Deranged Interview

DERANGED, die „amerikanischsten“ aller Schweden-Deather, haben mit ihrem dritten Longplayer wieder einmal gezeigt, wo an der Schwelle zum Grind der Hammer hängt. Das sinnigerweise mit „III“ betitelte Werk schließt an die Vorgängeralben an überzeugt auf ganzer Linie, obwohl wieder der Sänger gewechselt wurde. Zum neuen Opus, überraschenden Einflüssen und dem noch unbekannten Zweitprojekt Murder Corporation nahm Schlagzeuger Rikard Wermén ausführlich Stellung.


Der Sound von „III“ ist im Gegensatz zum nicht minder prachtvollen Vorgänger „High On Blood“  räudiger ausgefallen, was aber von Seiten der Band durchaus beabsichtigt war.

WERMÉN: „Wir wollten dreckiger klingen als auf ´High On Blood´. Ich persönlich hätte es sogar noch weiter auf die Spitze getrieben. Ich hasse die meisten CD-Veröffentlichungen von heute wegen ihrer Produktion. Es gibt immer noch eine Menge guter Tracks, aber zumeist werden sie zu steril und glatt produziert. Was ich überhaupt nicht ausstehen kann, sind diese hohen, getriggerten und ´clicky´ Drums. Trommeln sollten wie Trommeln klingen! Nicht wie Lichtschalter! Wir selbst hören sehr viel Musik, die außerhalb des Death Metal angesiedelt ist. Wir wollten, daß man das auf der neuen Platte merkt. Jeder bringt eben ein paar CDs als Referenz ins Studio, um dem Produzenten seine Absichten klar zu machen. Berno machte ziemlich große Augen, als er unsere Auswahl sah. So ist dieser thrashy 70ies-Sound zustande gekommen. Trendy und 90ies zu sein ist unsere Sache nicht? Ha!“

Es soll kein Geheimnis bleiben, was alles als „Schablone“ für „III“ diente.
W: „Wir hatten zum Beispiel CDs von Fu Man Chu, King´s X und Van Halen dabei. Bei Van Halen liebe ich besonders den Snare-Sound! Als ich vornhin vom 70ies-Sound sprach, bezog ich mich aber mehr auf Deep Purple, Leafhound, Zeppelin, Mountain und Cactus. Kiss ist überhaupt meine Alltime-Lieblingsband! Eric Carr war ein cooler Drummer, der einen metallischeren Sound bei Kiss einbrachte. Peter Criss wiederum hat nicht so hart zugeschlagen wie er. Was Platten anbelangt, so ist natürlich alles vom Anfang bis Alive 2 besser als das, was Eric Carr aufgenommen hat. Aber live hat er den Klassikern einen neuen Touch verliehen.“

Die vorige „Lichtschalter“-Kritik hat sich für meine Ohren auf den Morrisound-Brauch der getriggerten Bass-Drums bezogen, was Wermén aber bestreitet.
W: „Nicht wirklich! Die haben dort wirklich viele großartige Alben produziert, von denen mir manche auch soundmäßig gefallen. Der ´clicky´ Sound steht manchen Bands sogar sehr gut zu Gesicht, aber ich mag ihn nun mal nicht. Es gibt viel schlechtere Beispiele dafür als die Morrisound-Produktionen! Morrisound ist ein großartiges Studio, und ich möchte nicht, daß man glaubt, daß ich Scheiße darüber erzählen würde!“

Die Geschichte der getriggerten Drums geht ja meiner Meinung nach darauf zurück, daß man im tieffrequenten Rumoren einer Death Metal-Band die Drums und den Bass trennen wollte. Wermén wiederum sieht den spieltechnischen Aspekt schwachbrüstiger Schlagzeuger mehr im Vordergrund.
W: „Wenn du die Drums triggerst, dann mußt du nicht so hart zuschlagen. Das macht natürlich Blast- und Doublebass-Parts viel einfacher! Viele Leute hören sich ein Album an und sagen:´Mein Gott, der Drummer ist so schnell. Wie kann er das nur durchhalten?` Dabei hat der gute Mann aber seine Trommeln getriggert und es genügt auf die Felle zu furzen und BAM!!! Wir wollten das nie, weil wir einen natürlichen Sound bevorzugen!“

Die Frage nach den Lieblingsschlagzeugern verband ich mit der Vermutung, daß wohl Chris Reifert dazugehören müßte.
W: „Ich habe erst vor einigen Wochen mit Chris gesprochen! Es ging dabei um die Split-CD, die wir mit Abscess, Chris´ aktueller Band, machen werden. Das Teil wird auf Listenable herauskommen. Die Drummer, die ich am meisten mag, sind John Bonham, Ian Paice, Cozy Powell, Dave Lombardo und Gene Hoglan. Natürlich auch Eric Carr, was wir aber schon vorher besprochen haben.“

Die neue Scheibe scheint für mich mehr in Richtung Cannibal Corpse zu gehen als noch der Vorgänger. Überraschend ist das nicht, da DERANGED ja immer schon sehr „unschwedisch“ geklungen haben.
W: „Es stört mich nicht, daß du uns mit Cannibal Corpse vergleichst. Ich finde es äußerst interessant, was andere für Einflüsse aus unserer Musik heraushören. Viele haben gesagt, daß die neue CD sich sehr nach Morbid Angel anhört. Mir ist das alles egal. Wir spielen einfach und wenn es cool klingt, dann arbeiten wir weiter daran. Was Death Metal anbelangt, so stehen wir alle auf die extremen und brutalen Sachen. Das ist es, was wir auch selbst machen wollen. Keinesfalls ´zwingen´ wir uns zu dieser Richtung oder legen gar vorher fest, wie die neuen Songs zu klingen hätten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Arbeitsweise funktionieren kann. Unserer Philosophie ist einfach bestmöglich zu spielen, der Rest ergibt sich von selbst.“

Mein Vergleich mit Cannibal Corpse wurde indirekt von deren Booking-Agentur bestätigt, die in DERANGED eine würdige Vorgruppe sehen.
W: „Es sieht so aus als wenn wir Cannibal Corpse auf ihrer nächsten Europa-Tour im April begleiten würden. Unser neuer Sänger/Bassist Johan Anderberg hat zwar noch ein paar Sachen mit seinem Arbeitgeber zu regeln, aber irgendwie wird er es schon schaffen.“

Wie alle anderen Schweden-Bands existieren auch DERANGED bühnentechnisch erst südlich von Flensburg.
W: „Bei uns in Schweden gibt es keine Metal-Clubs wie in Deutschland. Bei euch scheint ja jede Stadt mit so einem Club gesegnet zu sein. Selbst in den kleinsten Städten haben wir immer gute Besucherzahlen gehabt. Andererseits leben in Schweden aber nur 8,5 Millionen Einwohner im Gegensatz zu 80 Millionen in Germany. Das ist natürlich schon ein nicht unbeachtlicher Unterschied.“

Wermén ist ein richtiger Ämterkumulierer. Neben dem Schlagzeughocker besetzt er auch noch die Funktion des Bandlyrikers, was doch relativ ungewöhnlich ist.
W: „Niemand anderer wollte es tun. Wir hatten einmal eine Menge neuer Songs und der damalige Sänger machte keine Anstalten Texte zu verfassen, also nahm ich das in die Hand. Irgendwie mußten wir ja weitermachen. Wir haben sogar sehr, sehr räudige Rehearsal-Aufnahmen gemacht, wo ich sang, um dem Sänger die Songs besser erklären zu können. Wir machen das auch heute noch so, aber ich kann dir versichern, daß ich wirklich nicht singen kann und diese Tapes dementsprechend scheiße klingen.“

Seine Horror-Inspirationen bezieht Wermén wie die meisten Splatterer aus der Glotzkiste.
W: „Alle Lyrics sind reine Horror/Splatter-Fiktion. Meistens beginnt es mit ein paar Zeilen, die ich mir notiere, wenn ich einen argen Film sehe. Ganz von selbst wächst sich das zu einer ganzen Seite aus. Diese Ideen füge ich dann zusammen und fertig ist der Text. Eigentlich ist das ganz einfach!“

Wieder einmal gibt es mit „Razor (Rection)“ einen Song bei DERANGED, der mit Rasierklingen zu tun hat. (Vgl. „Razor Tongue“ und „Razor Divine“ von den beiden Vorgängeralben.)
W: „Das ist wirklich zufällig, aber Rasierklingen können oft sehr nützlich sein!“

Der Titeltrack weicht vom gewohnten musikalischen Schema stark ab, was mich dazu veranlaßte ihn als Scherz zu bezeichnen.
W: „Wir wollten immr schon etwas in dieser Art machen. Eigentlich seitdem 1994 wir das Intro für unsere zweite 7“ aufgenommen haben. Wir haben sogar ins Auge gefaßt ein eigenes Projekt zu starten, das sich nur auf solche ´horror filled noise type of tracks´ spezialisiert. Einfach im Studio verrückt spielen, dieses und jenes
samplen und verschiedenste Effekte verwenden. Eine Gitarre mit einer Bohrmaschine zu spielen….  Für mich ist `III´ eigentlich ganz gut geworden!“

Beim Stichwort Bohrmaschine sind wir schon wieder bei Van Halen gelandet, obwohl ja eigentlich Mr. Big den meisten Erfolg damit hatten.
W: „Wie gesagt liebe ich Van Halen! Am meisten die alten Sachen, vor allem die erste Scheibe.“

Meiner Vorliebe für Sammy Hagar konnte er sich aber nicht anschließen.
W: „Um ehrlich zu sein habe ich mir noch gar keine Platte mit Hagar gekauft. Ich kenne sie zwar, aber ich bevorzuge David Lee Roth.“

Was die stilistischen Zukunftspläne von DERANGED betrifft, so gab Wermén die erwartete Auskunft, daß keine allzu radikalen Veränderungen zu erwarten seien.
W: „DERANGED werden immer 100% Death Metal bleiben. Sonst wären wir nicht DERANGED! Wer weiß, vielleicht werden wir aber einmal des Geknüppels überdrüßig. Dann werden wir aber sicher den Namen der Band ändern. Das würde ich jeder Band raten, die sich unbedingt verändern will. Damit wären auch diese endlosen Vergleiche von neuem und altem Material aus der Welt geschafft.“

Die erste historische Anekdote, die es aufzuarbeiten galt, war die Mitwirkung von Gitarrengott Michael Amott auf DERANGEDs Frühwerk „Architects Of Perversion“.
W: „Unser damaliger Sänger kannte Michael sehr gut. Er lud ihn zu einem Besuch im Studio ein. Er kam vorbei und spielte ein paar Solos ein. Carcass haben uns in dieser Anfangsphase vor allem lyrisch sehr stark beeinflußt. Damals habe ich aber noch nicht die Texte geschrieben.“

Obwohl Wermén es lieber sähe, wenn „Architects Of Perversion“ eingestampft worden wäre, so wird Repulse diese MCD zusammen mit dem Full-Length-Debut „Rated X“ und der MCD „Sculptures Of The Dead“ dieses Jahr wiederveröffentlichen.
W: „Ich wünschte irgendjemand hätte die Masterbänder zerstört! Die Aufnahmen sind wirklich schlecht. Aber immerhin ist es besser, daß man den alten Scheiß auf einer CD kaufen kann, als daß mir irgendjemand Leerkassetten zum Überspielen schickt.“

Das veröffentlichungstechnisch noch jungfräuliche Nebenprojekt der Derangierten mit Namen Murder Corporation wird im Jahr 2000 mit einem wahren Paukenschlag auf die Menschheit losgelassen werden.
W: „Wir werden insgesamt 4 (in Worten: vier!!!!) CDs veröffentlichen! Zwei Splits mit Grind Buto (Indonesien) bzw. Severed Limbs (Schweden), eine Compilation mit 17 Songs, die eigentlich für 7″-Singles gedacht waren, und eine brandneue Full-Length. Wir haben sogar noch eine vollständige CD in der Hinterhand, die wir vor zwei Jahren aufgenommen haben! Mit Murder Corporation spielen wir auch Death Metal, der sich aber von DERANGED unterscheidet. Wir machen da keine Blastbeats. Musikalisch geht es mehr in Richtung Old School wie Repulsion, Master und Massacre. Wir wollten ein anderes Betätigungsfeld zum Jammen. Obwohl die gleichen Leute wie bei DERANGED spielen, so ist Murder Corporation doch eine eigenständige Band, die wir sehr ernst nehmen. Nach den Veröffentlichungen werden wir sicher auch mit Murder Corporation Gigs spielen.“

Da würden sich ja Doublefeature-Shows mit DERANGED anbieten.
W: „Das wäre natürlich die einfachste Lösung. Wir haben diese Möglichkeit sogar schon besprochen. Ich würde es gerne machen, aber das wäre natürlich schon hart!“

Die obligate Underground-Diskussion läutete ich mit der Umkehrung des Puristen-Credos „Man kann jede schlechte Band in den Himmel pushen“ ein: Kann sich denn eine gute Band dem Overground auf Dauer verschließen und im Underground bleiben?
W: „Natürlich kann eine gute Band im Underground bleiben. Es geht da nur darum, wie die Musiker etwaigen Erfolg handhaben.“

Also genügt es auf dem Teppich zu bleiben?
W: „So ist das nicht wirklich zu vereinfachen. Es stört mich aber sehr, wenn ich höre, daß manche Bands Interviews mit kleineren Fanzines nicht beantworten, weil sie sich erhaben fühlen. Ohne Unterstützung aus dem Underground hätten DERANGED noch nicht einmal eine 7″ veröffentlichen können! Ich kann aber auch das Gerede von 18jährigen Gören nicht mehr hören, die uns vorwerfen nicht mehr dem Underground anzugehören, nur weil wir einen Gig nicht spielen, der uns viel Geld kosten würde.“

Abschließend nur noch die Bekanntgabe der DERANGED-Adressen: DERANGED,  ÄNGAVÄGEN 2, 245 62 HJÄRUP, SWEDEN
Internet: http://start.at/your.death

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