Requiem Interview

RequiemEin Interview mit den Schweizern REQUIEM hatte ich schon viel früher vor. Aber entweder war das jeweilige Album bereits zu lange draußen, um darauf basierend eine Fragerunde zu veranstalten, die Zeit fehlte oder andere nichtige Gründe eigneten sich als Ausrede. „Within darkened disorder“ machte damit kurzerhand Schluss! Keine Ausflüchte mehr, kein Grund der einer REQUIEM-Befragung im Weg steht. Bassist und Sänger RALF WINZER GARCIA nahm sich die Zeit, um seine Sicht der Dinge zum neuen Album, seiner doppelten Aufgabe, Konstanten im REQUIEM-Universum oder Visitenkarten im Web zu erklären.

Euer neues Album „Within darkened disorder“ ist draußen. Der Titel – eine Art eigene Standort-Beschreibung? Was ist für Euch das dunkle Chaos?

Der Titel hat mit uns selbst oder unserer Bandsituation nicht oder nur sehr wenig zu tun. Das dunkle Chaos, wie Du es nennst, ist eher eine Beschreibung der aktuellen Realität, welche uns umgibt. Und dies nicht nur auf unser unmittelbares Umfeld bezogen, sondern vielmehr global.

Die gravierendste Änderung war sicher der Wechsel am Mikro. Michi hat Euch Anfang letzten Jahres nach 13 Jahren verlassen, Du neben dem Bass auch die Vocals übernommen. Dem Sound steht das nicht schlecht, wie ich finde. Wie habt ihr die ersten Aufnahmen als Three-Piece empfunden?

Vom Songwriting-Prozess her im Vorfeld, wie auch von den Aufnahmen her hatte sich eigentlich nicht viel geändert. Michi hatte zuvor auch keine Texte oder sonstige Ideen beigesteuert. Bei den eigentlichen Aufnahmen lief es auch in etwa so ab, wie zuvor. Wir nehmen meistens gestaffelt auf, so dass wir nicht alle immer zur selben Zeit im Studio sind. Dies hat den Grund, dass derjenige der dran ist, jeweils frisch und ausgeruht ist, da Studioarbeit an sich ziemlich anstrengt. Von daher war es klar, so und so viel Tage für die Drums, dann die Gitarren, den Bass und Gesang am Schluss. Klar, da wir nur noch zu dritt sind, sind die Kommunikationswege noch kürzer und das Ganze wirkt noch kompakter als vorher. Aber wie gesagt, so viel anders als zuvor hat es sich nicht angefühlt.

In Statements zum Ausstieg ist idR von Zeitmangel zu lesen, von der Kollision familiären Interessen und dem vollgepackten Requiem-Zeitplan. Was bedeutet es, in einer Band wie der Euren zu spielen? Wie viel Zeit investiert Ihr pro Tag oder Woche hinein?

Michi hat zwei kleine Kinder und jeder der selbst Kinder hat, weiss was das bedeutet. Vom zeitlichen Aufwand her investieren wir ziemlich viel und zusätzlich gibt es dann noch den finanziellen Anteil, an dem sich jeder gleichermassen beteiligt. Von der zeitlichen Investition kann man sich das in etwa so vorstellen, dass zum Beispiel im Vorfeld einer neuer Platte 1-2 Tage pro Woche rein für den kreativen Prozess zu rechnen ist. Zudem dann noch zusätzlich die Zeit, die jeder für sich selbst zum Üben aufwendet. Aufgrund der Entfernungen von unseren Wohnorten, muss jeder für sich selbst entsprechende Vorbereitungen treffen und neue, wie auch alte Songs üben und seine eigenen Arrangements ausarbeiten. Da kommen pro Woche zusätzlich mehrere Stunden zusammen. Zusätzlich dann natürlich noch die Zeit, welche man für die eigene Weiterentwicklung an seinem Instrument aufwendet. Also bei mir zum Beispiel sind das für den Bass so ca. 7-8 Stunden die Woche und für den Gesang vielleicht nochmal 5-6 Stunden dazu.

Was hat Euch damals zu der Entscheidung geführt, ohne Replacement weiter zu machen?

Wir diskutierten das Thema gleich nachdem Michi seinen Ausstieg bekannt gab und trafen die Entscheidung eine Anzeige zu schalten. Jedoch ist die Szene hier sehr klein und überschaubar und es gibt sehr wenige bis gar keine professionellen Musiker in dieser Stilrichtung, die bereit sind den entsprechenden Einsatz zu zeigen. Zeitgleich fing ich an die Texte auswendig zu lernen und Gesangsstunden zu nehmen. Nach einigen Wochen probten wir dann so die damals aktuelle Setlist und seitdem war es dann klar, dass wir in der Form komprimiert, d.h. als Trio weitermachen würden. Die Texte schreibe ich ja nun schon seit dem „Government Denies Knowledge“-Album. Von daher war es sehr naheliegend auch gleich noch den Gesang zu übernehmen.

Keine Veränderungen gab es an zwei Rahmenbedingungen: 1. Der Sound – bereits zum dritten Mal habt Ihr mit Andy Classen zusammengearbeitet. Habt Ihr in ihm Eurem Haus-und-Hof-Produzenten gefunden? Was sind die Gründe, die Euch immer wieder zu ihm führen?

Die Arbeitsweise von Andy Classen entspricht unserer eigenen. Er ist sehr unkompliziert und kommt sehr schnell und präzise auf den Punkt. Ausserdem haben wir durch die gemeinsame Arbeit an den zwei vorhergehenden Platten eine Beziehung zueinander aufgebaut, was den Aufnahmen dieses Mal nochmals zu Gute kam. Er kennt uns mittlerweile sehr gut und wir ihn. Wir alle wussten genau was wir wollten und vor allem wie wir es umsetzen wollten. Auch hatten wir immer den direkten Vergleich zu den älteren Alben und wussten ganz genau, dass wir dem noch eins oben drauf setzen wollten. Andy ist da genau der richtige Typ dafür, da es auch in seinem Interesse ist, sich immer wieder erneut zu steigern und Details zu optimieren. Schliesslich steht ja auch sein Name letztendlich auf der fertigen Produktion.

Die zweite Konstante – das Cover-Artwork von Dan Seagrave, der wieder eins seiner typischen, schluchtigen Bilder abgeliefert hat, das ein bisschen an „Infiltrate…“ angelehnt scheint, aber doch auch völlig anders ist und beim genauen Hinsehen viele unerwartete Details freigibt, die in das Bild eingebaut wurden. Wie viel Input gebt Ihr Dan, um ein Cover von ihm zu bekommen? Wie viel Mitsprache- bzw. Mitgestaltungsrecht habt ihr bei den Arbeiten?

Dan Seagrave bekam von uns, genau wie beim letzten Mal, eine Zusammenfassung der Texte, sowie Liner Notes und Interpretationen zum gesamten kreativen Ausdruck des Album Titels. Anschliessend sendete er immer mal wieder Skizzen und Entwürfe, welche er dann mit uns absprach bzw. sich erkundigte ob dies so in etwa auch unsere Vorstellungen entsprach. Das letztendliche farbige Bild malte er dann autonom für sich in seinem Atelier, welches er übrigens immer von Hand auf Leinwand malt. Wir haben da ein recht grosses Vertrauen in seine Arbeit und seine Ideen, da ja auch seine Referenzen für sich sprechen. Ihm persönlich ist es auch immer wichtig gewesen, dass wir ihm möglichst viel Stoff und Vorschläge am Anfang lieferten, damit er damit sozusagen spielen konnte. In diesem Zusammenhang gesehen, hatten oder haben wir doch eine recht grosse Mitsprache bei der ganzen Kreation. Aber letztendlich ist es schon er und seine künstlerische Hand, welche dann alles so zusammen fügt. Und auch dieses Mal hat uns das Endergebnis wieder mal völlig aus den Socken gehauen. Wir sind absolut erfreut und geehrt, dass wir unsere Musik mit einem solchen Cover zieren können.

Der Vorgänger „Infiltrate…obliterate…dominate“ erhielt sehr gute bis herausragende Reaktionen. Wie stark hat Euch das Druck/Anspruchstechnisch beeinflusst?

Ehrlich gesagt hat uns das in keinster Weise einem Druck ausgesetzt. Wir waren natürlich – angesichts des Wechsels am Gesang – gespannt wie die Leute darauf reagieren würden, aber irgendeinen Druck oder Zwang haben wir keinen verspürt. Wir machen das alles lange genug, um ganz genau zu wissen was wir wollen. Und etwas Halbfertiges, ohne Anspruch oder ohne Qualitätsprüfung würden wir sowieso nie veröffentlichen. Zudem spielen war als Underground-Band sowieso in einer Liga, die meist nur geringen kommerziellen Erfolg verspricht. Wir sind zum Glück in einer Situation, in der wir musikalisch und überhaupt kreativ tun und lassen können was wir wollen. Es bestehen für uns dahingehend keine Regeln, da wir von unserer Musik nicht leben müssen und auch sonst von niemandem durch Verträge irgendwie beeinflusst werden.

Gab es eigentlich Bestrebungen, nach dem erfolgreichen Album das Label zum wechseln und ggfs. damit den oft zitierten ’nächsten Schritt‘ zu tun? Auf Eurer Myspace-HP hab ich als Ankündigung zu Eurem neuem Album Ende letzten Jahres den Satz gelesen „… released in 2011 via an undisclosed German label“. Oder interpretiere ich da falsch?

Wir nahmen „Within Darkened Disorder“ auf in der Hoffnung, dass wir ein passendes Label finden würden. Eine weitere Idee war zusätzlich auch das Ganze im Alleingang zu veröffentlichen. In diesem Zusammenhang steht die Ankündigung, die Du genannt hast. Wir haben also wieder einmal alles selbst vorfinanziert und dann die fertige Produktion an diverse Labels verschickt. Nach einigen Hin und Her und nach einigen vernünftigen und auch unvernünftigen Angeboten kam die Entscheidung nochmals bei Twilight zu veröffentlichen. So viel dazu.

Im Vergleich zu dem Vorgänger fehlen mir ein bisschen die zwingend-brutalen „Hits“ vom Schlage „Killing cell“. Wie seht Ihr das? Was sind aktuell Eure Album-Favoriten?

Wir alle finden eigentlich das aktuelle Album „Within Darkened Disorder“ in der Mehrheit der Songs viel brutaler und düsterer als die Songs des Vorgängers. Von daher kann ich Deine Aussage nicht so ganz nachvollziehen. Aber Musik ist ja bekanntlich Ansichtssache und auch Geschmackssache. Völlig legitim, wenn Du das anders siehst. Von den Favoriten her, kann ich ja nur für mich sprechen. Im Moment sind das „I Am Legion“, „Purified In Flames“ und sicherlich „Solemn Sacrifice“, wobei ich auch die anderen Tracks wie z.B. „Vicious Deception“, „The Plague Without A Face“ und das Titelstück absolut gelungen finde, vor allem von der Atmosphäre her, die diese Songs verbreiten. Ich denke, die wirklichen Favoriten werden sich vermutlich erst noch heraus stellen, wenn wir mal alle neuen Songs öfters live gespielt haben.

Musikalisch geht Ihr unbeirrbar den straighten Death Metal-Weg, ohne großartige Experimente. Gibt es Ideen oder Elemente, die Ihr Euch lose vorstellen könntet, in den Requiem-Sound zu integrieren, evtl. bisher aber noch nicht der richtige Zeitpunkt war?

Straight ist sicherlich eines unserer Markenzeichen. Wir halten es gerne schlicht und brutal, in der Tradition der Ursprünge des Genres. Wir hatten ja bisher immer mal wieder Crust- und Grind-Einflüsse in manchen Songs. Von daher wäre es grundsätzlich denkbar das eine oder andere Element aus diesen Bereichen und zusätzlich eventuell noch ein wenig mehr tempogedrosselter Groove und Doom-Einflüsse mit einzubeziehen. Wie gesagt, manche ältere Songs haben da hier und da schon Arrangements diesbezüglich stellenweise. Wir werden sehen wie sich dies nächstes Jahr beim neuen Songwriting voraussichtlich entwickeln wird. Vielleicht werden wir auch kleine Details ausserhalb der Death Metal Standards zum Zug bringen. Wir werden sehen was passiert. Songwriting ist bei uns selten nur eine rein rationale Kopfsache. Da sind viele unterschiedliche Faktoren und dann auch aktuelle Ereignisse involviert, welche uns beeinflussen.

Welche AKTUELLEN (Death Metal) Bands seht Ihr auf Eurer Wellenlänge bzw. zieht Ihr Euch selbst auch gern rein?

Auch hier kann ich nur für mich sprechen, wobei wir stellenweise ähnliche Bands mögen. Mit aktuell ist das allerdings eher schwierig, da mir viele moderne, zeitgemässe Kapellen nicht sonderlich gefallen. Mit ein paar Ausnahmen natürlich. Die neue Deicide finde ich z.B. sehr geil, dann unsere Kollegen von Belphegor natürlich, sowie auch Malevolent Creation. Die neue Panzerchrist war auch sehr interessant, fällt mir gerade ein. Ansonsten höre ich meistens die alten Klassiker oder eben auch Platten aus anderen Metalstilrichtungen.

RequiemWer im Netz nach Informationen zu Euch sucht, landet logischerweise auf Eurer Homepage www.requiem-net.com, die in Teilen (infotechnisch) hinterher zu hinken scheint und auch Bild/Sound/Video-technisch wenig bietet. Eure neue CD findet da z.B. noch gar nicht statt. Keine Zeit, Euch darum zu kümmern oder setzt Ihr eher auf andere Kanäle?

Das Pflegen der Homepage ist ein ziemlicher Aufwand, da wir nach Jahren desselben Layouts nun alles komplett umbauen werden. Allerdings bekommt diese Seite nur noch wenige Clicks/Views. Von daher setzen wir eher auf facebook und momentan noch MySpace. Internetplattformen für Bands gibt es ja im Netz zum Glück wie Sand am Meer. Die traditionelle Homepage hat wohl mittlerweile etwas ausgedient als ‚Visitenkarte‘, wie es scheint.

Re-Releases haben Hochkonjunktur: Gibt es Pläne Eurerseits die beiden frühen CDs „Formed at birth“ + „Nameless grave“ den Fans noch mal zugänglich zu machen, angereichert mit dem ein oder anderen unveröffentlichten Song? Ich z.B. würde mich freuen, da mir beide in der Sammlung fehlen…

Interesse hätten wir daran sicherlich. Auch hatten wir schon darüber gesprochen die letzten beiden Alben als Doppel-Vinyl-LP eines Tages zu veröffentlichen. Vor allem wegen der tollen Seagrave-Cover. Allerdings bestehen da momentan keine konkreten Pläne. Dieses in die Tat um zu setzen bedarf Geld. Die meisten Firmen sind momentan sehr zaghaft, was Investitionen angeht. Die Musikbranche steckt ja bekanntlich massiv in der Krise. Und selbst finanzieren liegt für uns nicht drin. Von daher werden wir diese Projekte dann noch aufschieben müssen, bis zu einem späteren Zeitpunkt. Dennoch ist dies sicherlich eine Sache die bei uns ganz weit oben auf der Taskliste steht.

Anstehende Konzert-Termine für Euch sind aktuell wenig zu finden. Ich nehme an, Ihr + Label/Booking-Agentur basteln gerade an einer Promo-Tour für „Within darkened disorder“? Nach dem Festival-Sommer? Worauf können wir uns freuen?

Wir haben einige Pläne aber momentan noch nichts konkretes, was wir ankündigen könnten. Allgemein gesagt ist es so, dass es für Bands in unserer Liga recht schwer geworden ist an vernünftige Shows, Festivals oder Touren ran zu kommen, die dann den berühmten ’nächsten Schritt‘ bedeuten würde. Viele Konzertangebote bedeuten „pay to play“ und da ist schon rein finanziell eine Grenze vorgegeben, da wir keine finanzkräftigen Geldgeber im Rücken haben. Was also bleibt ist das Underground-Netzwerk immer schön zu pflegen und abzuwarten, wann sich für uns Türen aufmachen. Aufgrund der sehr positiven Rückmeldungen auf das aktuelle Album, sollten eigentlich auch einige sinnvolle Angebote folgen. Aber wie gesagt, hat der Kapitalismus auch im Underground-Metal Einzug gehalten. Die Kriterien der Marktwirtschaft bestimmen über Supportspielpositionen für grössere Bands und nicht der musikalische und kreative Aspekt. Wir werden sehen was passiert, evtl. wird ja demnächst wieder der alte Schule Death Metal, so wie wir ihn zelebrieren seit 1997, wieder populärer werden. Wir machen jedenfalls einfach weiter wie bisher, da man die geschäftliche Seite des Ganzen sowieso nur wenig bis gar nicht beeinflussen kann. Zumindest nicht mit unseren beschränkten finanziellen Mitteln.

Any last words?

Vielen Dank für das Interview. Ohne Magazine wie Euch, hätten Bands wie wir noch viel weniger Möglichkeiten unseren echten, ehrlichen Sound zu verbreiten. Danke auch an die Leute, die Underground-Bands nach wie vor voll supporten. Dies ist heutzutage nicht selbstverständlich und muss respektiert werden. Von Leuten wie euch lebt unsere Musik letztendlich.

Weitere Infos und die nächsten Shows findet ihr unter:

www.myspace.com/requiemdeathmetal

 

REQUIEM – Premier Death Metal Since 1997

 

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