Orphaned Land Interview

Es ist jetzt schon fast eine Dekade her, daß ich, irgendwann Mitte der 90er Jahre, zum ersten Mal in Kontakt mit ORPHANED LAND bzw. mit ihrem damaligen „El norra alila“-Album kam. Gekauft habe ich es wahrscheinlich, weil die Jungs aus Israel waren und ich gerne an die Zeit zurückdenke, in der ich in einem Kibbutz irgendwo zwischen Jerusalem und Tel Aviv ein halbes Jahr lang Avocados gepflückt habe. Das war auch 1996 schon ‘ne Weile her. Jedenfalls hat mir die Musik gefallen. Härtemäßig ging es zwar eher gemäßigt zu, Richtung Dark Metal/Gothic/Doom, aber der CD entströmte ein orientalisches/arabisches Flair, das die Platte einzigartig in der damaligen wie heutigen Metallandschaft machte. Leider hörte man dann acht Jahre lang nichts mehr von der Gruppe, und auch ich hatte sie längst vergessen, als sich die Band 2004 wie aus heiterem Himmel mit dem verdammt starken „Mabool“-Album zurückmeldete. „Mabool“, zu deutsch „Die Flut“, ist eine kongeniale Symbiose von Abend- und Morgenland. Klar war, ein Interview mußte her! Sänger und Texter Kobi Farhi  hatte leider keine Zeit, sodaß ich mit Gitarrist Matti Svatizky Vorlieb nehmen mußte. Matti enttarnte sich jedoch als ungläubiger Thomas, der mit Fragen zum religiösen Hintergrund der Texte nicht viel anfangen konnte. Aber bitte, man kann im Leben nicht alles haben…

Shalom Matti, hoffe dir geht es gut. Ich habe euch im Mai hier in München zusammen mit PARADISE LOST gesehen. Was für Eindrücke habt ihr denn von der Tour und von Deutschland mitgenommen? Warst du zum ersten Mal hier?

Hey, Mann. Also, ich selbst bin schon mal in Deutschland gewesen, als dreizehnjähriger Junge. Meine Eltern haben mit mir damals eine Urlaubsreise durch Europa gemacht, und Deutschland war eins der Länder, die wir besucht haben. Ich habe Deutschland und die Deutschen immer sehr bewundert und denke, daß sie in ihrer Geschichte viele Dinge erreicht haben. Natürlich ist Deutschland auch ein wichtiger Markt für Heavy Metal bzw. ganz allgemein für Musik. Während der Tour mit PARADISE LOST waren wir, d.h. die komplette Band, sehr beeindruckt von der Professionalität der jeweiligen lokalen Organisatoren, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Ich wünschte, hier in Israel würden die Leute auch so arbeiten.

Aus welchem Teil des heiligen Landes stammt denn ORPHANED LAND?

Alle Mitglieder von ORPHANED LAND leben hier in Israel. Wir kommen aus der Mitte des Landes, aus Tel-Aviv. Das ist auch die Stadt in Israel, in der das Meiste los ist.

Orphaned Land nennt ihr euch, „das verwaiste Land“. Welches denn…?

Auf den Bandnamen kann man aus vielen verschiedenen Richtungen schauen und aus jeder etwas anderes sehen. Man könnte beispielsweise sagen, das verwaise Land ist die ganze Erde, die von den Menschen zerstört wird und die niemanden hat, der ihr hilft. Man könnte das „Land“ natürlich auch auf Israel, unsere Heimat, beziehen. Wir Israelis fühlen uns ja manchmal mißverstanden im Bezug auf die Konflikte, die wir durchzustehen haben, und da wir manchmal auch das Gefühl haben, ganz allein gegen die ganze Welt zu stehen, niemandem an unserer Seite, haben wir also auch etwas von einem „verwaisten Land“. (Diese Sicht der Dinge dürfte in Europa kaum jemand teilen. Im Gegenteil, Israel hat bekanntlich das mächtigste und einflußreichste Land der Welt, mit der dicksten Armee, auf seiner Seite. Wäre dem nicht so, würde es Israel schon lange nicht mehr geben. -Verf.)

In meinem Review zu „Mabool“ habe ich geschrieben, daß ORPHANED LAND,  kurz zusammengefaßt, westlicher Gothic/Death ist, kombiniert mit traditionellen arabisch-orientalischen Klängen und biblisch-jüdischen Texten. Das sind ja drei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein können…

Ich bin nicht sicher, ob du das richtig verstanden hast. Soweit ich das sehe haben wir zwar eine starke ethische Schlagseite mit vielen jüdischen und religiösen Elementen in den Texten, aber ich denke, daß die stärkere und wesentlichere Seite von ORPHANED LAND die musikalische ist. Und die Basiselemente in unserer Musik sind, nach meiner Vorstellung, die Gitarren-Riffs. Ich halte sie für überaus einzigartig und speziell, für etwas, was man sonst nirgends hören kann. Ich denke, daß unsere ethischen Einflüsse sozusagen der letzte Schliff sind, der uns zu etwas macht, was vorher noch nicht dagewesen ist. (Hier spricht der stolze Gitarrist, der zudem nicht allzu religiös zu sein scheint. Sänger Kobi Farhi, da bin ich sicher, würde hier vehement widersprechen. -Verf.)

„Mabool“ läßt darauf schließen, daß ihr euch sicher in hebräischer wie auch arabischer Sprache bewegt. Zu türkisch scheint ihr ebenfalls eine Affinität zu haben. Welchem Kulturkreis fühlt ihr euch denn zugehörig?

Israel ist ein Einwanderungsland, und die Kinder, die hier aufwachsen, sind vielen unterschiedlichen Kulturen und Lebensweisen ausgesetzt, von europäisch bis arabisch. Ich denke, daß ein Teil von uns immer auch zu all diesen Welten gehört. Es paßt sehr gut in unseren Stil, daß er all diese exotischen Sprachen enthält, da unsere Musik auch stark von all den Kulturen beeinflußt ist, die hinter diesen Sprachen stehen.

Kann man sich gleichzeitig in der jüdischen und in der arabischen Welt bewegen?

Ja, ich glaube absolut an die Möglichkeit einer Koexistenz, und ich bin mehr als zuversichtlich, daß dies möglich sein wird.

Ich nehme an, ihr seid Sephardim, also Angehörige desjenigen Judentums, das nicht aus dem westlich geprägten, europäischen oder amerikanischen Raum kommt (Ashkenasim), sondern aus dem südöstlichen, orientalischen, afrikanisch-arabischen Einflußgebiet…

Ich persönlich bin kein Sephardim, aber ich bin auch der einzige in der Bande, der keiner ist. Meine Familie kommt aus Rußland, sie waren unter den ersten Siedlern, die nach Palästina gekommen sind. Das war viele Jahre, bevor Israel seine Unabhängigkeit erklärte. Alle anderen in ORPHANED LAND sind Sephardim. Ihre Familien kommen aus Bulgarien, dem Irak und Tunesien.

Wie bist du zur Musik gekommen?

Um für mich zu sprechen, ich hatte eine Band, zusammen mit einigen meiner Freunde. Wir spielten aber nur Cover, und wir hatten auch nur ein einziges, nicht sehr erfolgreiche Konzert. Ich weiß nicht, ob das jetzt zählt, hehe…

Und wie kam es zur Gründung von ORPHANED LAND?

Die Band wurde 1991 von Kobi und Uri (Sänger Kobi Farhi  und Basser Uri Zelcha -Verf.) gegründet, damals hießen sie noch RESURRECTION. Als nächstes kam dann Yossi, unser Gitarrist, und zusammen mit einem Schlagzeuger namens Danny spielten sie genau eine Show. Anschließend kamen dann ich, Matti, und als neuer Trommler Sammi dazu, womit unsere heutige Besetzung komplett war.

Ist Kobi der musikalisch-kreative Kopf der Gruppe?

Ich denke, daß man keinen von uns als Kopf von ORPHANED LAND bezeichnen kann, in dem Sinne, daß derjenige dann alles selber macht. Natürlich, einige Bandmitglieder sind dominanter als andere, aber jeder von uns komponiert und trägt mit seinen Ideen und Visionen bei. Das gleiche gilt für den geschäftlichen Bereich.

Erstes Lebenszeichen war die 93er Musikkassette „The beloved‘s cry“, die dann sechs Jahre später, 1999, auch auf CD rausgebracht wurde. Kann man als Demo bezeichnen, oder?

Ja, das ist richtig. Es waren die ersten professionellen Aufnahmen, die wir gemacht haben. Auf der 99er CD sind die Aufnahmen nicht neu aufgenommen worden, alle Versionen sind die Originalversionen. Nur den Sound haben wir überarbeitet und re-mastered. Es gibt auf der CD ein Bonusstück, ein Multimedia-Video von „Seasons unite“, welches wir etwa um die Zeit aufgenommen haben, als auch das Demo erschien.

Wie sah denn Anfang der 90er die Metal-Welt in Israel aus? Gab es damals schon so etwas wie eine Szene?

Die Metal-Szene in Israel zu Beginn der 90er Jahre war echt geil. Der Death Metal startete seinen Siegeszug rund um den Globus, und auch in Israel herrschte so etwas wie eine Aufbruchstimmung, der Beginn von etwas Neuem lag in der Luft. Die Szene hierzulande war und ist natürlich klein, aber Israel ist auch ein kleines Land. So ist das alles relativ. Wir hatten hier immer einen gesunden Wettbewerb unter den Gruppen. Ich erinnere mich noch an SALEM, MORGUE, PEOPLE, AMAXES, SUBSTANCE FOR GOD und viele andere mehr…

Euer erstes richiges Album „Sahara“ kam im folgenden Jahr 1994 in die Welt. Habt ihr da schon dieses speziellen „orientalischen Dark/Death Metal“ gespielt? Eine Konzeptplatte, wie die nachfolgenden Alben war „Sahara“ aber wohl noch nicht…

Ich denke, daß „Sahara“ eine ganze Menge an orientalischen Elementen enthält, bestimmt nicht weniger als auf den folgenden zwei Platten. Ein Konzeptalbum wie „Mabool“ ist „Sahara“ nicht, das ist richtig, aber „El norra alila“ war das eigentlich auch nicht. Das „Sahara“-Album arbeitet wirklich viel mit arabischen Melodien, es war quasi unser erster Schritt in Richtung des Stiles, den wir heute spielen.

„Sahara“ ist auch ein ungewöhnlicher Titel…

Der Albumtitel sollte die Atmosphäre einfangen, er sollte zur Musik passen, die wir auf der Platte ausdrücken wollten. Die arabische Kultur wurde immer mit Wüste assoziiert, was lag da näher, als den Namen der größten und weltberühmten arabische Wüste als Albumtitel zu wählen?

Laut eigenen Aussagen habt ihr ein großes Following in der arabischen Welt und in der Türkei. Wie hat sich das entwickelt? Und wie habt ihr es geschafft, als Israelis dort Konzerte spielen zu können?

Wir haben in der Türkei schon einige Konzerte gespielt, wir betrachten sie schon fast als unsere zweite Heimat. Unglücklicherweise können wir es uns nicht erlauben, in der arabischen Welt live aufzutreten. Ich denke, die Zeit ist noch nicht reif dafür, aber wir haben Hoffnung für die Zukunft. Unsere Fan-Base dort ist allerdings recht ordentlich. Wir haben Fans in arabischen Ländern wie dem Libanon, Syrien, Ägypten, Jordanien und vielen mehr. Ich vermute mal, daß wir dort vor allem aufgrund des Vertriebs der Plattenfirma bekannt geworden sind, vielleicht auch durch simple Mund-zu-Mund-Propaganda. Wie auch immer, die Leute dort mögen unseren Stil, sie fühlen sich vertraut mit unserer Musik, und wir sind glücklich darüber, auch in diesen Ländern Fans zu haben.

Speziell zur Türkei scheint ihr ein besonderes Verhältnis zu haben. Eure Homepage ist beispielsweise nur in englischer und türkischer Sprache gehalten. Selbst Hebräisch kommt nicht vor.

Unser alter Webmaster, der unsere Seite aufgebaut hat, war Türke. Ich denke, das ist der eigentliche Grund dafür. Wir haben zur Türkei aber auch eine ganz besondere Beziehung, vor allem weil die Türkei das Land mit unserer größten Fan-Basis außerhalb Israels ist. Hier haben wir unsere ersten internationalen Konzerte gespielt. Die Türkei nimmt in unseren Herzen deshalb einen ganz besonderen Platz ein.

Gehört die Türkei zu Europa?

Ist das jetzt eine geographische oder eine politische Frage? Geographisch gesehen liegt nur ein Teil der Türkei auf dem europäischen Kontinent, das ist unbestreitbar. Politisch gesehen, willst du jetzt wissen, ob die ganze Türkei Teil der EU werden soll, und dazu kann ich dir keine Antwort geben. Ich bin aber sicher, daß dies nur eine Frage der Zeit ist, wenn beide Seiten bereit sind, Opfer zu bringen.

Musikalisch habt ihr mit dem zweites Album „El norra alila“ (1996) eueren Stil gefunden. Für mich ein echter Höhepunkt, vielleicht sogar einen Tick besser wie „Mabool“…

Ich glaube, daß einige Bandmitglieder ebenfalls „El norra alila“ dem aktuellen Album „Mabool“ vorziehen. Auch ich neige dazu, zuzustimmen, daß es mehr ORPHANED LAND-typische Merkmale aufweist, die „Mabool“ möglicherweise etwas abgehen. Derartige Vergleiche zwischen Alben halte ich allerdings nicht für ganz fair. Ich mag das nicht besonders und denke, daß wir es dabei belassen sollten.

„El norra alila“ (1996) basiert auf einem Konzept. Soweit ich das verstanden habe, steht im Mittelpunkt die „Vergebung Gottes“. Was genau ist damit gemeint?

Nun, es ist kein Konzeptalbum in dem Sinne wie „Mabool“ eines ist, welches eine von Anfang bis Ende zusammenhängende Geschichte erzählt. Ich stimme aber zu, daß es, technisch gesehen, auf einem bestimmten Thema aufgebaut ist. „El norra alila“ ist sehr religiös beeinflußt, es bringt viele Frage über Glaube und Opferbereitschaft auf den Tisch.

Starke Betonung liegt auch auf den Gemeinsamkeiten der drei großen monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam. Ich persönlich bin ja eher der Meinung, daß man hier nicht zuviel in einen Topf schmeißen sollte…

Die drei großen monotheistischen Religionen haben denselben Ursprung. Das alte Testament der Christen ist gleichzeitig das heilige Buch der Juden. Und die Muslime glauben auch, daß Abraham (alttestamentliche Gestalt. Gründungsvater der zwölf Stämme Israels. -Verf.) als einer der Großen im Gebäude ihres Glaubens steht. Es gibt zwischen den Religionen viele Unterschiede, genauso wie es viele Gemeinsamkeiten gibt. Genauso verhält es sich ja auch mit den Menschen. Persönlich glaube ich aber nicht, daß die Identität eines Menschen Hand in Hand mit seiner Religion geht. Ich selbst sehe mich nicht in erster Linie als Jude, wenn überhaupt, sondern da kommen zuallererst eine ganze Menge anderer Dinge. Meine Identität ist durch den genetischen Code festgelegt, und zweitens und letztens durch mich selbst. (Ha, da haben wir‘s! Der Rhythmusgitarrist ist Atheist! -Verf.)

Ich habe in einem früheren Interview (im Mörkeskye Magazin) gelesen, daß ihr euch stark gegen den Irak-Krieg und gegen Krieg im allgemeinen engagiert. Wie beurteilst du denn vor dem Hintergrund die Situation in Israel und die kompromißlose Einstellung der israelischen Regierung? War es richtig, den Gaza-Streifen zu räumen?

Siehst du, das verstehe ich nicht. Wie kannst du die kompromißlosen Haltung der Regierung und den Rückzug aus Gaza in einem Atemzug erwähnen? Der Rückzug aus dem Gaza-Streifen war doch ein ganz besonders kompromißbereiter Schritt! Israel hält die Besetzung für moralisch falsch, und deshalb zieht es jetzt seine Streitkräfte zurück. Aber ich will hier nicht über Politik diskutieren, auch wenn ich einiges zu sagen hätte. Das hat aber nichts mit Musik zu tun und gehört nicht hierher. Ich bin sicher, du verstehst das. Alles in allem befürwortet jeder in der Gruppe friedliche Konfliktlösungen. Wir glauben fest daran, daß der Israelisch-Palästinensische Konflikt bald enden wird.

In demselben Interview war zu lesen, daß du es geschafft hast, den Wehrdienst in deinem Land zu umgehen. Bist du Pazifist? Kann man in Israel überhaupt Pazifist sein? Ich meine, wenn die Israelis heute plötzlich alle Pazifisten würden, wären sie morgen alle tot, da der Gegner leider alles andere als pazifistisch ist…

Ich bin hier nicht bei der Armee gewesen, aber aus anderen als pazifistischen Gründen. Israel ist in einer sensiblen Lage und die Bedeutung der Armee ist enorm hoch. Jeder wird gebraucht, auch wenn ich und jeder andere wünschte, die Dinge lägen anders. Ich glaube an Frieden, aber ich bin nicht naiv. Es gibt Kriege seit es Menschen gibt, und da spielt es keine Rolle, ob du Deutscher bist oder Israeli oder sonstwas. Es betrifft jeden von uns, dagegen kann man nichts machen. Es ist der Lauf der Welt, ein Teil des Lebens. Wenn auch einige von uns, mich eingeschlossen, versuchen, pazifisch zu handeln, wann immer es möglich ist.

Wie ist denn generell das Lebensgefühl in einem Land, das ausländische Regierungen (aktuell gerade der Iran) am liebsten „von der Landkarte tilgen“ wollen?

Wir haben Fans in einigen dieser Länder, deren Regierungen uns alle umbringen wollen, und ich bin sicher, daß diese Fans Israel die Chance geben werden, die nötig ist, um in friedlicher Koexistenz zu leben. Diese Fans könnten uns problemlos aufgrund unserer Herkunft hassen, und wir könnten sie aus dem gleichen Grund hassen. Aber das ist nicht die Wahrheit! Wir wissen, daß in diesen Ländern Menschen leben, die nett, freundlich und friedfertig sind, genauso wie auch hier, und diese Menschen sind die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Aber nun zurück zu ORPHANED LAND. Ein Jahr nach „El norra alila“ habt ihr einen Vertrag mit Century Media unterschrieben. Doch dauerte es geschlagene weitere 7 Jahre bis zu „Mabool“. Warum hat das so lange gedauert?

Puh, dachte schon, wir reden jetzt den ganzen Tag über Politik… Ja, die lange Pause zwischen den beiden Alben, die hatte ausschließlich persönliche Gründe. Nach „El norra alila“ kam zutage, daß wir alle eigentlich keinen Plan hatten, wie es weiter gehen sollte. Die Dinge wurden auch einfach ein wenig kompliziert für gerade mal 18-jährige Kids, wie wir es damals waren. Wir hatten ja noch andere Träume als Musik! Wir brauchten einfach die Zeit, um uns zu sammeln und Kraft zu tanken für die Zukunft.

Das aktuelle Album „Mabool“ (2004) ist eine klassische Metaloper, die alle Grenzen von Kategorisierung überschreitet. Eine Vielzahl von z. T. alten Instrumenten gibt nahezu allen Liedern ein intensives orientalisches Flair. Einerseits sehr melodisch und eingängig, andererseits aber auch vertrackt und komplex mit schier unglaublichen Arrangements. Alles wirkt wie aus einem Guß. Zufrieden?

Im Grunde haben wir unmittelbar im Anschluß an „El norra alila“ damit begonnen, die Musik für „Mabool“ zu schreiben, wenn auch der Großteil erst 2003/2004, kurz vor den Aufnahmen entstanden ist. Die Aufnahmen selbst waren langwierig und sehr anstrengend, aber wir sind gut durchgekommen und mit dem Endresultat sehr zufrieden.

Lyrisch behandelt das Album die Sintflut und die vergeblichen Bemühungen sie aufzuhalten. Am Ende geht alles Bestehende zugrunde, und eine neue Welt entsteht. Nur eine alte, biblische Geschichte oder sind auch Bezüge zur heutigen Zeit gewollt?

Die Geschichte selbst hat nichts mit unserer Zeit zu tun. Sie erzählt von Menschen mit Schwertern und Federbusch-Helmen. Aber natürlich sind auch Andeutungen auf unsere Zeit vorhanden. Die entsprechenden Vergleiche zu ziehen, möchte ich aber dem Hörer selbst überlassen.

Vielleicht haben wir ja jetzt eine Erklärung für den Bandnamen gefunden. ORPHANED LAND als Metapher für die verwüstete Welt nach der nächsten großen Katastrophe?

Hm, vielleicht.

Seid ihr wirklich so religiöse Menschen, wie das eure Texte vermuten lassen? Wie wichtig ist dir dein Glaube im täglichen Leben? Das metallische Dark/Death/Black Metal Umfeld, in dem ihr euch bewegt, ist ja nicht ganz so gläubig, um das mal vorsichtig auszudrücken…

Ich persönlich bin überhaupt nicht religiös. (Klar! –Verf.) Unser Sänger Kobi, der allein für die Texte zuständig ist, ist da schon etwas näher an der Religion. Was die Black Metaller angeht, so denke ich, daß wir sowieso immer von gewisser Seite für unsere religiösen Standpunkte kritisiert werden. Aber als Künstler sind wir ohnehin an Kritik gewöhnt, sodaß wir uns da nicht groß drüber aufregen…

Ihr habt im Anschluß an „Mabool“ die 10´´-EP, „Ararat“, veröffentlicht. Der Berg Ararat liegt in der Türkei. Es ist der heilige Berg der Armenier, auf dem nach der großen Flut die Arche Noahs gestrandet sein soll. „Ararat“ scheint mir also der logische Abschluß der „Mabool“-Geschichte zu sein…

Richtig. der Berg Ararat ist nach der jüdischen Bibel die Stelle, an der Noah‘s mythische Arche nach der Flut landete. Das ist der einzige Grund, weshalb wir die EP „Ararat“ genannt haben. Und es verhält sich genau so, wie du sagtest. „Ararat“ ist die logische Fortsetzung. Was nach der Flut geschah und im Album nicht erzählt wurde.

Wie geht‘s weiter mit ORPHANED LAND? Gibt es schon Pläne für das nächste Album. Hoffentlich dauert es nicht wieder sieben Jahre…

Nein, das wird es nicht. Wir beginnen dieser Tage (Dez. 2005 -Verf.) mit den Arbeiten am Album. Es gibt bereits Material. Als nächstes gilt es, zu sichten und zu lernen, was die einzelnen Bandmitglieder komponiert haben. Ich bin sicher, daß wir innerhalb eines Jahres mit dem neuen Album am Start sein werden.

http://www.orphaned-land.com/

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*