Wave Gotik Treffen 2018

Bereits zum siebenundzwanzigsten Mal fand in diesem Jahr zu Pfingsten das Wave Gotik Treffen zu Leipzig statt. Bei festivalfreundlichem Wetter tummelten sich erneut jede Menge „Gruftis“ und andere Anhänger der schwarzen Szene in der sächsischen Messestadt um ausgelassen zu feiern, zu flanieren und natürlich auch der einen oder anderen Band zuzusehen und zuzuhören. Hinsichtlich der Metal-Sparte fiel das Booking dieses Jahr leider selbst für WGT-Verhältnisse mager aus – aber dennoch haben wir uns einige Kapellen genauer angesehen.

Am Freitag ging es zunächst in die Kantine des Volkspalastes. Hier eröffnen die Wave-Punks von Pinoreks den Abend. Musikalisch bedienen diese Herren eindeutig und sichtbar den Geschmack der anwesenden „Altgruftis“ und Batcaver, denn insbesondere in den ersten Reihen wird gut und ausdrucksstark getanzt. Die Band selbst agiert eher verhalten; allerdings handelt es sich bei den Mitgliedern auch bereits um Herren etwas höherer Semester. Dennoch schaffen sie es, ohne viel TamTam eine überzeugende und rockende Musik abzuliefern. Letztendlich sind es Töne, wie man sie auf einer 80er-/Batcave-Party hören würde. Für Fans der Ramones und Co. sind die Herren quasi Pflicht.

CRISIS spielen im Anschluss vor brechend voller Kantine. Auch wenn sie insgesamt ein wenig rockiger agieren, gleichen sie rein konzeptuell 1:1 ihren Vorgängern. Sänger und Bassist Tony Wakeford ist sicherlich nicht unschuldig an dem hohen Publikumsaufkommen, denn immerhin ist/ war er bereits bei Sol Invictus und Death In June aktiv. Was ein bisschen wie Green Day als Gruftiband klingt, erzeugt zwar keinen harten Pogo, aber immerhin zustimmendes Geschunkel in den vorderen Reihen, Die Briten präsentieren einen Mix aus alten und neuen Songs, die auf die Dauer zwar etwas repetitiv rüberkommen, dem Großteil des Publikums aber sichtlich gefallen. Insgesamt wird die Halle während des Konzertes immer noch voller.

Auch am Samstag war von Metal nicht viel zu sehen, weswegen Zeit für ausgedehnte Streifzüge durch die Stadt und einen ersten Abstecher ins Heidnische Dorf blieb. Dort spielen am Nachmittag immerhin Paddy And The Rats eine Art „Pirate Party Rock“ mit Akkordeon, Geige und Banjo. Das Ganze bewegt sich in Richtung Alestorm, nur ein bisschen softer. Jedenfalls legen sie direkt gut los und verbreiten ordentlich Stimmung; es ist eben eine dieser Bands, die den Bierdurst anregt und die Beine zum Zucken bringt. Unter viel Applaus, Tanz und Geschunkel wird schnell deutlich, dass Paddy and The Rats perfekt hierher passen.

Das diesjährige Mitternachtsspecial in der Agra sind die Norweger von Wardruna. Diese Ausnahmemusiker waren 2012 bereits zu Gast beim WGT – damals noch im Heidnischen Dorf und mit Gaahl als zweiten Sänger. Mittlerweile haben sie durch zahlreiche Gigs, zwei weitere Alben und natürlich durch die Erfolgsserie „Vikings“ einen enormen Bekanntheitsgrad erreicht. Entsprechend gut gefüllt ist die Agra, auch wenn dieses Programm von den sonstigen Mitternachtsspecials des WGT abweicht. Mit ihrem unverwechselbaren und einzigartigen Sound, den alten Instrumenten und den beeindruckenden Stimmen von Einar Selvik und Lindy Fay Hella, haben sie die Zuhörer schnell in ihren Bann gezogen. Inhaltlich auf die Bedeutung altgermanischer Runen und die Götter ausgerichtet, und die Magie springt nicht zuletzt aufgrund des überraschend guten Sounds auf das Publikum über. Vor und nach dem letzten Song („Helvegen“) bleibt nur frenetischer Applaus, der selbst den stillen Herrn Selvik in gerührte Verlegenheit bringt. Wardruna ist immer ein Erlebnis für sich.

Am Sonntag gab es zum Auftakt eine Runde schamanische Ritualmusik aus dem Hause Nytt Land. 3 Menschen mit krassen Kontaktlinsen machen in abgespeckter Form dort weiter, wo Wardruna aufgehört haben. Die Musik ist sehr meditativ, und aufgrund der Hitze im Heidnischen Dorf hält sich die Zahl der Zuhörer vor der Bühne in Grenzen; wer noch ein Plätzchen ergattern konnte, schaut sich das Konzert von einem schattigen Plätzchen aus an. Irgendwo im Internet stand, dass diese Band Metal macht, aber die tatsächliche Musik könnte davon nicht weiter entfernt sein. Dennoch kommt sie live ganz gut an; nachts am Lagerfeuer wäre das Ganze allerdings noch stimmungsvoller.

Nun sollte es eigentlich mit SULD weitergehen, doch zunächst ist Geduld gefordert, da sich aufgrund des Ausfalls der Band Schandmaul anscheinend alles nach hinten verlagert. Als es dann endlich losgeht, quälen einen die Mongolen buchstäblich durch ein ewig langes Intro. Der Übergang zur richtigen Musik geht mit wildem Gehüpfe der Band einher und kommt nach der ermüdenden Warterei doch angenehm überraschend rüber. Die Mucke selbst ist weniger „klassisch-mongolisch“, als man gedacht hätte; vielmehr kann man hier von Hardrock/ Metal für das gechillte Reiten durch die Steppe sprechen. Sehr eingehende Melodien bestimmen die Songs, wobei die Hauptarbeit von der mongolischen Pferdekopfgeige geleistet wird. Nach einer Weile setzt dann auch der Kehlkopfgesang ein, mit dem man irgendwie felsenfest gerechnet hat; in Zusammenspiel mit der Geige haben wir hier es mit dem Soundtrack einer BBC-Doku über die Mongolei zu tun. Während der rockigeren Parts motivieren die Musiker das Publikum beständig zum Mitmachen und zücken mehr als einmal Kameras und Handys, um Fotos ihrer Zuhörerschaft zu schießen; offenbar ist es für sie eine große Sache, hier spielen zu dürfen.

Offenbar war es bereits höchste Zeit für Metal, denn als Nothgard loslegen, lässt ein (kleiner) Moshpit auch nicht lange auf sich warten. So ganz ausgegoren ist der Auftritt allerdings nicht: der Sänger sieht ziemlich fertig aus, der Schlagzeuger headbangt mehr als seine Kollegen und die Songs sind doch ziemlich eintönig und gleichgeschaltet – wobei man Ihnen zugutehalten muss, dass die Soloparts ein paar Akzente setzen.

Heidevolk sind eine dieser Bands, die gefühlt immer und überall spielen – und das auch noch gleichzeitig! Mit einem „Wie geht’s dir, WGT?“ wird eine etwas länger dauernde Show eingeläutet, denn die Niederländer haben sich eine halbe Stunde Spielzeit von den ausgefallenen Schandmaul gemopst. Direkt vor der Bühne ist es nun auch rappelvoll und das Zuschauermeer zieht sich bis fast bis ans Ende des Bühnenplatzes. Musikalisch geht natürlich auch um die Promotion des neuen Albums „Batavi“, was unter anderem durch Songs wie „Wapenbroeders“ erfolgt. Aber auch Klassiker wie „Saksenland“ und „Walhalla Wacht“ fehlen nicht im Repertoire. Über Stil und Inhalt muss man wahrscheinlich keine großen Worte mehr verlieren, zumal die Band ja nicht erst seit gestern unterwegs ist. Jedenfalls haben sie das Publikum gut im Griff und sind für diese Uhrzeit wahrscheinlich genau die richtige Kapelle, um mit reichlich Bier und Met abgefüllte Gemüter zum Partymachen zu animieren. Und das gilt nicht nur für die Metal-Fraktion; auch Gruftis, Batcaver und Co. sind im Publikum vertreten. Spielfreude oder zumindest ein hohes Maß an Professionalität ist Heidevolk auf jeden Fall anzumerken.

Am Montag spielt sich Metal beim WGT seit einigen Jahren vorzugsweise im Felsenkeller ab – und so war es auch dieses Mal. Los ging es am Nachmittag mit Grimner aus Dänemark, die mit ihrem aktuellen Album zu diesem Zeitpunkt schon Einiges an Tour-Erfahrungen quer durch Europa sammeln konnten. Musikalisch hauen sie ein wenig in die Svartsort-Kerbe (Viking Metal), ein Eindruck, der auch durch den exzentrischen Flötenspieler gepusht wird. Der Rest der Truppe ist standesgemäß mit Tuniken, Armschienen und Fellen ausstaffiert. Musikalisch und optisch wäre das also auch etwas für das Heidnische Dorf gewesen. Zwar ist der Felsenkeller zu dieser frühen Stunde eher mäßig gut gefüllt; dennoch kommt die Musik beim Publikum gut an. Bleibt zu hoffen, dass sich Grimner dauerhaft neben Ensiferum und Co. etablieren können, denn drauf haben sie es allemal.

Mit Eminenz geht es danach stilistisch in eine ganz andere Richtung. Dies ist nun Black Metal der alten Schule, der wesentlich melodiöser daherkommt, als zumindest unbedarfte Hörer vermutet haben. Neben der Keyboard-Begleitung sind haben auch die Gitarren durchaus das eine oder andere grazil klingende Riff in petto. Wenn man von der Bemalung mal absieht, wäre die band rein optisch auch Viking-kompatibel.
Eminenz legen einen gemäßigten Start hin, aber nach den ersten drei Songs wird schnell klar, dass es hier vor allem um Blast Beats und Black Metal für Fans von Dark Funeral, Grabak und Co. geht. Das Publikum hat sich indes quantitativ kaum vergrößert und wie bei todernsten BM-Bands so üblich, bleibt es auch hier im Verborgenen, ob die Musiker Spaß an der Sache haben oder ihr Set einfach runterspielen. Auch die Zuhörer agieren größtenteils so, wie man es von Black-Metal-Shows kennt: stoisch dastehen und mit dem Kopf nicken ist halt cooler als Moshen und Headbangen ;.). Der Sound, der zuvor noch etwas geschwächelt hatte, ist nun immerhin deutlich besser geworden; vielleicht kam der Tontechniker einfach nicht mit der Flöte von Grimner klar.

Wolfchant nehmen sich offenbar selbst nicht allzu ernst und blödeln beim Soundcheck entspannt auf der Bühne rum. Wer es vorher noch nicht wusste, sieht es jetzt: einer der Gitarristen von Nothgard ist auch bei dieser Kombo mit dabei. Des Weiteren gibt es hier gleich zwei Sänger, die allerdings, gemessen an der Akustik des Felsenkellers, eher was für das Klangvolumen anstatt für differenzierte Stimmlagen tun. Insgesamt werden hier doch ziemlich heroisch-melodiöse Soundlandschaften erschaffen – was den BM-Fans von vorhin offensichtlich nicht so in den Kram passt, denn eine quantitative Abnahme des Publikums ist durchaus spürbar. Gleichzeitig ist das angeschlagene Tempo nicht stimmig mit der Bereitschaft der Zuhörer, richtig abzugehen. Dennoch muss man die Flexibilität einiger Gruftis bewundern, die auch zu Metal-Hymnen unbeirrt ihren Stampftanz abfackeln.

Schlussendlich sind Imperium Dekadenz dran, die man auch nicht zum ersten Mal zu Gesicht bekommt. Obgleich das Publikum nun wieder an Masse gewonnen hat, hält die Stimmung sich auch hier in Grenzen. Allerdings mag es auch mit an der Musik liegen, denn so viel Mühe sich die Band scheinbar auch gibt: die ganze Vorstellung wirkt ohne nennenswert wahrnehmbare Akzente und Höhepunkte irgendwie ziemlich einschläfernd und gesichtslos. Außer ein paar enthusiastischen Fans will hier niemand so richtig warm werden. Man muss dazu sagen, dass es Montag ist und die Akustik ihr Übriges tut…aber dennoch ist es nicht das Wahre.

Damit ging das WGT 2018 auch schon zu Ende. Es bleibt festzuhalten, dass trotz der großartigen Atmosphäre und des einzigartigen Charakters, den dieses Festival von Natur aus mit sich bringt, langsam einige Grenzen erreicht sind, die nach Veränderung oder Rückbesinnung verlangen. Wenn man überlegt, was beispielsweise noch vor einigen Jahren im Felsenkeller los war, als dort Eisregen, Dark Funeral und God Seed auftraten, fällt der Rückschritt, der dieses Jahr insbesondere in der Metal-Sparte deutlich zu spüren war, stark ins Auge. Halbleere Veranstaltungshallen, besoffene Securities und zu lange Schlangen vor den Toiletten stehen dem WGT einfach nicht gut zu Gesicht – gerade weil man weiß, dass dieses Festival deutlich mehr vermag. Nichtsdestotrotz komme nächstes Jahr gern wieder, wenn sich die Chance ergibt. Und vielleicht gibt es dann ja auch wieder ein paar schöne Überraschungen.

Bilder

http://wave-gotik-treffen.de/