Endless Interview

Eine faustdicke Überraschung im anspruchsvollen Gothicmetal/Rock-Bereich stellt „Perihelion“, das erste Album der Tschechen Endless dar. Meinen Fragen stellten sich Gitarrist Jarda und Sänger/Gitarrist Libor, wenngleich sie in ihren Songs um einiges ausladender zu Werke gehen als beim Stillen meines Wissensdursts…

Als Einstieg gaben die beiden mir einen Überblick über das, was bisher geschah…
Endless: Wir gründeten die Band Ende ’94 und nahmen zwei Jahre später unser erstes Demo auf, das den Namen „Among The Trees“ trägt. Kurz darauf begannen dann leider unsere Line-up-Querelen, was die Positionen des Schlagzeugers und des weiblichen Gesangs betrifft. Die folgenden zwei Jahre mußten wir gezwungenermaßen auf Liveauftritte verzichten und verbrachten die Zeit mit Songwriting. Letztendlich haben wir aber diese Probleme in den Griff bekommen und unsere Debüt-CD „Perihelion“ aufgenommen.

Eine recht einfache Überzeugungsstrategie für etwaige Interessenten an der Musik von Endless haben die beiden in petto:
E.: Die beste Möglichkeit, unsere Musik kennenzulernen, ist wohl, sich unsere Songs auf unserer Homepage runterzuladen und reinzuhören. Mit Worten alleine fällt es sehr schwer, unsere Musik zu umschreiben… am ehesten würden wir das, was wir erschaffen, als atmosphärischen Doomrock oder -metal bezeichnen. Ich möchte aber einfach allen, die innovative, melodische Musik mögen, unsere Songs ans Herz legen.

Der sehr emotionale Charakter der Musik legt nahe, daß die Songs nicht unbedingt aus den Ideen aller Musiker zusammengesetzt werden, sondern eher im stillen Kämmerlein entstehen. Jarda widerspricht da jedoch meiner Theorie:
E.: So 70 – 80% der Musik gehen auf die Kappe von Libor, der Rest stammt von mir. Das Arrangement wird dann im Proberaum fertiggestellt, was natürlich einiges an Zeit verschlingt, weil es zu vielen Diskussionen führt. Da wir eine demokratische Band sind, enden diese dann meist in einer Abstimmung. Wie Du siehst, kommt es so gut wie nicht vor, daß einer von uns bereits mit einem kompletten Song in den Proberaum marschiert kommt, die Endfassung wird stets gemeinsam zusammengebastelt.

Die Jungs können auf umfangreiche Inspirationsquellen verweisen:
E.: Letztendlich kann uns alles, was um uns ist – was wir erleben, was wir sehen, was wir hören – beeinflussen oder auf seine Art inspirieren. Oftmals entstehen so auch Ideen, die dann im Proberaum nochmal den kompletten Song umschmeißen. Nun ja, und dann wäre da noch die spezielle Inspiration, die wir aus dem Rauchen gewisser Substanzen beziehen…

Auf meine Frage nach den Jazz-Elementen im Titelsong geben sich die beiden musikalisch nach allen Seiten offen:
E.: Die von Dir angesprochenen Elemente sind als einmaliges Experiment zu verstehen. Wobei ich diese Stelle eher als bluesig empfinde und nicht unbedingt als Jazz. Letztendlich lassen wir in unsere Musik einfließen, was immer wir wollen.

So etwas geht natürlich nur dann gut, wenn man wie Endless die entsprechenden technischen Fähigkeiten mitbringt. Erwähnenswert ist sicher das hervorragende Drumming auf „Perihelion“…
E.: Oh, danke für die Blumen! Unser Drummer René war die zwei Jahre vor den Aufnahmen zur CD in der Band, war aber zum Zeitpunkt des Studioaufenthalts schon ausgestiegen. Er spielte die CD dennoch ein und wird deshalb im Inlay als Gastmusiker aufgeführt. Mittlerweile trommelt er bei Root, der tsche-chischen Kultband schlechthin, die fast gleichzeitig wie wir ihre aktuelle CD rausgebracht haben. Diese Überschneidung war letztendlich für René auch der Grund für seinen Ausstieg. Schade, denn er ist ein hervorragender Schlagzeuger und übrigens auch auf der Gitarre sehr fit. Mittlerweile haben wir aber in Radek einen neuen Mann an der Schießbude gefunden. René hat ihn uns empfohlen, und wir sind sehr zufrieden mit Radek, da wir musikalisch wie auch menschlich auf einer Wellenlänge liegen.

Ebenfalls eine positive Überraschung auf der CD stellten die female vocals von Goldkehlchen Markéta dar. Schade nur, daß dieses Element in Zukunft im Sound von Endless eine untergeordnetere Rolle spielen soll:
E.: Markéta ist eine Freundin von uns, die uns auf der CD ausgeholfen hat. Wir waren zu der Zeit bereits mitten in den Aufnahmen, als wir unsere eigentliche Sängerin Bára rauswarfen. Um Markéta einzulernen, legten wir die Aufnahmen für zwei Monate auf Eis, während sie sich unser Material beibrachte und wir noch ein paar Änderungen einbauten, um die Gesangslinien mehr auf ihre Stimme zuzuschneiden. Markéta ist jedoch nur auf der CD Gastmusikerin gewesen, mittlerweile arbeiten wir ganz ohne Sängerin, so daß dieses Element auf der nächsten CD vermutlich stark in den Hintergrund rücken wird.

Nicht vergessen wollen wir auch die gefühlvolle Soloarbeit der Gitarren. Die Saitenquäler leugnen gar nicht erst meine Vermutung, daß David Gilmour von Pink Floyd kein Unbekannter für sie sein dürfte:
E.: Natürlich, welcher Gitarrero hört sich nicht Pink Floyd an? Ansonsten: Mit 14 begann ich mit Gitarrespielen. Damals waren die Flitzefinger von Slayer, Metallica, Death und Megadeth meine größten Idole. Ich brachte mir mit ihren Songs das Spielen bei. Mittlerweile wage ich zu behaupten, daß ich keine Idole im ei-gentlichen Sinne mehr habe. Ich besitze aber große Ehrfurcht vor der Leistung von John Petrucci sowie dem Feeling von Daniel Cavanagh und Dino Cazares.

Eine interessante Erklärung gibt es für den Titel, einen Ausdruck aus der Astronomie, der den Punkt, an dem ein Planet in seiner Umlaufbahn seiner Sonne am nähesten kommt:
E.: Es ist eine Metapher. Manche Menschen kommen von ihren Überzeugungen, Zielen und Träumen ab. Erst nach einiger Zeit bemerken sie, daß sie von ihrem Weg abgekommen sind, quasi ihr Selbst verloren haben. „Perihelion“ steht für die Hoffnung, daß sie eines Tages wieder den Weg zurück zu sich selbst finden werden.

Doch bei Endless geht’s nicht immer so hochphilosophisch zu, auch Humor hat bei den Tschechen seinen Platz, wie ein Zitat aus einem „Per Anhalter durch die Galaxis“-Band in einem der Texte beweist…
E.: Diese Bücher sind wohl die witzigsten, die es gibt! Und wenn-gleich unsere Musik meist eher düster wirkt, so hat seit jeher auch der Humor seinen Platz bei uns.

Auf meine Frage nach weiteren empfehlenswerten Bands aus ihrem Land rühren die Herren erst mal eifrig die Werbetrommel für das Programm ihres Labels:
E.: Redblack ist wohl eins der besten tschechischen Labels, wir sind dort sehr glücklich. Ich kann daher guten Gewissens alle Redblack-Bands empfehlen: Silent Stream Of Godless Elegy, Root, Sad Harmony, Forgotten Silence und Dark Gamballe. Ansonsten wären da noch Hypnotic Scenery und Disfigured Corpse.

Und auch zu Forgotten Silence, bei denen zwei ehemalige Endless-Musiker mit am Werke sind, hat man Kontakt:
E.: Das ist jetzt schon mehr als drei Jahre her, daß Radim und Hanka Endless in Richtung Forgotten Silence unter recht dramatischen Umständen verließen…  das ist so lang vorbei, die Beziehung zwischen allen Beteiligten hat sich seitdem wieder total normalisiert.

Das Jahr 1997 ist den beiden als besonders zwiespältig im Gedächtnis geblieben:
E.: Einerseits gewannen wir den „New Rock Generation“-Wettbewerb. Das war fantastisch! 300 Bands hatten sich beworben, keiner rechnete mit uns, aber wir gewannen, obwohl das damals gerade mal unser sechster und siebter Liveauftritt war. So weit, so gut, doch eine Woche später begannen die erwähnten Line-up-Querelen, so daß wir erstmal heftig zurückgeworfen wurden, statt daß wir auf den Erfolg bei dem Wettbewerb aufbauen konnten.

Ebenfalls fantastisch muß es für die Band gewesen sein, Anathema zu supporten…
E.: Ja, dank unseres Labels konnten wir zusammen mit Silent Stream Of Godless Elegy, die uns zuvor auch den Vertrag mit Redblack verschafft hatten, in Prag für Anathema eröffnen. Ich bin der Meinung, daß das unser bislang bester Gig war, zumal wir dank unserem eigenen Mischer einen hervorragenden Sound hat-ten. Das Konzert war eine äußerst spannende Erfahrung. Anathema selbst waren genial, einer der schönsten Auftritte, die ich je gesehen hab‘, eine wundervolle Atmosphäre!

Über die Frage nach dem bisherigen Höhepunkt ihrer bisherigen Bandgeschichte grübeln die beiden ein wenig:
E.: Das ist schwer, einen einzigen Zeitpunkt festzumachen. Wahrscheinlich ist es sogar gerade jetzt für uns die bisher beste Lage, da wir eine neue CD draußen haben und einen Drummer, auf den man sich verlassen kann, das ist prima!

Wesentlich leichter tun sich die Herren dagegen bei der Frage nach dem bisher größten Rückschlag für die Band…
E.: Das war definitiv der völlig unerwartete Ausstieg unseres Schlagzeugers und unserer Sängerin so direkt nach dem Gewinn des „New Rock Generation“-Wettbewerbs!

So wollen wir hoffen, daß den Tschechen ein ähnliches Unglück in Zukunft erspart bleiben wird und sie uns wie geplant im Winter mit einem neuen Album erfreuen werden. Bis dahin wird auch euch sicher „Perihelion“ so manche schöne Stunde bereiten!

Labelkontakt:
Redblack Prod., Kopecna 7, 602 00 Brno, Tschechische Republik, E-mail: info@redblack.cz

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*