Mortifer Interview

Ist das nicht der Stoff, aus dem Märchen sind? Da macht eine Band vor fünf Jahren mal eine verdammt gute Platte und verschwindet dann so ziemlich in der Versenkung. Und auf einmal sind sie wieder da. Mit einer wieder einmal verdammt geilen Scheibe. Mortifer, Karlsruhes so ziemlich einziger Metal-Export, haben dieses Kunststück geschafft und mit ‚Shiner‘ eine der besten deutschen Platten des letzten Jahres hingelegt. Grund genug, um mal einen der Typen vor die Tastatur zu zerren. Dennis, Schreihals, nahm sich meiner an….

Wie sind bisher die Reaktionen auf „Shiner“?
Durchweg sehr positiv. Wir haben einige sehr gute Reviews bekommen. Da „Shiner“ allerdings noch nicht offiziell erhältlich ist, beschränkt sich der derzeitige Hörerkreis eben auf Labels, Veranstalter und Zines…

Wieso ist die Platte denn noch nicht erhältlich? Die fliegt hier bei mir schon ein wenig länger rum?
Weil sich wahrscheinlich – ähnlich wie du – viele Leute mehr Zeit damit lassen, sie anzuhören bzw. darauf zu reagieren! ;) Nee, ohne Flax, ich hab keine Ahnung. Von befreundeten Bands bekomme ich mit, daß sie zumindest irgendwann mal von Labels eine Absage kriegen, doch bei „Shiner“ war da bisher Fehlanzeige. Von sicher 30 angeschriebenen Labels kamen von 4 Reaktionen…

Wie zufrieden seit ihr selber mit der Platte?
Wir haben uns einige Male über „Shiner“ unterhalten und alle Bandmitglieder von MORTIFER stehen voll hinter dem Silberling. Für uns hat es sich auf jeden Fall gelohnt, die Kohle in den Studioaufenthalt zu stecken. Auch weil das Songwriting für „Shiner“ so eine Ewigkeit gedauert hat, ist die Platte schon mindestens eine Art „Lebensabschnittswerk“ für jeden von uns geworden. ;)

Wie siehst du denn heute die Songs, die jetzt fast vier Jahre auf dem Buckel haben? Stehst du immer noch hinter denen? Siehst du einen großen Unterschied zu den letzten Songs, die ihr fertiggestellt habt?
Ich zappe bei den älteren Songs öfter mal einen weiter zum nächsten Track, da ich die ja schon ein tausendmal öfter gehört habe, finde sie allerdings nach wie vor gelungen. Die neueren Songs sind öfter mal etwas einfacher gestrickt, aber sonst kann ich da keine großen Unterschiede feststellen.

War das ein bewußter Prozeß, die neuen Songs „einfacher“ zu machen? Die meisten Bands würden doch eher in die andere Richtung gehen, oder?
Es war nicht beabsichtigt, es wurde einfach so. Ob andere Bands in eine entgegengesetzte Richtung gehen würden, kann ich schwer abschätzen. Kommt drauf an, ob eine Combo „rocken“ oder „knüppeln“ möchte… ;)

Warum habt ihr fünf Jahre Pause zwischen euren letzten beiden Platten gemacht? War das geplant?
Nö, geplant war das nicht. Circa ein Jahr nach Veröffentlichung von „Posteuphoria“ hatten wir bereits die Songs „blood-run-cold“ und „shiner“ fertig und ich begann in proben schon wieder von der nächsten Platte zu reden. Daß diese dann „Shiner“ heißen sollte, war auch von Anfang an für mich klar. Doch in den Jahren zwischen 1998 und 2002 ist viel passiert. Teilweise sind Proben aus zeittechnischen Gründen ausgefallen, an anderen Tagen haben wir nach einer Stunde den Proberaum wieder verlassen, weil keine Ideen für neue Songs da waren. Ein gutes Drittel der Zeit zwischen den beiden Alben haben uns Jobs, mangelnde Kreativität oder kaum vorhandene Motivation das Leben schwer gemacht.

Habt ihr in der Zwischenzeit in anderen Bands mitgemischt?
Seit MORTIFER besteht gibt es eigentlich immer einige Bands, in denen MORTIFERIANS mitmischen. Die Rock’n’Roller von HOT WHEEL AND THE ROADBURNERS zum Beispiel oder die Punkband IHW bestehen zum Teil aus MORTIFER-Memberz!

Wann kam denn wieder mehr Schwung in die Band? Gab’s da so einen Knalleffekt?
Naja, der Studiotermin rückte näher! Schon Anfang 2001 habe ich mit Lemmy den Zeitpunkt für die Aufnahmen zu „Shiner“ klargemacht und das setzt natürlich unter Druck. Da arbeitet es sich manchmal am besten, und wenn dann daraus neue Songs entstehen, kommt die Motivation zurück. Zumindest bei uns.

Wo habt ihr Shiner aufgenommen, die Produktion ist ja ziemlich gelungen?
In den Custom Sound Studios in Karlsruhe. Wir haben tief in die Tasche gegriffen um unserem Produzenten Lemmy, der sich die Studios selbst aufgebaut hat, auch die Zeit zu geben, uns einen fetten Sound zu zaubern. Er hat sich auf Hardcore und Metal spezialisiert, und das hört man. Wir haben 14 Tage über drei Monate verteilt im Studio verbracht. Lemmy versteht sein Handwerk gut, wir waren wirklich gut vorbereitet und wir alle hatten Zeit – thats it!

Ärgerst du dich manchmal über sowas wie „vertanene Chancen“? Wenn ihr straight weitergemacht hättet, hättet ihr vielleicht zwei Scheiben mehr raus und wärt um einiges öfter aufgetreten…. Oder hast du da eine „kann-man-eh-nicht-ändern“-Einstellung?
Nein. Es ist gut so, wie es gelaufen ist. Ich denke, wir haben die Zeit eben gebraucht. Und aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben: Wir sind alle Mitte zwanzig, und da haben wir noch viel Zeit um viele Gigs zu spielen.

In euren paar Jahren Pause habt ihr auch keine Gigs gespielt, oder?
Vereinzelt. Wir waren nicht ganz weg, aber laß es mal fünf Gigs pro Jahr gewesen sein.

Wieviele Konzis habt ihr denn bisher bestritten? Welches war das, an das du am liebsten zurückdenkst?
Wieviele weiß ich nicht. Ich schätze 120, 130? Aber eines der coolsten war ein Gig mit Guerilla und Jack Slater im Underground in Köln. Das hatte echt gekracht! Jungs, darauf nochmal PROST!

Promotet ihr „Shiner“ live? Habt ihr eine (kleine) Tour in Planung?
Ja. Im Februar und März ziehen wir mit FALLEN YGGDRASIL, NOISE FOREST und – wenn alles klappt – DISBELIEF durch die deutschen Landen. Das wird sich dann über einige verlängerte Wochenenden erstrecken… alle Dates gibt’s bei uns auf der Homepage (www.mortifer.de).

Was wäre so deine Wunschtour, mit wem würdest du gerne touren? und würdest du dafür dein letztes Hemd geben?
Für eine Tour mit Ozzy würde ich sogar mein linkes Ei hergeben, Mann!! Sonst wäre es natürlich cool, mit einer Band von früher zu touren wie AT THE GATES, CARCASS oder DEATH. Ich glaube allerdings nicht, daß ich bzw. sonst ein Bandmitglied sein letztes Hemd dafür geben würde…

Wie lebt es sich in Karlsruhe? Das ist doch eine sehr mystische Stadt, oder?
Naja, so mystisch wie jede andere Stadt, wenn du dort lebst. Karlsruhe ist ok, nicht zu groß, fast zu klein. Wir haben fast immer die höchsten Temperaturen in Deutschland, und irgendwie kennen sich die jungen Leute hier doch alle untereinander, wenn auch über 3 Ecken. An coolen Clubs gibt’s die „Katakombe“, die ich jedem Karlsruhe-Besucher ans Herz legen kann oder die „Kulturruine“. Für Manowar- und Onkelz-Fans gibt’s noch das „Unverschämt“, aber das brauche ich nicht unbedingt.

Wie ist die Metal-Szene da unten bei euch?
So lala. Ich kann dazu fast keine Aussage machen, weil ich mich abends nur noch selten dort aufhalte, wo’s primär Metal auf die Ohren gibt. Das liegt daran, daß mir die Szene bis vor kurzem noch sehr stagnierend erschien. Zwischenzeitlich gibt’s ein paar Hardcore-Jungs hier in Karlsruhe, die regelmäßig Konzerte veranstalten. Auf den meisten Combos, die dann zum Gig aufkreuzen, steht zwar Hardcore drauf, es ist aber ziemlich geiler Metal drin!! Darkest Hour, zum Beispiel.

Wenn du sagst, daß dir die Szene bis vor kurzem stagnierend erschien, wodurch hat sich das geändert? Und was hast du dir in der letzten Zeit so reingezogen? Welche Band/Platte hat dich schwer beeindruckt?
Ich erkläre mir das so, daß die Großen in der Musikindustrie den Rock mal wieder entdeckt haben. dadurch haben auch die heftigeren „Rockmusik-Bereiche“ wieder neuen Zulauf bekommen, da ist wieder eine neue Generation am kommen… irgendwie. Das bringt wieder etwas Würze in den Brei. Ich denke auch, daß wir von zusammengecasteten, überhypten Bands wie Linkin Park, oder wie sie alle heißen, profitieren. Manche junge Leute hören zunächst sowas, kommen hoffentlich dann irgendwann auf den richtigen Trichter und stellen fest, daß es im Rock oder Metalbereich viel geilere Sachen gibt als die Gülle von Viva und zack!… wir haben einen neuen Metaller! Ich selbst mutiere langsam aber sicher in den letzten Jahren zum Rocker. Gerade habe ich mit zwei Platten von „Zakk Wylde’s Black Label Society“ zugelegt. Seitdem warte ich nur darauf, daß mir die Cops den Lappen abnehmen, denn wenn ich diese Mucke zum autofahren höre ist der Ofen aus!! „Down“, bei denen Pantera- Schreihals Phil Anselmo mitmischt, haben auch zwei wahnsinnig göttliche Platten rausgebracht, die bei mir regelmäßig in die Anlage geschoben werden!

Wann soll’s bei euch die nächste Platte geben? Was ist als nächstes geplant, also Platte, EP, Split?
Als nächstes sollen Konzerte kommen! An eine weitere platte werden wird denken, wenn „Shiner“ zunächst mal ein richtiges Release feiert. Was unsere Gigs betrifft haben wir’s ein bißchen schleifen lassen die letzten zwei Jahre, da wir uns – wenn mal eine Probe war – eher auf neue Songs konzentrierten, um „Shiner“ in den Kasten zu kriegen.

Seit ihr mit „Shiner“ auf der Suche nach einem Label?
Ja. Wir wollen es den Labels sogar einfach machen, ein komplettes Paket vorlegen: CD mit 10 Songs, fertig aufgenommen, gemixt, gemastert, gelayoutet, dicker Sound und coole Riffs. es muß nur noch jemand das Ding veröffentlichen wollen.

Da sollte sich doch jemand finden lassen! Würdet ihr lieber bei einem „großen“ Label wie NB oder Century Media anheuern, die viele Möglichkeiten bieten, wo ihr aber nur eine Band unter vielen wärt, oder wäre euch ein kleineres Label lieber?
Ganz ehrlich?! Mir ist es für „Shiner“ scheißegal, ob Music For Nations oder irgendein kleines Label anklopft! ich möchte das Ding einfach nur veröffentlicht wissen, damit ich nicht ständig Leute auf ungewisse Zeit vertrösten muß, wenn jemand die Platte kaufen will. Prinzipiell kann ich auch beidem etwas abgewinnen: große Labels haben Kohle für ne richtig fette Werbekampagne oder Aufmachung der CD, kleinere Labels sind da vielleicht finanziell weniger gut bestückt, aber ich stell’s mir das Verhältnis zu den Label-Leuten kumpelhafter vor…

Was hat euch beim schreiben der „Shiner“-Songs beeinflußt? Ich denke, Six Feet Under wohl, oder? Ihr habt einen ziemlich ähnlichen Groove….
Hmmm, interessant. ich glaube, uns hat alles mögliche beeinflußt, aber mit am wenigsten Six Feet Under [Do’h! – Anm. d. Verf.]. meiner Meinung nach ist MORTIFER nach wie vor von unseren alten Faves wie eben AT THE GATES, HYPOCRISY oder DEATH beeinflußt. Von Six Feet Under beispielsweise kenn’ ich keine einzige Platte. „Shiner“ ist aber über so einen langen Zeitraum entstanden, daß wahrscheinlich Einflüsse aus sämtlichen musikalischen Richtungen zu hören sind, die bei uns in den CD-Regalen stehen.

Was hälst du von den letzten beiden Hypocrisy-Scheiben?
Die „Final Chapter“ hab ich noch. In die Nachfolgeplatten habe ich reingehört und sie wieder ins Regal zurückgestellt. Mich hatte schon nach kurzer Zeit anhören das Gefühl, daß ich mit den beiden Scheiben nicht glücklich werden würde, etwas hatte gefehlt.

Was macht ihr neben Mucke noch? Wie oft probt ihr?
Michael ist Betriebswirt und wohl die einzige Person bei MORTIFER, der was Anständiges gelernt hat. Markus versucht gerade, sich auch die Berechtigung für ein „Dipl.“ auf der Visitenkarte zu erarbeiten, aber ich bin da weniger optimistisch. Dennis B. ist ebenfalls ein ludricher Student in Freiburg und Daniel will nach seiner Ausbildung in 2003 auch einer werden. Ich scheiss auf jedes Dipl. und bin admin und Datenbankentwickler. Nee, aber mal ohne Quatsch: ich denke, der berufliche Bereich nimmt uns schon ziemlich ein im Moment. Das ist auch der Grund, warum wir nur samstags mittags proben – da sind für gewöhnlich alle in Karlsruhe.
Und was tun wir sonst noch? Sex, Drugs and Rock’n’Roll! Echt!

Wenn ihr nicht gerade arbeitet, was? Ihr seit anscheinend beruflich/Studium alle recht eingespannt. Wünscht du dir manchmal, es anders gemacht zu haben? für die Musik zu leben, ohne festen Job (und dadurch mit weniger Kohle)?
Nein, gewünscht habe ich mir das schon lange nicht mehr. Die Chance ist auch so schwindend gering, mit Mucke genügend Geld zum Leben zu verdienen, daß ich daran keine Gedanken verschwende. Sollte es jedoch entgegen allen Erwartungen so kommen, würde ich vielleicht halbtags arbeiten oder eben im beschränken Maße, um mehr mucke machen zu können. Aber meinen Job ganz aufgeben wollte ich nicht – wenn’s kein stressiger Tag ist macht es mir schon sehr Spaß.

Wieviel Zeit bleibt dir in der Woche zum üben? Und machst du das überhaupt oder reichen dir die wöchentlichen proben?
Üben? Nö, ich übe nie. Bin zu nahezu allem zu faul. Da nimmt das texten mehr Zeit in Anspruch und das geht abends mit einer gemütlichen Kippe und ’nem Bier ganz gut. wenn mal über 2, 3 Wochen, zum Beispiel in der Urlaubszeit, die Probe ausfällt, merke ich das in der nächsten Probe zwar schon, aber man kommt schnell wieder rein.

Gibt’s aus der Karlsruher/Freiburger Ecke einige neue, frische, gute Bands?
Da kann ich dir ein paar ans Herz legen: SECOND COMING aus Freiburg machen coolen Old School Death und auf der letzten Platte hab ich da eingekreischt. Dabei fällt mir ein, daß ich das vollendete Werk noch gar nicht gehört hab! OLLI DU ARSCH! Dann gibt’s da noch NECROPHAGIST, die wirklich mehr als hörenswert sind. Sofern du mit Punk oder Rock’n’Roll auch was anfangen kannst, habe ich da noch als Tip die TUBESUCKERS oder SPOILER…

Wollt ihr 2003 auf Festivals spielen? Hast du in den letzten Jahren welche besucht? Wenn ja, was ist so deine Meinung über die Festivals?
Wenn’s klappt, werden wir auf ein, zwei Festivals 2003 spielen. Aber sicher ist im Moment noch nix. Der Michael von Black Earth Promotions ist für uns am Abklären von diversen Festivitäten. ein letztes Festival war im Jahr 2000 das Rock am Ring, zum ersten und zum letzten Mal. Vielleicht lag’s an unserem Campingplatz, aber um uns herum waren nur Typen mit Bierhalterung am Bauarbeiterhelm und Onkelz-Shirts… Ich ziehe 2003 das Dynamo wieder vor – wie ich mitbekommen habe ist das diesmal wieder klein und schnuckelig, und hoffentlich wieder so geil die anderen Male als ich dort war…

Was ist so mit Wacken oder dem Full Force? Die sind auch noch recht nett von der Größe her und da laufen sicher keine Rock-am-Ring-Heinis rum….
Habe ich auch vor mir mal anzuschauen. Bisher war es oft so, daß ich entweder gerade im Urlaub war, keine Kohle oder keinen Bock hatte!

So, zum Abschluß des Interviews nochmal deine fünf Lieblingsplatten, bitte….
1. zakk wylde’s black label society – stronger than death
2. ozzy osbourne – alle
3. at the gates – slaughter of the soul
4. tool – aenima
5. down – II

Aber laß uns in einem Jahr nochmal ein Interview machen – bis dahin habe ich hoffentlich so viel neue Mucke gehört, daß ich einige neue Platten propagandieren kann…

Ist gebongt! Und vielleicht ein paar letzte Worte?
Danke für das intie! Up The Irons – der Metal ist wieder schwer am kommen!!

www.mortifer.de

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