Hard Stuff: Alles nur geklaut?

Hard Stuff - Maik GodauEin Comic-Einseiter von Gunther Theys (und wem ich jetzt erklären muss, wer Gunther Theys ist, dem beiß ich höchstpersönlich die Ohren ab) erinnerte mich wieder an eine grobe Idee für einen Artikel, den ich mal schreiben wollte, es aber irgendwie nie gemacht hatte. Warum, wissen die Götter. Oder die Dämonen. Oder das fliegende Spaghettimonster. Oder der große grüne Arkelanfall.

Aber ich schweife ab. Muss wohl am Älterwerden liegen. Alte Männer schwafeln gern und viel. Zum Bleistift, dass früher alles besser war. Obwohl solche Gedanken eher auf beginnenden Gedächtnisverlust hinweisen. Ich schweife schon wieder ab.

Zum Thema. Es geht im Großen und Ganzen darum, dass bestimmte, ich sag mal “ Accessoires der Rock/Metal-Szene“ vom Normalbürger kopiert, adaptiert und zur Modeerscheinung wird. Klar, wir Metaller haben einige Outfit-Geschichten auch von anderen Szenen übernommen. Die Motorradrocker, die Punks, ja sogar die Lederschwulen kann man als designtechnische Paten heranziehen. Aber dabei haben Randgruppen andere Randgruppen beerbt, was dann schon wieder cool war. Für die breite Masse war das wohl eigentlich nicht gedacht.

Jeder, der in meinem Alter ist, kann sich noch daran erinnern, welch gnitzige Blicke unsereins geerntet hat, wenn ein oder mehrere Risse, insbesondere im Kniebereich, unsere ausgewaschenen Jeans zierten. Spöttisches „Kann sich nicht mal anständige Hosen leisten“. Damit eckte man an beim biederen Volk. „I’ve got patches on the patches of my old blue jeans. Well, they used to be new, and they used to be blue…..when they used to be clean.“ , sang Bon Scott dereinst. Ich kann mich noch erinnern, wie ich meine ausgeleierten, zerfressenen Hosen desöfteren aus Mutters Lumpensack extrahieren musste, damit sie nicht den Weg der Sekundärrohstoffe gehen mussten. Die Armen. Gut, neue Jeans waren nie lange neu bei mir, weil ich mich gern mal mit dem Moped auf die Fresse gepackt habe, haha.

Und heute? Heute legen die Spacken gutes Geld hin, um schon vorverwaschene Fetzenjeans zu erwerben. Stolz watscheln sie dann mit diesen Dingern durch die Botanik, und halten sich für sonst wie cool, obwohl sie noch nicht mal selber ´ne Hose kaputtkriegen. Fantasienamen wie „Vintage“, „Destroyed“ und ähnlicher Klimbim erhebt die Fetzenjeans zum letzten Modeschrei. Das ist ungefähr so, als wenn sich einer ein völlig durchgerostetes Auto zum Neupreis anschafft. Läuft man heute mit einer natürlich gewachsenen Fetzenjeans herum, wird man mitleidig belächelt, weil kein Markenname draufsteht.

Nächstes Thema: Leder. Schwarzes Leder. Okay, war schon immer auch ein Modeding, mit der dunkel eingefärbten Tierhaut. Aber die Optik macht es. Als die Mode mit Leder nachzog, knallten wir uns Nieten rein. Als die Mode mit Nieten nachzog, kamen bei uns Ketten dazu. Die habe ich nun auch schon bei normalen Klamotten gesehen. Natürlich auch alles schön in der Modeboutique erworben. Mit Straßsteinchen.

Nächstes Ding. Armyklamotten. Als ich mir vor über zwanzig Jahren beim Ausverkauf der US-Truppen hier in Ludwigsburg die ersten Camo-Klamotten zugelegt habe, und damit herumgelatscht bin – echter Armeestoff, wie gesagt- hat auch alles dämlich gekuckt. „Mußt du zum Bund?“ waren Standardsprüche. „Da müssen aber auch die langen Haare weg, höhöhö.“ Rasend funny!

Heutzutage gibt es schon alles im Tarnlook. Und nicht nur die Hosen, Jacken, T-Shirts! Nee neee, Handtaschen, Kinderwagen, Turnschuhe, Kleider, Regenschirme, Armbanduhren, Badeanzüge, ja sogar Krawatten. Uniformierte, wohin man blickt. Ist ja fast wie in Nordkorea! Ich warte noch auf den Smoking und das Abendkleid in Camouflage-Optik….James Bond goes Rambo.

Totenschädel. Das die Dinger mal jemanden abgeschreckt haben, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Klamotten, auch für Kinder, mit den Nischeln drauf sieht man heute überall. Aber nicht nur das. Ich habe in Läden hier schon Kerzenständer, Tischleuchten, Obstschalen und andere Dekorationen gesehen, und – das möchte ich klarstellen: es war kein EMP-Laden und auch keine X-tra-Filiale oder ein sonstiger Szene-Shop, sondern ein stinknormales Kaufhaus für Frau und Herrn Spießbürger.

Als in den Neunzigern diese schwarzen T-Shirts mit den weißen oder roten Tribal-Mustern auftauchten, beschlich mich doch auch gleich der Verdacht, dass da jemand die bei Black Metallern geläufigen T-Shirts mit unleserlichen, aber schön symmetrischen Bandlogos völlig falsch verstanden hatte, die aber zumindest cool fand. Nun liefen die Typen also mit den Leibchen herum, und meinten dazuzugehören zu den gaaaaanz Harten und Böööösen. Und wir haben uns nur gedacht: What the fuck? Zumindest hat uns der Restlook der Nasen davon abgehalten, zu versuchen, die Tribals zu lesen.

Kutte. Jaaa, die echte Kutte ist noch nicht erreicht. Obwohl es auch schon Jeanswesten mit komischen Aufnähern gibt. Im Urlaub sah ich auch eine reifere Dame, die über ihrer Jacke eine Jeansweste trug. Die sogar an den „Ärmelrändern“ ausgefranst war! Allerdings schön flauschig. Und natürlich waren nur Straßsteinchen und Schmetterlinge und solcher Kokolores draufgenäht. Aber es näherte sich schon gefährlich an.

Nietengürtel! Ich habe mal gelesen, dass Dan Lilker bollestolz war, als er sich einen Nietengürtel für 35 Dollar gekauft hatte, „weil das Metal war“. Das war irgendwann Anfang der 80er. Pyramidennieten waren damals der Hammer, Killernieten und so kamen erst später. Mittlerweile aber sind Nietengürtel auf jeder Dorfkirmes an den Verkaufständen zu haben. Wahlweise auch in Pink, und mittlerweile auch in eingefärbten Nieten, farblich passend zum Smartphone-Case und zum Lippenstift. Mittlerweile sind durch die Gothic-Szene auch wieder recht abenteuerliche Nieten im Umlauf, aber das kann nicht lange dauern, dass die dann auch überall zu sehen sind.

Was bleibt uns denn eigentlich noch, was uns die Normalmusikhörenden und Gleichgeschalteten nicht klauen? Okay, Patronengurte. Patronengurte, könnte ich mir vorstellen, sind nicht so das Assecoire, welches Tante Hedwig und Sozialarbeiter Kurt-Börge Schnatterfleck auf ihren Einkaufszettel schreiben. Naja, und die authentische Kutte mit den vielen Patches kann man auch nicht faken. Ich meine, Nike und Red Bull sind nun mal nicht annähernd so geil wie Slayer oder Desaster.

Und was uns auf jeden Fall, liebe Gemeinde, bleibt, ist der Metal-Spirit. Den kann man nicht imitieren, den lebt man. Das Outfit ist nämlich nur Nebensache. Okay, ne coole Nebensache, und zudem auch ne echte Nebensache. Die Hauptsache ist der gelebte Geist des Heavy Metal! Und den kann man nicht bei Woolworth, bei H&M, bei Ikea oder bei NewYorker kaufen. Dort gibt’s nur aufgewärmten Kaffee.

Euer Maik

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