Kurgan’s Bane Interview

Der Erstling von Kurgan’s Bane hatte mich völlig umgehauen, und nachdem ich Katja dies in mehreren Elekro-Briefen mitteilte, kam die Frage, ob ich sie nicht interviewen wolle. Eine progressive Band, fast schon eher Rock als noch Metal? Im Eternity? Doch warum nicht? Eine waschechte Underground-Band sind die Amis aus Baltimore nämlich mit Sicherheit, und begnadete Musiker sind sie ebenfalls. Also: ran an den Computer, ein paar Fragen fabriziert, hinein damit in den Äther, ein paar Tage gewartet und da waren sie, die Antworten von Sängerin Lisa, Bassist Luis und den Gebrüdern Laramee, Jeff (Drums) und Pete (Gitarre).

Laßt uns mit der Band-Geschichte beginnen. Wie alt ist Kurgan’s Bane? Haben sie zuvor schon irgendwelchen anderen Stoff produziert?
Pete: Wir legten Ende 94 los, nachdem wir hierher nach Baltimore zogen. Nachdem wir ein Jahr als Trio gespielt hatten, mußten mein Bruder Jeff und ich uns nach einem neuen Sänger und nach einem Bassisten umschauen. Wir nahmen einen alten Freund namens Alan Jantz als Sänger in die Band auf, und wir fanden den Bassisten Luis Nasser durch eine Kleinanzeige. Kurz nachdem wir unser Demo, ‘Search From Sea to Sea’, aufgenommen hatten, mußten wir schon wieder nach einem neuen Sänger Ausschau halten. Da wir uns nicht für den besten gerade zur Verfügung stehenden Sänger entscheiden wollten, entschieden wir uns rein instrumental weiterzumachen, bis Lisa Francis im Sommer 1999 daherkam…

Eure Lieder sind ganz schön ambitioniert und alle Elemente eines Liedes scheinen recht gut ineinanderzupassen (an dieser Stelle folgt ein Sonder-Kompliment des Interviewers für den Opener ‘Through The Camera). Wie lange bracht ihr, um ein Lied zu schreiben und wie macht ihr das überhaupt?
Luis: Das ist ziemlich verschieden. Normalerweise liefert Pete das Rückgrat der Lieder. Anschließend arbeiten wir an den verschiedenen Teilen und probieren unterschiedliche Arrangements aus, bis wir etwas haben, das wir alle mögen. Wir arbeiten eigentlich immerzu an neuem Material, und auch wenn es nicht immer in halsbrecherischer Geschwindigkeit fertig wird, nimmt das
Endresultat eine ganz nette Form an, denke ich.

Wie lange spielt ihr denn alle bislang?
Lisa: Ich habe nicht meine erste Band gehabt, sobald ich 15 geworden bin, aber ich singe, seit ich denken kann. Es verwundert mich immer, wenn andere Sänger behaupten, sie hätten nie versucht zu singen, bevor sie in ihren Zwanzigern waren oder sogar noch später: Ich kann mir nicht vorstellen, wie man aufwachsen kann, ohne zu wissen, daß man singen kann.
Jeff: Ich habe mein ganzes Leben lang Dinge durch die Gegend gekloppt. Ich fing mit dem Drumming an, als ich zwölf war.
Pete: ich spiele seit ungefähr 20 Jahren Gitarre.
Luis: Um 1985 oder so sagte mir ein Mädel, bei der ich Essen zu schnorren pflegte, sie werde ihrre Akustik-Gitarre verschrotten, da sie heruntergefallen und ‘zerbrochen’ sei. Es war etwas sehr trivial zu Reparierendes, aber ich hielt meine Klappe und sagte ihr, ich würde sie für sie auf’m Rückweg wegschmeißen. Ich rannte nach hause, richtete sie, und sie änderte mein Leben. Ich wechselte später zum Bass, weil ich die sowohl tonale als auch percussive Rolle, die sie im Kontext einer Band spielt, liebte, aber im Herzen bin ich noch immer ein Akustik-Gitarrist.

Speziell in ‘Bad Blood’ (aber in anderen Lieder nicht minder) ist das Zusammenspiel zwischen Musik und Lyrics sehr eng. Denkt ihr, es ist wichtig, daß sie zusammenpassen?
Luis: Absolut. Ich denke, die Lyrics sind ebenso wichtig wie die Musik, und oftmals dienen sie dazu, den Klang für die Musik überhaupt erst festzulegen. Wenn die Musik zuerst da ist, müssen die Lyrics entsprechend harmonieren.

Einige eurer Lyrics sind recht sozialkritisch. Das ist nicht unbedingt typisch für ein Prog-Band wie euch. Es wird oft gesagt, Lyrics seien nur Kunst. Seid ihr damit einverstanden oder würdet ihr sagen, Musiker haben die Pflicht, einen politischen/sozialen Standpunkt zu beziehen?
Luis: Ich würde nicht behaupten, es sei atypisch für eine Prog-Band, eine Ansicht zu vertreten. Zugegebenermaßen neigen viele Progressiv-bands dazu über Hobbits utopische la-la-Länder und ähnliches Zeugs mit null Relevanz zur Realität zu schreiben, aber es gibt ebenso Leute wie Roger Waters, Frank Zappa, Fish, Steven Wilson (Porcupine Tree), Matthew Parmenter (Discipline)
und Daniel Gildenlow (Pain of Salvation), um nur ein paar gewichtige Gegenbeispiele zu nennen. Meine Gründe, diese Art von Sachen mit Kurgan’s Bane auszudrücken, haben mit zweierlei Dingen zu tun. Zum einen bin ich Auge in Auge mit dem großen sozialen Mißstand und der Ungerechtigkeit des mexikanischen politischen Systems aufgewachsen, und obwohl ich im Vergleich zur überwiegenden Mehrheit meiner Generation sehr privilegiert war, ist es mir unmöglich, die Gesichter und Geräusche der Straflosigkeit zu vergessen. Ich fühle mich noch immer gejagt und besessen davon, und es ist zu einem zentralen Teil meiner musikalischen Motivation geworden. Außerdem denke ich, es stellt einen guten Gegenpart zu Jeffs und Petes persönlichen Inhalten dar.

Es scheint, als möget ihr keine Paparazzi (jedenfalls meckern sie in ‘Through The Camera’ die ganze Zeit darüber). Warum? Sollte Journalismus irgendwo enden?
Jeff: Ich denke es ist etwas großzügig ausgelegt, die Paparazzis Journalisten zu nennen. Sie Slangen, Wiesel oder Geier zu nennen würde lediglich das Königreich der Tiere beleidigen. Ich habe vollsten Glauben an die Pressefreiheit, aber es gibt so viel Wettbewerb um Stories und überschriften, daß es die Medien als ganzes verdorben hat. Aber wir, als die Vielfraße der Unterhaltung, die wir sind, wir fressen einfach alles, womit sie uns füttern.

Was meint ihr mit dem Wort ‘Urdummheit’(kommt in dem Lied Vermin vor). Ich hoffe, ich gehe recht in der Annahme, daß es sich dabei um ein deutsches Wort handelt.
Lusi: Ich habe es aus der Lektüre von ‘Apokalypse’ von D. H. Lawrence. In dem Kontext wurde es benützt, um ‘ursprüngliche Dummheit’ zu bezeichnen bzw. das, wovon einige deutsche Gelehrte die Tollkühnheit besaßen zu behaupten, es sei der Zustand der gesamten Menschheit vor Homer und dem Rest der griechischen Philosophen gewesen. Es war nur deshalb relevant für ‘Vermin’, weil es auch heute noch eine Ansicht darstellt, die von den meisten Schwachköpfe vertreten wird, insbesondere von solchen selbstgerechten Clowns, die mit neo-liberaler Politik und Globalisierung hausieren gehen.

Wie sieht’s mit Live-Aktivitäten aus? Werden wir euch demnächst in Europa zu Gesichte bekommen?
Luis: Wir wären sehr daran interessiert, live in Europa zu spielen, aber um das geschehen zu lassen, sind wir vollständig von Haven Records abhängig. Sie erledigen alle unsere europäischen Geschäfte und haben die ganzen notwendigen Kontakte, ein paar Auftritte zu buchen.

Gibt es irgendwelche Unterschiede zwischen Kurgan’s Bane live und auf CD?
Luis: Wir bemühen uns, nur das aufzunehmen, was wir auch tatsächlich live reproduzieren können. I denke, man kann sagen, wir sind nicht ‘Milli Vanilli’.
Lisa: Es gibt eine Energie und Spontaneität, wenn wir live spielen, die eine Studio-Aufnahme niemals einfangen kann. Es ist einfach nicht dasselbe, wenn du jedes Instrument einzeln aufnimmst. Ich denke, wir fühlen uns alle am meisten wohl, wenn wir als Gruppe spielen.
Jeff: Ich denke, es ist schwer, die geballte Energie eines guten Auftrittes auf eine Studio CD zu bannen.

Warum habt ihr überhaupt diesen 70er-Jahre-gemäßen Retro-Gitarren-Sound gewählt?
Pete: Weil er fleischig ist!
Luis: Hm, laß es mich folgendermaßen ausdrücken: wenn man die heutigen musikalischen Standards voraussetzt, erscheint einem jeder Gitarren-Sound, der tatsächlich Kanten hat, als ‘retro’, wenn man ihn mit der Norm vergleicht. Ich kann dir versichern, daß Pete dieser Art von Dingen überhaupt nicht hinterherjagt. He’s just a man who’s not afraid to shake hands with sonic beef…

Worauf bezieht sich der Name Kurgan’s Bane?
Jeff: Der Kurgan war der riesengroße und anscheinend unbesiegbare Unsterbliche in dem ersten und besten Highlander-Film. Pete und ich sind sehr große Anhänger dieses Filmes.

Was macht ihr, wenn ihr nicht musiziert?
Luis: Ich unterrichte an der University of Maryland und arbeite an meinem PhD in theoretischer Physik.
Jeff: Ich gebe eine enorme Menge Geld für die Pflege des Tieres, das ich meine Drums nenne, aus. Und ich halte einen Finger in den Wind, um neue Erfindungen in der Porno-Industrie ausfindig zu machen.
Lisa: Ich bin eine Bademode-Model für Sports-Illustrierte, und in meiner Freizeit bringe ich Schimpansen Zeichensprache bei.
Pete: Ich sehe viel fern.

Luis und Jeff spielen außerdem in einer weiteren Band namens Sonus Umbra. Erzählt doch mal was darüber.
Luis: Sonus Umbra ist die letzte Verkörperung der Band, in der ich in Mexiko City in den frühen 90ern spielte, und die zu jener Zeit Radio Silence genannt wurde. Eigentlich war Sonus Umbra als ein Studio-Projekt für eine Menge Material geplant, das ich schreibe und das für Kurgan’s Bane nicht geeignet ist, aber zu diesem Zeitpunkt scheint es ein Eigenleben erworben zu haben. Wir hatten das Glück, von Musea unter Vertrag genommen zu werden und unsere erste CD, ‘Snapshots from Limbo’, hat überraschend gute Presse erhalten. Nur zwei Mitglieder sind von der Original-Band übrig: Andres Aullet an Gesang, Akustik-Gitarre und Synthesizer und Ricardo Gomez an Elektro- und Akustik-Gitarre. Die Besetzung komplettiert Jeff Laramee am Schlagzeug. Ich bin sehr gut weitergekommen in den vergangenen vier Jahren, in den ich zu Jeffs Drumming Bass spiele, und wir sind zu engen Freunden geworden. Und weil wir zudem einen ähnlichen Musikgeschmack teilen, erschien es ganz normal ihn einzuladen, als volles Mitglied mitzumachen. Andres und Ricardo waren ebenso begierig wie ich, ihn in der Band zu haben, und der Rest der Geschichte begann sich zu entfalten… All die Blutrünstigen Details können bei www.sonusumbra.com gefunden werden, von allen, die eine etwas dunklere Klangart des Progressiv-Rocks mögen.

Wie kann jemand an eure CD (und anderen Kram) herankommen?
Luis: Gehe zu www.kurgansbane.com, www.rhcd.net oder komm zu einer unserer Shows, falls du jemals hier in den USA seien solltest. Die CD ist ferner angeblich in einigen Geschäften in Europa erhältlich. Jedenfalls wurde uns das erzählt.

Die CD, die ich in der letzen Ausgabe rezensierte, war ein US-Import. Wird sich die europäische Version von der amerikanischen unterscheiden?
Luis: Die europäische Versin hat ein anderes Cover, ein größeres Booklet und sie enthält einen instrumentalen Bonus-Track namens ‘Broken Clock’. Sie ist außerdem möglicherweise etwas teurer, but you do get more bane for your Euro.

Wie waren die Reaktionen auf ‘The Future Lies Broken’ bisher?
Luis: Extrem positiv, speziell in Spanien und den Niederlanden. Die Presse war über alle Maßen ermutigend und die Leute reagieren live recht gut auf das Material.

Was könnt ihr uns über die Musik-Szene in Baltimore erzählen?
Luis: es gibt viele Bands, die aktiv an diesem Stil mitwirken, und der Nabel der meisten Aktivität sind die Orion Studios, die von Mike Potter und Jay Valenzela betrieben werden. Wir haben bereits einen Sampler zusammengetragen, der eine Auswahl einiger der repräsentativsten New Progressive Bands (Hilfe, was ist das denn schon wieder – der Interviewer) bietet. Er wurde von den Orion Studios, den Cyberella Studios und Jeep Watson gesponsert und er enthält Musik von Trephine, Uncle Gut, Dark Aether Project, Tempustry, Dark Water Transit, Dysfunctional Family, Kurgan’s Bane und Sonus Umbra. Er war in Ausgabe 21 des amerikanischen Magazins Expose enthalten, aber weitere Exemplare sind für jeden in Europa erwerblich, der interessiert ist. Alles, was sie tun müssen, ist in Verbindung zu treten…
Jeff: Es gibt einige exzellente Bands und einige sehr coole Leute, und Mike Potter von den Orion Studios hat einige unglaubliche Bands, die nach Baltimore kommen, um zu spielen. Aber die ‘Szene’ von Baltimore ist im wesentlichen wie die von anderen Städten – Bars buchen Bands, die Leute ziehen, die trinken.
Lisa: Wir haben letztens einen Artikel gelesen, der Baltimore als die ‘Prog-Hauptstadt der Welt’ bezeichnet hat. Das war neu für uns – es gibt hier definitiv einen Anhang, aber es ist noch immer hart Schuppen zu finden, die bereit sind, ‘all-original bands’ zu buchen, speziell prog-bands.
Pete: If Baltimore is the ‘prog capital of the world’, then prog is shit-fucked!

Any last words?
Jeff: ‘It’s not that far of a jump!’

www.kurgansbane.com

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