Hypnosis Special Nov./Dez. 1998: NOCTURNAL DESIRE

Nachdem ich mir das Tape der Band NOCTURNAL DESIRE in meinen Schacht geworfen hatte, war ich absolut baff! Kaum ertönten die ersten Klänge aus den Boxen, wußte man sofort, woran man ist. Das Demo, ‚Weltenschmerz‘ , bietet kompromißlosen, ultrafiesen Hyperblast Black Metal. Das wuchtige Drumming wird von majestätischen Gitarrenläufen begleitet. Damit ihr euch ungefähr ein Bild von den musikalischen Glanzleistungen machen könnt, führe ich am besten mal eine vergleichbare Band aus deutschen Landen an: NAGELFAR. Mit dit diesem Vergleich können die Jungs sicherlich leben. Wenn man Dirk nach ihrem Stil fagt, dann wird meine Meinung auch teilweise unterstrichen. „Da unsere Musik sehr abwechslungsreich ist, kann man sie kaum auf eine einzige Stilrichtung festlegen, obwohl der Black Metal dominiert. Haßerfüllte, schnelle Passagen treffen auf atmosphärische Melodien mit depressiven, weltverneinenden Texten.“

Doch wenden wir uns nun der Geschichte der Band zu. „NOCTURNAL DEISRRE formierten sich im April ‚96 aus einer anderen Band, in welcher Dirk, Gordon und Daniela bereits seit Anfang ‚94, ich allerdings erst seit 1995 musikalische Erfahrungen sammelten. In ihrer letzten Schaffensperiode spielte die Band melodischen Death Metal, fand jedoch keine feste musikalische Linie mehr, um sich und ihre Gefühle auszudrücken. Gleichzeitig hatten Thorsten und ich eine Art Black-Meta-Projekt, für welches wir noch Mitstreiter suchten. Man tat sich zusammen, wodurch die Basis für das weitere musikalische Schaffen gegeben war. Die Musik spiegelt nun endlich unsere persönliche Einstellung wider.“ Das derzeitige Line-Up liest sich also wie folgt: Thorsten Wertz (b, v), Dirk Buhlmann (g, v), Maik Hoffmann (g), Daniela Peine (k) und Gordon Jenner (d). Uppsala, da haben wir ja auch eine Frau in den Reihen. Da will man natürlich gleich erfahren, wie sie es geschafft hat, in die Truppe aufgenommen zu werden? Die Antwort stellt sich allerdings als recht unspektakulär heraus: „Dirk lernte sie vor knappfünf Jahren kennen. Sie hörte auch Metal. Und da sie Keyboard spielte, stieg sie in unsere damalige Band ein. Von da an ist sie dabei und kam so automatisch zu NOCTURNAL DESIRE.“ Sie hat sich mit ihrem Keyboard jedenfalls sehr gut integriert und kommt nicht zu aufdringlich rüber.

Bei den knapp 45 Minuten musikalischer Ergüsse sollte man eigentlich glauben, daß die Band jeden Tag mindestens 12 Stunden probt, was wohl aber nicht ganz der Wahrheit entspricht: „Momentan proben wir eher selten, da wir mitten in der Ausbildung stecken, und es oft schwer ist, einen Termin auszmachen, an dem alle von uns Zeit haben. Dazu kommt, daß unser Proberaum für fünf Leute viel zu klein ist und auch nicht gerade in unserer Nähe liegt.“ Irgendwie müssen die Leute Genies sein. Ich müßte wahrscheinlich 24 Stunden am Tag ein Instrument bedienen, um überhaupt einige vernünftige Klänge herauszubekommen! Wenn man dann noch bedenkt, daß es bei den Aufnahmen recht chaotisch zuging, verstehe ich fast gar nichts mehr! Wie kriegt man einen Sound noch so hin, daß man unschwer jedes einzelne Instrument erkennen kann? Ihr müßt jetzt keine Hammerproduktion aus dem ABYSS erwarten, sondern eine solide Underground-Aufnahme aus den heiligen Wänden des Göttinger BLUE-LINE-Studio: „Aufgrund mangelnder Erfahrung, sowohl von unserer als auch von Seiten der beiden Tontechniker, hatten wir einige Probleme mit dem Sound. Diese entstanden weniger beim Einspielen als vielmehr beim Abmischen, da jeder eine andere Vorstellung bezüglich des Sounds hatte.“

„Wir drängten uns mit sechs Leuten beim Mix in einem ca. 1 qm großen Raum mit einer Temperatur von mehr als ca. 40 Grad. Die Luft war furzig und das Bier kalt. Du kannst Dir wohl vorstellen, daß da nicht viel bei rumkommen konnte. Als wir das Ergebnis, was nun wirklich nicht unseren Erwartungen entsprach, in Ruhe hörten, entschieden wir uns, einen weiteren Tag zum Mixen dranzuhängen. Diesmal waren wir allerdings nur zu zweit. Bei diesem Versuch klappte dann alles besser, weil wir uns der Fehler vom ersten Mal bewußt waren und sie nun ausmerzen konnten. Letztendlich sind wir mit mit dem Resultat doch zufrieden.“

Indes geht ja besonders schnelles Drumming meistens im Gesamtsoound unter. Umso besser also, daß man im vorliegenden Fall die extreme Schnelligkeit nicht nur erahnen, sondern klar heraushören kann. Fragt sich nur, wie Gordon es denn überhaupt schafft, diese extreme Geschwindigkeit durchzuhalten? „Wir staunen jedesmal selbst aufs Neue über sein spielerisches Können! Wahrscheinlich liegt es an seiner 6jährigen Erfahrung und seinem Perfektionismus. Er ist schier unermüdlich im Ausprobieren neuer Techniken und optimiert die Aufstellung seines Drum-Sets ständig neu. Einen besseren Drummer können wir uns kaum vorstellen.“ Trotz großartiger Resonanzen auf der Tape bleibt die Truppe auf dem Boden der Tatsachen: „Im italienischen REVENANT Mag wurden wir als ‚Black-Metal-Zukunft aus Deutschland‘ bezeichnet, was uns natürlich stolz macht. Allerdings sind derartige Beurteilungen recht subjektiv, deshalb sollte sich jeder ein eigenes Bild machen. Wir spielen keine Musik, um fett Kohle zu scheffeln, sondern um unseren Trieb zu stillen, sich selbst auszudrücken. Wir wollen nicht von irgendwelchen Abzockern vermarktet werden, sondern durch unsere eigene Musik und Selbstdarstellung überzeugen. Man kann durch den Austausch mit anderen Bands aus der Szene nur wachsen und sich weiterentwickeln, deshalb treffen wir uns häufig und gerne mit anderen Bands.“

Tja, und was hält der Junge nun vom deutschen Underground, insbesondere der Black-Metal-Szene. „Sie ist sehr stark geworden. Bands wie LUNAR AURORA, NAGELFAR oder DIES ATER sind der lebende Beweis dafür. Momentan versuchen wir selbst engere Kontakte zu deutschen Bands zu knüpfen, da nur gemeinsam etwas erreicht werden kann. Die deutsche Szene ist fähig, bestehende Mauern einzureißen, jedoch täte manchen Bands ein bißchen mehr Ehrlichkeit gut.“ Es zählt ja nun nicht immer nur allein die Musik. Auch die Texte einiger Bands lassen einen immer wieder stauenen, womit sich die Musiker auseinandersetzen. Bei NOCTURNAL DESIRE verhält es sich ebenfalls so: „Man kann die Aussage der Texte nicht auf einen Nenner bringen, da sie von mehreren Bandmitgliedern verfaßt werden. Ein Teil beschäftigt sich im wesentlichen mit der Welt jenseits jeglicher Realität, da diese auf uns keinen Reiz ausübt. Der andere Teil spiegelt die seelische Verfassung des Autors wider, und verarbeitet die Impressionen dieser kranken Welt. Zum Beispiel befaßt sich der Song ‚A New Time Shall Begin‘ mit einem Endzeit-Szenario, bei der heutigen Situation der Welt durchaus möglich: die totale Vernichtung der gesamten Menschheit. Der Text zu ‚Verwaist der Geist des Menschen‘ handelt über die sich auf der Flucht vor sich selbst befindenden Menschheit, deren analytischer Verstand die Hülle des Bewußtseins so weit trübt, daß sie undurchsichtig wird, er sich durch die Norm der Menschheit definiert und die Verbindung zu unendlicher Macht verliert. ‚Die lodernde Flamme‘ dreht sich um die Faszination des Andersseins, des ‚sich abgrenzen von der Welt‘. Die lodernde Flamme im Herzen, die alles Materialistische verbrennt, schont nur den Geist, der letztlich das einzig wichtige im Leben darstellt.“

Die Truppe hat sich bei der Aufmachung des Demos wirklich nicht lumpen lassen. Nicht nur die Texte sind vertreten, sondern die komplette Aufmachung wurde farblich gehalten und zudem auch noch gedruckt. Sehr interessant war dann auch zu erfahren, daß das Cover eine recht tiefe Bedeutung für die Combo hat: „Es zeigt den Desenberg, einen Vulkan in der Nähe von Warburg, der im Laufe der Geschichte der Sitz vieler Fürsten, Gräfen und Raubritter war. Häufig besuchen wir diesen Ort der Ruhe und des Friedens, der uns das Gefühl gibt, über die banalen Probleme des Lebens erhaben zu sein. Genau dieses Gefühl spiegeln unsere Texte wider. Aus diesen Gründen, und aufgrund unserer Heimatverbundenheit, schien uns der Desenberg als Motiv mehr als geeignet zu sein, außerdem wird im Booklet der Eindruck einer Nacht auf dem Desenberg festgehalten. Auch der Titel ‚Weltenschmerz‘ paßt sehr gut in dieses Konzept hinein, da sich der Desenberg hervorragend dazu eignet, den Weltenschmerz zu vergessen. Mit dem täglich erlebten Weltenschmerz befaßt sich daneben auch eine große Anzahl der Texte.“

Nach den doch sehr ausführlichen Erklärungen, sollte uns Maik noch einen kleinen Ausblick in die Zukunft gestatten. „Wir wollen möglichst viel Live spielen, uns einen guten Namen in der Szene machen und mit dieser effektiv zusammenarbeiten. Außerdem würden wir nächstes Jahr gern im STAGE ONE Studio, welches nur wenige Kilometer von uns enfernt liegt, zusammen mit Andy Classen an den Reglern neue Songs aufnehmen. Material ist genug vorhanden, doch leider fehlt die Zeit zum Einstudieren. Das neue Material wird abwechslungsreicher und unkonventioneller sein. Ansonsten erscheint wahrscheinlich unsere erste EP mit INFESTED CARRION, einer spitzen Black-Metal-Band vom Niederrhein. Weiterhin planen wir im Oktober/November eine große Underground-Party, zu der Bands aus ganz Deutschland eingeladen werden. Hiermit hoffen wir einen Beitrag zur Stärkung des Zusammenhalts der deutschen Szene zu leisten.“

Das waren gute Ansatzpunkte für eine Band, die gerade erst ihr Debüt vorgelegt hatten. Leider hat sich die Band dann doch aufgelöst…Metal Age Records haben das Demo im Jahre 1999 ohne Wissen der Band mit dem Titel ‚Beyond The Starless Midnight Sky‘ auf CD veröffentlicht.

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