dieser Größenordnung ungeeignet ist, sieht man daran, dass außerhalb des WGT dort quasi keine Konzerte stattfinden.
Insgesamt war es aber auch 2016 wieder ein sehr positives Festival-Erlebnis, nicht zuletzt wegen der Highlights Kauan, Enslaved und Banane Metalik sowie einiger Neuentdeckungen. Trotz widriger Wetterumstände passte die Atmosphäre, die Menschen waren freundlich, und mittlerweile hat man sich auch an den „Genuss“ von Chemnitzer Braustolz gewöhnt. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr.

Bilder

http://wave-gotik-treffen.de/

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