Helrunar Interview

Wenn es bereits jetzt um die Wahl des Albums 2011 gehen würden, kann ich mich ohne große Probleme auf Helrunar’s „Sól“-Epos festlegen, dass über mehr als 90 Minuten – verteilt auf die zwei CDs „Der Dorn im Nebel“ und „Zweige der Erinnerung“ – in seinen Bann zieht. Für mich demonstriert die Band eine perfekte Symbiose aus Aggression, Atmosphäre und Gefühl. Meine ausführliche Vorstellung des Releases findet Ihr im Review. Skald stand mit entspannt Rede und Antwort, wobei „Sól“ verständlicherweise im Mittelpunkt stand, wir jedoch auch diverse andere Themen streiften.

Hallo Skald, „Sól“ ist zwar noch nicht offiziell (als ich Antworten heute erhielt, dann doch schon seit ein paar Tagen) erschienen, aber in einem Zustand, wo Du als Musiker/Künstler nichts mehr verändern kannst und somit alle Reaktionen von Presse / Fans auf Dich zukommen lassen kannst/ musst. Reflektiert betrachtet – entspricht Euer neues Werk rundum Euren Vorstellungen und wird dem Aufwand der langen Vorbereitungs- und Entstehungsphase gerecht?

Naja, da ich mir mit diesem Interview ein wenig mehr Zeit genommen habe, ist „Sól“ ja mittlerweile schon erschienen – sorry! Aber um zur Frage zu kommen: Ja, wir sind vollauf zufrieden mit dem Resultat! Ich würde sogar sagen, zufriedener als je zuvor.

Wann wurde die Idee geboren, konzeptionell in dieser Breite zu veröffentlichen?

Eigentlich wurde es gar nicht als Idee geboren… Es hat sich im Rahmen der Arbeiten einfach so ergeben.

Ergab sich die Verteilung auf zwei CDs nur auf Grund der spielzeitlichen Komponente oder war das eine bewusste, inhaltliche Entscheidung?

Das Problem mit der spielzeitlichen Komponente tauchte zuerst auf. An einem bestimmten Punkt merkten wir, dass wir einfach zu viel Material für eine CD hatten. Weglassen oder verwerfen konnten bzw. wollten wir aber auch nichts. Im zweiten Schritt fiel uns dann aber auf, dass sich das Konzept musikalisch wie auch textlich recht gut in zwei Hälften teilen lies.

Habt Ihr Bedenken, dass möglicherweise einige Fans vom Kauf zurückschrecken, da sie gleich zwei CDs kaufen / doppelt Geld ausgeben müssen?

Bedenken nicht, denn sie bekommen ja auch doppelt so viel. Wir haben viel Mühe und Herzblut in dieses Werk investiert und wir denken, dass man das auch hört. Gerne hätten wir „Sól“ auch als einfache Doppel-CD herausgebracht, die Produktionskosten waren für das Label aber dermaßen hoch, dass wir uns auf diese Lösung einigen mussten.

Sollte sich doch jemand erst einmal nur eine CD zulegen: wie würdest Du demjenigen beschreiben, was er musikalisch und generell von der jeweils zweiten CD zu erwarten hat?

Der erste Teil ist ein wenig geradliniger, mehr Black Metal. Der zweite Teil ist etwas experimenteller… dieser Unterschied ergibt sich natürlich auch aus dem Konzept. Aber so könnte man die Unterschiede der beiden Teile grob auf den Punkt bringen.

Eine ‚Erbsenzähler-Frage‘ zwischendurch: Ich lese regelmäßig von 100minütigem Hörvergnügen, wenn von „Sól“ die Rede ist. Mein Player lässt sich nicht zu mehr als ca. 93 Minuten überreden. Fehlt mir etwa ein entscheidendes Stück oder klingt die 100 aufgerundet einfach besser?

Nein, hehe, der Grund dafür ist ganz einfach: Das ursprünglich aufgenommene Material war in der Tat über 100 Minuten lang. Erst auf dem fertigen Master, mit allen Fades usw. sank die Spielzeit auf die neue Länge. Die Promotion begann allerdings schon, bevor der endgültige Master fertig war – so kam es zu dieser Ungereimtheit.

Als Hauptwerk von „Sól“ gilt die Artbook-Digi-Edition mit beiden CDs und 50seitigem Buch. Wie würdest Du die Komponenten Musik, Lyrics, begleitende Texte und Verpackung Ihrer Bedeutung nach für Dich auf 100% aufteilen?

Keine leichte Frage und ich weiß nicht, ob man das einfach so in Prozentzahlen ausdrücken kann. Auf jeden Fall sind die Musik und die Texte nach meiner Auffassung nahezu gleichwertig, wobei die Musik aber leicht vorne liegt. Mir ist durchaus klar, dass die meisten Leute zuerst auf die Musik achten, egal wie wichtig die Lyrics für uns sein mögen. Das Bildwerk hat eher eine unterstützende Funktion, aber es muss natürlich auch zur Stimmung der Musik passen. Diese Einschätzung gilt für die normale CD. Das Artbook stellt ein Gesamtwerk dar und ist für die Leute, die sich eingehender mit dem Konzept beschäftigen wollen, da steht der Text etwas mehr im Vordergrund.

Eine LP-Box-Version würde sich doch für „Sól“ geradezu anbieten. Großformatige Booklets oder bedruckte Innersleeves, Klappcover etc. lassen viel Raum für künstlerische Gestaltungen. Da Eure bisherigen Veröffentlichungen jedoch auch nicht auf Vinyl erschienen sind, stellt sich die Frage, ob dieses Format nicht in die Lupus Lounge-Philosophie passt? Oder wollt Ihr das am Ende nicht?

Weder noch, da habe ich gute Nachrichten, denn so eine Vinyl–Veröffentlichung ist gerade in Planung! Ich kann noch nicht genau sagen, wann es so weit sein wird, aber Vinyl ist immer eine feine Sache!

Ich persönlich beschäftige mich größtenteils mit der Musik einer Band. Empfindest Du es als Verschwendung, wenn jemand die anderen Komponenten Eurer Arbeit nicht im Detail beachtet, sich damit beschäftigt oder versucht zu interpretieren?

Natürlich nicht. Es liegt doch bei jedem selbst, wie er die Musik auf sich wirken lässt. Vielen Leuten liegt eben nicht so viel an den Texten. Mir persönlich aber schon, und darum investiere ich viel Mühe in sie. Wenn ich damit jemanden erreiche, berühre oder inspiriere freut es mich. Wenn sich jemand aber primär für die Musik begeistert – auch gut. Musik und Gesang bilden abgesehen davon auch eine Einheit… Worte vermitteln über ihren Klang auch Gefühl und Atmosphäre, egal ob man den Text nun intensiv gelesen hat oder nicht.

Sprachlich habt Ihr Euch dieses Mal ausschließlich auf deutsch beschränkt. Ich nehme an, dies war auch eine bewusste, konzeptionelle Entscheidung?

Nicht ganz! Ein klein wenig Altnordisch kommt noch vor. Aber Du hast recht, größtenteils habe ich die Texte auf Deutsch geschrieben. Das Konzept ist sprachlich gesehen moderner, da passte es einfach besser. Es war wohl nicht nur eine bewusste, sondern auch eine gefühlte Entscheidung.

Apropos Sprache: Bekommt Ihr manchmal Feedback – speziell aus dem nicht deutschsprachigen Raum – dass sich deutsche Texte als nachteilig für die Verbreitung Eurer CDs auswirken? Oder zählt letztendlich eh nur die Musik?

Ein solches Feedback haben wir noch nicht bekommen. Es kann sein, dass wir weniger CDs verkaufen, weil unsere Texte nicht Englisch sind. Aber was soll´s…? Wir machen diese Musik nun wahrlich nicht des Geldes wegen. Man verdient mit dieser Musik nämlich kein Geld. Also haben wir gewissermaßen den ärmlichen Luxus, musikalisch machen zu können was wir wollen, wie wir es als richtig erachten. Und das schließt Deutsche Texte mit ein, weil ich in meiner Muttersprache natürlich besser mit Worten spielen kann als in anderen. Außerdem wäre da noch der Klang der Sprache, der Emotionen vermittelt… Ich glaube, man kann auch Zugang zu einem Stück finden, dessen Text man nicht versteht.

Wenn es um wichtige, innovative und grenzensprengende Black Metal-Bands aus dem eigenen Land geht, kommt die Sprache neben den Pionieren Nagelfar auch immer wieder auf Helrunar oder auch Drautran. Wie schätzt Du selbst Eure Stellung innerhalb der Szene ein? Wie siehst du die aktuelle deutsche Black Metal-Landschaft qualitativ?

Wenn uns Leute diese grenzensprengende und innovative Qualität zugestehen, freut uns das natürlich. Wir selbst haben große Schwierigkeiten, die eigene ‚Wichtigkeit‘ einzuschätzen… Natürlich merken wir, dass einigen Leuten unsere Musik gefällt, aber wie einflussreich wir wirklich sind? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung… Und vielleicht ist es auch gar nicht wichtig. Man sollte einfach die Musik machen, die man machen will, machen muss, aus einer Art innerem Drang heraus und weniger auf Reaktionen achten. Wenn es dann einigen Leuten gefällt und man bemerkt, dass man sie erreicht, berührt oder ihnen etwas gegeben hat, dann ist das Lohn genug. Die aktuelle Deutsche Black Metal-Landschaft schätze ich (mit meinem, offen gesagt, begrenztem Blickwinkel) als weitestgehend qualitativ hochwertig und innovativ ein, was man aber von der Deutschen Pagan Metal-Landschaft leider nicht behaupten kann.

Wie sieht es mit Deinem eigenen musikalischen Geschmack aus – kommt nur ausgefallenes, ausgearbeitetes, hochwertiges in Deinen Player oder auch mal völlig untypische, räudige, rumpelige Kost, die man im ersten Moment nicht erwartet?

Natürlich, manchmal liebe ich räudige, rumpelige Kost über alles! Abgesehen davon ist unser Musikgeschmack recht vielfältig… es sollte aber Gefühl und Atmosphäre haben.

Auf Eurer MySpace-Seite habt Ihr ein recht eindeutiges Statement bzgl. Runen-Verwendung. Wie oft kommt es noch vor, dass ihr irrtümlich/böswillig in die rechte Ecke gesteckt werdet?

Heutzutage kommt es gar nicht mehr vor. Im Prinzip könnten wir das Statement entfernen. In den ersten Jahren aber gab es von beiderlei politischen Seiten einige Versuche, uns zu instrumentalisieren oder in eine bestimmte Ecke zu stecken. Es war selten wirklich dramatisch, aber sehr nervig…

Ich könnte mir vorstellen, dass es eine typische Album-Promo-Live-Tour nicht geben wird. Haben die Fans dennoch die Chance Euch 2011 auf ausgewählten Bühnen zu sehen?

Werden sie haben! Wir schauen momentan auch, ob wir nicht doch eine kleine Tour hinbekommen!

Habt Ihr eigentlich eine feste Live-Besetzung mit Leuten, die auch schon dabei waren: Discordius / Harcon? Oder haltet Ihr das variabel? Was ist der Grund, warum der Helrunar-Kern nur aus Dir und Alsvartr bestehen bleibt?

Dass der Kern nur aus Alsvartr und mir besteht liegt vor allem daran, dass wir zu zweit sehr frei und kompromisslos arbeiten können, denn wir sind uns bei dem, was wir musikalisch und konzeptionell erarbeiten wollen, sehr einig. Abgesehen davon haben wir aber eine feste Live-Besetzung, bestehend aus Discordius, Harcon und Samiel. Die wollen wir nicht verändern, weil es menschlich einfach super passt und die Jungens sich sehr ins Zeug legen. Bei Konzerten und auch darüber hinaus sind sie eine großartige Hilfe und Unterstützung!

Gibt es bereits jetzt schon Planungen oder Ideen für einen „Sol“-Nachfolger oder macht ihr kreativ erst einmal Pause?

Ideen kommen immer, da kann man nichts machen. Und ja, wir haben schon erste Ideen für einen Nachfolger… Bis die aber konkreter Gestalt annehmen, kann es noch eine Weile dauern.

Heuer grüßt(e) der Winter mit reichlich weißer Pracht. Wenn man nicht gerade irgendwie mit Auto, Zug oder Flugzeug von A nach B muss oder mitten in einer Großstadt wohnt, kann eine stille, weiße Winterlandschaft auch eine intensive Inspirationsquelle sein. Haben Jahreszeiten oder wetterbedingte Rahmenbedingungen Einfluss auf Deinen Kreativ-Prozess?

Jahreszeitliche Stimmungen haben generell einen großen Einfluss, wenn man gerade an einem Konzept schreibt. In so einem Prozess ist man sehr offen und nimmt vieles auf. Generell hat der Winter für mich, trotz all seiner Schönheiten, aber auch eine sehr dunkle Seite, emotional gesehen. Davon ist sicher auch viel in die Texte von „Sól“ eingeflossen, von denen ich viele im Winter 2009/10 fertig stellte.

Was sind ggfs. andere Faktoren die sich extrem hemmend oder stimulierend für Deine Kreativität auswirken?

Arbeitsalltag ist ein Killer für Kreativität und Empfindsamkeit. Ansonsten sind alle tieferen und intensiven emotionalen Zustände sehr förderlich, auch die Beschäftigung mit Kunst, Literatur und Ähnlichem.

Seit ein paar Tagen ist 2010 vorbei. Das Jahresende ist für viele ein Zeitpunkt um inne zu halten, zurück aufs Jahr zu blicken und sich ggfs. sinnfreie Vorsätze für das kommende Jahr aufzuerlegen. Ist Silvester für Dich so ein Punkt der Rück- und Vorschau oder eher ein gewöhnlicher Tag?

Kein gewöhnlicher Tag. Eine Rückschau findet da schon statt, aber mit den guten Vorsätzen habe ich´s aufgegeben… und vor allem trinkt man immer zu viel… ich weiß auch nicht woher das kommt…

Nichts desto trotz von mir die Frage nach Deinen Highlight/ Flop 2010 und dem, was für Dich 2011 im Fokus stehen wird!

Highlight: Unsere Zeit im Studio. Die war arbeitsintensiv, aber überaus erfüllend.

Flop: Ich bin in diesem Jahr immer wieder auf nervige Arschlöcher getroffen, kann mich aber jetzt gerade nicht darauf einigen, welches das größte ist…

Fokus 2011: Sich aufraffen, weitermachen, Arschlöchern so gut es geht aus dem Weg gehen.

Gibt es noch Dinge, die Du unseren Lesern final mitteilen möchtest?

Neulich habe ich ein sehr gutes Buch gelesen. Es heißt „Der Nemesis-Zyklus“ und ist eine Sammlung von Gedichten und Kurzgeschichten, welche die Deutsche Geschichte von 1871 bis 1933 zum Thema haben. Denen, die sich dafür interessieren, möchte ich es wärmstens empfehlen!

www.helrunar.com

 

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